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und der mehrsten Einwohner der Stadt“ das Gewölbe bei, verstärkte die inneren Pfeiler und die Stirnwände, „die auch bereits von Schmidten nach den mir kommunizierten Rissen im Grunde ver­stärkt angelegt worden sind“. Da nunmehr die Spannung enger, sei die Wölbung eher zu wagen. Die Anschweifung verwarf er noch. Sein Riß mit einer senkrechten Attique zeige die gute Wirkung der geradestehenden Attique-Pfeiler statt der gekrümmten Pilaster Schmidts. „Unter dem schmalen aber hohen Kupferdach der Abseiten der Kirche können innen noch Strebebögen gegen den Schub des großen Gewölbes versteckt angeordnet werden“. Kein Fehler, aber ein Depens sei es die römische Ordnung zu unterst anzubringen, da das Unterteil der Säulen schon ganz und das Oberteil ziemlich fertig. (Oberhalb habe er eine attische Ordnung mit kleinem römischen Kapitäl ans Schiff angesetzt.) Die halben Pilaster Schmidts aber sollen, so hoch sie bereits stehen, füglich abgehauen werden. Die unteren Fenster sollen eine Verdachung erhalten, die mit dem Bogensturz des Fensters ganz unge­zwungen parallel läuft, die Dachschnörkel Schmidts aber abgehauen werden. Die Kirchtüre, die ohne dem noch nicht stehe, solle um eine ganze Elle breiter werden, die übrigen Türen einen weitvorspringenden Sims bekommen, der auf Seitenrollen ruht, zur Beschirmung und zum Aufsatz eines Rauch­fasses, das die Andacht andeutet. „Diese und alle übrigen wenigen Dekorations der Kirche und des Turmes, sie bestehen gleich aus Bildsäulen, Gefäßen, Leuchtern oder Gehängen, können als außerwesentliche Stücke der Baukunst und aus Ersparnis der Kosten weggelassen werden, wenn der Ort oder Raum derselben ledig bleiben soll. Kenner aber werden sie vermissen.“

Die Äußerungen des Akademieprofessors illustrieren uns seine Auffassung von der Architektur, über die er als Gebieterin eine rein verstandesmäßig herausgebildete Ästhetik einsetzte. Hatten Schmidt und das Barock die Architekturgliederungen, wie Gesimse und Architrav, rein künstlerisch als Schmuck­elemente ihren Zwecken dienstbar gemacht, so wurden diesen jetzt ein Sinn und Bedeutung und daraus abgeleitete Gesetze untergeschoben, vermöge deren sie das architektonische Schaffen beschränken und be­herrschen sollten. Aber auch das Ornament selbst wurde seines rein schmückenden, das Auge durch die Form erfreuenden Charakters entkleidet, um durch den von ihnen verkörperten Sinn und Begriff den Verstand zu befriedigen. Für den Nichtkenner, dem die Befriedigung am Abstrakten fehlt, der die Form nicht zum Begriff und zum Sinn umzubilden vermag, konnte solche Ornamentierung ruhig fehlen. Im nächsten Jahr, 1767, stellte Krubsacius ein Gebäude ohne jeden Schmuck aus, um zu beweisen, daß auch ohne Beihilfe der Bildhauerei die Architektur schön und einnehmend sein könne.

Die Einwände der Oberbaukommission beziehen sich auf Schmidts drittes Neubau­projekt (vergl. Abbildung S. 31). Im Protokoll der ersten Sitzung heißt es: Der Turm könne niedriger gehalten werden, weil er 20 Ellen höher sei, als der „Katholische Kirchturm“.[1] In der dritten Etage solle er an Stelle der Pilaster Säulen erhalten, in der vierten zur Erlangung mehrerer Belastung bis an die freistehenden Säulen vollgemauert werden. Er solle auf allen vier Seiten egale Fassaden präsentieren, entweder auf allen gleich oder auf allen ausgebogen (im Grundriß), und er solle nicht von der dritten Etage an hohl stehen, welches wider die Regel der Festigkeit sei. – Weiter „werden die Pfeiler in der Kirche für zu schwach gehalten, weil sie .. eine große Last tragen sollen. Es müssen die Pfeiler im Grund rund zusammen gespannt werden, damit sie eine mehrere Haltung und Festigkeit vor das Ausweichen erlangen mögen. Sämtliche Ausschweifungen müssen mit Kupfer gedeckt und nicht wie bei der Frauenkirche der Penetration der Witterung ausgesetzt werden. Auch sind die Fenster einiger Änderung unterworfen.“

Im zweiten Protokoll heißt es: „Schmidten sind die Erinnerungen vorgelesen, einige hat er akzeptiert, bei anderen vorgestellt, warum es nicht geschehen könne.“ Dann folgen die Einwände: Der Turm solle egal werden nach allen Seiten (also im Grundriß), die Turmlast solle vermindert, er selbst erniedrigt werden. In der dritten Etage „würden Säulen zierlicher aussehen, damit die Fassaden durch alle Etagen gleiche Dekoration erlangten“. Weiter „die Pfeiler scheinen zu schmal zu sein, sie

sind schon einige Ellen herausgemauert. Änderung würde auf Ratsseiten Schwierigkeiten finden.


  1. Zum Vergleich dienen folgende Turmhöhen: Hofkirche 86 m, Schmidts Plan 98 m, Krubsacius’ Plan 80 m, Exners Plan 94 m, Hölzers ausgeführter Kreuzturm 90 m, Schloßturm 101 m, alter Kreuzturm 92 m, Frauenkirche 95 m.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/89&oldid=- (Version vom 9.4.2024)