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und entspricht der einheitlichen Durchbildung der Saalanlage. Die reine Zweckmäßigkeit tritt auch bei der Lichtverteilung stärker in den Vordergrund. Der Stimmungsgehalt des Schmidtschen Kreuzkirchenplanes wird damit ein anderer, als der der Frauenkirche. Er harmoniert mit dem veränderten Zeitgeist, mit dem der Aufklärung.

In der äußeren Gruppierung tritt bei Schmidt die Längsachse nur durch den Turm mehr hervor. Für die Waisenhauskirche war ein Dachreiter vorgesehen. Die Fassaden sind alle fast gleich­wertig behandelt, die der Kreuzkirche sogar von gleicher Achsenzahl. Der Grundriß der Umfassungen ist rechteckig, geschlossen. Daß ein äußeres Rechteck bei gleichem Abstand von einem inneren gedrungener ist, als dieses, unterstützt die allgemeine Tendenz, die Baumassen zentral zusammen zu halten. Die Betonung der Eingänge im Mittel aller Fronten, die seitlichen Vorlagen der Kreuzkirche, die Mittenverstärkung der Annenkirche erinnern noch an die Kreuzform Bährs. Schwere Mansarddächer über­decken die Bauten, in Großenhain noch nach Bährs Vorbild ein ungebrochenes Walmdach. Nur bei der Kreuzkirche mit ihrer angeschweiften Attique wird das Äußere dem Innensaal gerecht.

Den Altar, das wichtigste Stück der Innenausstattung, stellt Schmidt stets im Saal selbst auf, gut beleuchtet, vor einer Arkade, die durch eine flache ungegliederte, dunkle Nische abgeschlossen wird und einen Umgang beim Abendmahl gestattet. Im charakteristischen Gegensatz zu Schmidt plante Bähr schon 1713 in Schmiedeberg einen halbkreisförmigen Choranbau. Erst in der Ausführung rückt hier der Altar in den Saal. Die übrigen Kirchen Bährs haben einen besonderen Altarraum. In Forchheim liegt der Altar nur wenig zurück, in der Dreikönigskirche dagegen ziemlich 8 m. Beiderseits des Altarplatzes kehrt das Arkadenmotiv wieder mit den Emporen, die sich bis an die Nischenrückwand ziehen und Einblick in den Altarraum gewähren. Vor allem tritt bei der Frauenkirche die Anfügung eines Chores innerlich und äußerlich hervor, bereits im ersten Projekt 1722. Seine Größe beträgt rund 10 : 12,5 m. In ihm findet auch der Taufstein, über dem Altar die Orgel, am Abschluß gegen den Saal die Kanzel axiale Aufstellung. Alles Interesse der Kirchgänger wird auf diesen Raumteil gesammelt. Gebet und Predigt, Musik und Gesang, aller Gottesdienst geht von ihm aus. Bei Trauung, Taufe und Abendmahl bleibt er nach Ausschaltung des Saales eine selbständige Kirche für sich. Sogar die zum Gottesdienst rufenden Glocken finden über ihm ihren Platz. Der Plan von 1722 weist zwei dem Kuppelauge ähnliche Öffnungen in den Gewölben des Altarhauses auf. Bähr wollte die Glocken mit dem Innern in Verbindung bringen, und so oft während des Gottesdienstes geläutet wird, wie heute an Bußtagen, in Leipzig bei Trauungen, mit Glockenklang vom Altarraum aus das Kircheninnere erfüllen.

Doch diese Choranlage führte zu einem Konflikt mit der Zweckmäßigkeit des Hauptraumes. Der Blick auf den Altar ging von vielen Plätzen aus verloren durch die große Tiefe des Chores und durch die beiden Pfeiler der Altararkade.

Während in Bährs Schaffen der Chor immer mehr an Bedeutung gewann, zeigte Schmidt eine starke Abneigung gegen ihn. In Großenhain trennte er den gotischen polygonalen Schiffs­abschluß durch eine Mauer völlig ab und benutzte ihn nur als Basis für den Turm. „Klarer konnte nicht die veränderte Anforderung, die Verschiebung des geistigen Mittelpunktes im Bau aus­gesprochen werden als durch die Verleugnung des Chores und die Zentralisation im Schiff.“ (Gurlitt, B. Deutschl., S. 405.)

Als bei der Kreuzkirche zunächst ein Wiederausbau der Ruine in Frage war, verlangte er an erster Stelle den Abbruch der gotischen Chorhaube. Daß sie nicht genau in der Mittelachse lag, daß anstößige Figuren an der Außenseite angebracht, war schwerlich der Grund. Auch bei der Annenkirche verzichtete er darauf, die im Plan noch eingezeichneten alten Chorumfassungen beim Aufbau mitzubenutzen.

Bähr mochte zunächst aus künstlerischen Gründen die Erweiterung des konsequent durchgeführten Saales durch die Anfügung des Chores, also eine reichere Raumgruppierung, wünschen. Bei der Frauenkirche ist die Lösung am vollendetsten. Das Altarhaus, auf das alles Interesse sich richtet, hat reiches eigenes Licht und wird dadurch zur Hauptlichtquelle für den nur indirekt beleuchteten Saal. Die liturgische Bedeutung und die raumkünstlerische Betonung des Altarhauses begründeten auch eine

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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/62&oldid=- (Version vom 2.4.2024)