Seite:Alfred Barth Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche.pdf/94

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Im einzelnen führte er nun aus: „Die inneren Pfeiler sind zu schwach und im Grunde nicht zusammenhängend. Es kann aus dem Profil ersehen und durch Rechnung dargetan werden, wieviel die Schwere überwiegt. Die Pfeiler bei Altar und Orgel sind zu weit. All diese Schäfte sind stärker zu machen, wozu ich einen Grund und Profil gefertigt“. „Denn ob hier einige Kirchensitze und Stände mehr oder weniger ausfallen, ist kein Einwand, weil das Gebäude ohnehin schon groß genug ist. Sicherheit und Dauer geht jenem vor und sind niemals zu bezahlen, wenn sie fehlen.“ Aus der geringen Pfeilerstärke folge weiter, daß die Säulen beim Chor durchschnitten, d. h. durch die Orgelempore zum Teil verdeckt werden. „Auch bei Abhilfe bleibt es ein unverantwortlicher Fehler.“ „Da die Postamente zu nieder, sind’s auch die Emporkirchen“ (gemeint sind die Betstuben). Ein innerlich schlechter Effekt gegen die Kirchenhöhe sei die Folge. „Da die Säulen Last tragen oder dies anzeigen sollen, so findet man das abgeschmackteste Beispiel, daß sie zu schwach und niedrig, mithin zu klein sind und nicht die geringsten guten Verhältnisse in Ansehung ihrer Last haben, welches auch derjenige, der die Baukunst nicht studiert, leicht wird einsehen können. Da nun diese Kirche nach dieser Anlage allemal von dem elendesten Geschmack und sehr zu bedauern sein würde, eine so ansehnliche Summe Geldes darauf zu verwenden, so bin ich bewogen worden, selbst ein andres Profil zu fertigen, wo die Fehler vermindert und das Innere der Kirche auf eine diesem großen Gebäude anständige Art ein­gerichtet worden.“ „So unangenehm diese Desideria für den Rat, ihn auch in Ansehung des großen Aufwands und Raissonements des Publici in ziemliche Verlegenheit setzen müsse“, so wenig könne er dies verschweigen der zukünftigen Folgen willen. Er überlasse „dem Rat und dero weisen Beurteilung, was er für Maßnahmen belieben werde“. Den gefertigten Grundriß und Schnitt übergab Exner nicht mit.

Exners Bericht entsprach nicht dem Auftrag Xavers, die etwaigen Mängel am ausgeführten Mauerwerk anzugeben. Sein Verlangen, die Pfeiler durch stärkere zu ersetzen, stellt eine Kritik der Schmidtschen Planung dar, die zweifellos rechtsgültig approbiert war. Daß die Pfeiler nach heutiger Anschauung stark genug waren, wurde schon eingehend dargelegt. Krubsacius hatte in seinem Gut­achten ausdrücklich betont, daß Schmidt „die Pfeiler wohlbedächtig verstärkt“ habe. Ästhetische Einwendungen gegen Schmidts Inneres hatte er nicht erhoben. Ja er übernahm dasselbe in seine Schnittzeichnung zum Konkurrenzentwurf. Und er war doch als Professor der Akademie berufener Sachverständiger für den damaligen „guten Geschmack“. Bei der Beurteilung der Schmidtschen Pläne vor der Oberbaukommission hatte weder Exner noch ein anderes Mitglied ästhetische Bedenken geltend gemacht. Man hatte wohl Schmidt vorgehalten, „die Pfeiler scheinen zu schmal zu sein“ in anbetracht der großen Last. Aber auf seine Einrede, daß sie schon einige Ellen herausgemauert und daß eine Änderung auf Ratsseite Schwierigkeiten finde, hatte man ihm nur entgegnet: „Es wird dafür gehalten, daß solche zur Dauer und Festigkeit des Gebäudes viel beitragen.“ Im Schlußbericht war die Kommission auf den Einwand gegen die Pfeiler nicht mehr zurückgekommen. Damals wäre es Exners Sache gewesen, seine Pfeilerbedenken weiter zu verfolgen und sich über Schmidts Plan zu informieren. Neue Profile anzufertigen war weder damals noch jetzt von Rechts wegen seine Aufgabe. Aber gerade, daß er die Schmidtsche Innenanordnung durch eigene Pläne verdrängen wollte, war der äußere Anlaß wie der innere Grund für seine Gegnerschaft gegen Schmidts Pfeiler, im Bericht wie schon im Promemoria. Die ästhetischen Bedenken standen im Vordergrund. Er plante, wie auch aus seinen späteren Rissen hervorgeht, eine große Säulenordnung im Schiff, deren Gebälk wie bei der katholischen Hofkirche und wie in jedem Säulenbuch über den Pfeilerarkaden hinlaufen sollte, während Schmidt die Arkadenbögen auf die Gebälkstücke der Pfeiler und ihrer Säulen aufsetzte. Für seine größeren Säulen brauchte Exner ein entsprechend höheres Postament. Diesem zuliebe sollten die Emporenbrüstungen höher kommen. Die stärkeren Säulen erforderten naturgemäß stärkere Schäfte.

War es Exner nur um eine Vergrößerung der absoluten Pfeilerstärke aus Gründen der Festig­keit zu tun, so ließ sich hierüber mit Gründen und Gegengründen ein Urteil finden. Daß er die „Rechnung, wie viel die Schwere überwiegt“, nicht anstellte, zeigt, daß ihm das rein bautechnische Bedenken Nebensache war. Durch den Vorwurf, daß die (den Pfeilern vorgelegten) Säulen zu schwach seien, „da sie Last tragen oder dies anzeigen sollen“, betrat er ein Gebiet, wo nur das persönliche

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/94&oldid=- (Version vom 10.4.2024)