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XIV

Am nächsten Morgen begab er sich nicht ins Amt, sondern unternahm einen Spaziergang, der ihn in entlegene, zu dieser Jahreszeit, insbesondere an einem so trüben Nebeltage, fast völlig verlassene Pratergegenden führte. Niemand konnte ihn hier vermuten, er hatte das Gefühl vollkommener Sicherheit, von keiner Seite drohte irgendwelche Gefahr. Später saß er in einer wohlgeheizten Wirtsstube bei einem einfachen Mittagmahl und wurde nun mit einigem Staunen inne, daß er im Laufe der eben verflossenen Stunden seiner Braut gar nicht gedacht hatte und daß sie ihm jetzt, da er sich ihr Bild ins Gedächtnis rief, nicht scharf umrissen, als die bedeutungsvollste Erscheinung seiner gegenwärtigen Existenz, sondern daß sie in verschwommenen Linien, als gehöre sie einer vergangenen Periode seines Lebens an, vor ihm auftauchte. Er sah sie, von Schneeflocken umweht, auf einem kleinen Balkon stehen, die Hände auf die Brüstung gestützt und nach unten blickend. Doch lag dort nichts, was jenen neulich geschauten Vorstadtgärten im geringsten glich, sondern eine nebelhaft zerfließende italienische Stadt, in der er

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_125.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)