Seite:Alfred Barth Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche.pdf/73

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Mansarde. Die gesamte Raumüberdeckung, sogar die Vierungs- und Arkadenbögen bestanden nur aus überputzter Bretterschalung, der Turm aus einem Holzgerüst mit äußerer Kupferhaut. Als Baumeister der Kirche wird neben Prey, der während der Ausführung starb, noch Sonnin genannt. Der Haupt­entwurf und die Deckenbildung stammen zweifellos von Prey und setzen starke, persönliche Eindrücke der Bährschen Bauten voraus. Der kreuzförmige Grundriß mit seiner ausgesprochenen Vierung ließ zunächst eine andere Lösung der Überdeckung erwarten; die dann ausgeführte wurde erst während des Baues angenommen, nach mannigfachen anderen Versuchen. Die Abmessungen sind bedeutend, Bau­fläche und Höhen ähnlich wie bei der ausgeführten Kreuzkirche. Das Parterre hat ohne Altarplatz eine stützenfreie Grundfläche von rund 1000 qm, Vierung und Querschiffe allein schon rund 800 qm. Dafür ist die Emporenausnützung geringer. Während Schmidt die Kreuzform Bährscher Umfassungen aufgab, brachte sie Prey zu stärkerer Entwicklung, so schon an der St. Georgskirche in Hamburg. Das Raumideal Preys wich von dem Schmidts und Bährs bereits ab. Einfluß auf ihn hat, wie es scheint, die ausgesprochen kreuzförmige Hallenanlage der Erlöserkirche und der Garnisonkirche in Kopen­hagen gehabt. Das Gleiche gilt für seinen Zeitgenossen Dose, einen Schleswiger Baumeister, der dann in Kopenhagen selbst tätig war.

Um die weitere Entwicklung der sächsischen Kirchenbaugedanken in Hamburg und den um­liegenden Orten Schleswig-Holsteins zu beurteilen, sind erst Spezialuntersuchungen nötig. Auch schwanken die Angaben über die entwerfenden Architekten. Die Altonaer Hauptkirche mit Betstübchengeschoß nach sächsischer Art zeigt im Grundriß eine auffallende Übereinstimmung mit der Hamburger Georgskirche. Diese wird Prey, jene Dose zugeschrieben. Erwähnenswert ist vor allem noch die große und wirkungsvolle Kirche in Rellingen bei Hamburg (1754–57), die anfangs Sonnin, dann Dose zugeschrieben wurde. Zweigeschossige Emporen umgeben einen regelmäßigen Achtecksaal mit höherem Mittelgewölbe, in das durch Dachfenster und durch eine weite Laterne reiches Oberlicht einströmt. Altar, Kanzel und Orgel nehmen ganz wie bei Schmidts Großenhainer Kirche eine Arkadenseite ein und stehen an der Saalwand. Der Aufbau der ganzen Gruppe erinnert selbst bis in die Details an Bähr und Schmidt, die Querschnittentwicklung mit der Laterne an die ersten Pläne zur Frauenkirche. Der persönliche Einfluß der Dresdner Schule ist fast noch stärker fühlbar wie bei der Michaeliskirche. Entweder stammt auch hier der Plan von Bährs Schüler Prey, oder Dose, falls er der Hauptentwerfende war, hat gleichfalls unter Bähr seine Ausbildung durchgemacht.

Parallel mit der Weiterbildung des sächsischen Stils unter Schmidt ging an der Mündung der Elbe eine ausgiebige Verwertung der in Dresden gefundenen Kirchenbaugedanken.[1] Aber hier wie dort war es den Schülern Bährs gerade an ihrer größten Aufgabe versagt, das zu leisten, was Bähr bei der Frauenkirche erreicht hatte, die Wiederspiegelung der künstlerischen Raumlösung im Äußeren und die Durchführung der Bauabsichten in massivem Baumaterial, kurz wahre Monumentalität.

Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts war überall in Deutschland die Erinnerung an die Errungenschaften des 18. Jahrhunderts im protestantischen Kirchenbau erloschen. Wohl zeigte sich viel ernstes Streben, dem evangelischen Gotteshaus ein eigenartiges Gepräge zu verleihen. Die Versuche zu einer neuen selbständigen Entwicklung wurden allenthalben erschwert durch das Vorherrschen der „Stil“ frage bei den Laien wie bei den Architekten. Bei diesen trat an die Stelle einer unbewußten Weiterbildung gefestigter Stiltraditionen früherer Zeit das mehr sprungweise Einarbeiten in verschiedene historische „christliche“ Stilvariationen. Die Durchbildung der Gedanken, die künstlerische Zweckerfüllung wurde verdunkelt durch das Suchen nach dem sprachlichen Ausdruck, dem formalen Stil. Die Leistungen des Barock galten als Geschmacksentartungen. Man verachtete seine Schmuckformen und sah nicht die

in ihnen niedergelegte Summe von künstlerischer Erfahrung über zweckgemäße Raumgestaltung.


  1. Größere photographische Abbildungen der Kirche vor und nach dem Brande sind in der Deutschen Bauzeitung 1907, Nr. 7 und 9 wiedergegeben. Eine illustrierte Monographie der Kirche von Faulwasser ist 1886 in Hamburg erschienen. – Ein Aufsatz vom Verfasser „Die Hamburger Michaeliskirche und der Dresdner Kirchenbaustil“ ist in den Hamburger Nachrichten Nr. 753 und 756 vom 25. und 26. Oktober 1906 veröffentlicht. Er sprach für moderne Weiterbildung der Baugedanken und leitete eine Debatte für und wider eine bloße Kopierung des zerstörten Baues ein.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/73&oldid=- (Version vom 3.4.2024)