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Nach Lipsius waren Akustik und Beleuchtung die Hauptübelstände. „Die Akustik ist mangel­haft, weil die Kirche zu akustisch ist. Das fällt sofort bei Orgelspiel und Gesang auf.“ „Auch der Umstand, daß die Kanzel unmittelbar an einen der Pfeiler zu stehen kam, von welcher aus die Wölbung aufsteigt, ist für die Akustik ungünstig. Demgegenüber empfehle ich, die Kanzel der Grundrißanordnung entsprechend auf die Längenachse zu verlegen und etwa vier Stufen unterhalb des Altarpodestes (also wohl im Schiff) anzubringen und die oberste Empore ganz zu entfernen.“ Deren Wegfall müsse die wirklich imposante und großartige Bauanlage ganz bedeutend in ihrer Wirkung steigern und die Akustik verbessern, wie das Beispiel der (damals renovierten) Dreikönigskirche zeige. Die Beleuchtung der Kirche werde durch diese Änderung gleichfalls günstiger, doch werde für die Altarseite wenig gewonnen. „Mein Gedanke geht daher dahin, durch Anbringung eines Deckenoberlichtes speziell Altar und Altar­platz zu erleuchten. Ich verspreche mir von dieser Anordnung, die aus der Planidee entwickelt ist und in ihr gewissermaßen latent enthalten ist, daß die im ursprünglichen Grundplan dominierende Längenrichtung, der Zug zum Altar zur berechtigten Geltung gelangen wird.“ Das Betstubengeschoß müsse in seinen Hauptverhältnissen unberührt bleiben als ein „für die glückliche Gesamtwirkung der Kirche unentbehrlicher Faktor“. Er schließt mit dem S. 42 angeführten Hymnus auf die Raumanlage.

Die Pläne von Lipsius sind im Pfarrarchiv nicht erhalten. Eine Pause in seinem Nachlaß[1] zeigt über dem Altarwalmpunkt einen säulengegliederten Tambour mit flachem Glaskuppeldach. In einer Variante sind nur lichtspendende Dachfenster vorgesehen. Das runde Oberlicht über dem Altar sollte in Gelb und Weiß eine strahlende Sonne darstellen. Über der Orgel sollte als Gegenstück ein Bild mit singenden Engeln Platz finden, im Mittelfeld der Decke aber ein goldschraffiertes, großes Kreuz auf lichtblauem, mit Goldsternen geschmücktem Grunde. Die Färbung der Kirche sollte licht, aber nicht trübe und stumpf, und mit sparsamer Vergoldung erfolgen. Für die Betstubenwand wurde ein reicher Schmuck an Säulen und Pilastern, sowie eine balkonartige Erweiterung nach dem Mittel­schiff zu vorgesehen und die Glasfenster beseitigt, „einem mehrfach geäußerten Wunsch entsprechend“.

Etwa ein Jahr später wandte sich der Kirchenvorstand um Rat nach Berlin an den Baumeister des Reichstagsgebäudes. Geheimrat Wallot erklärte in seinem Gutachten vom April 1893, daß man nach seiner Überzeugung von jedem größeren baulichen Eingriff in das nun einmal Bestehende und vom Erbauer Gewollte absehen müsse. „Denn wenn auch nach Schmidt andere und ‚eigenwillige‘ Meister den Bau weiter führten, so werden sie, wie die Verhältnisse nun einmal lagen, doch der Haupt­sache nach die Entwürfe Schmidts zur Ausführung gebracht haben.“ Die schlechte Akustik liege an dem im Verhältnis zur Tiefe zu niedrigen Raum unter den Betstuben, an den Pfeilern, deren Rückseite den Schall an die Außenwände werfe und an den vielen Winkeln derselben verhallen lasse. Es seien wenig Holzflächen vorhanden, und die oberste Empore schon deshalb zu erhalten. Die Verbesserung der Hörfähigkeit sei ohne eine Umgestaltung des ganzen Baues schwer zu erreichen. „Unzweifelhaft günstig würden kleinere hölzerne Einbauten im Form offener Treppenhäuser in den Ecken rechts und links von der Orgel wirken. Es sind an diesen Stellen tatsächlich schon Treppenanlagen vorhanden, und wenn man dieselben in geschickter Weise ausbildet, so könnten sie eine Zierde des Raumes werden. Der Weg, der zu beschreiten wäre, ist meines Erachtens vorgezeichnet in der Ausbildung ähnlicher Bauteile im Innern der Frauenkirche. Bährs genialer Bau ist ja überhaupt vorbildlich gewesen für die tüchtige Leistung seines Schülers Schmidt.“ Die Verbesserung der Tagesbeleuchtung erscheine ihm erheblich einfacher als die der Akustik. „Das Licht ist, wenn auch nicht reichlich, so doch ausreichend. Der Raum erscheint dunkler, als er tatsächlich ist.“ Gegenüber den hellen Fensterflächen erscheine das Danebenliegende, die Seitenschiffe und der Innenraum dunkel. Weiter trage die trübe Farbe des Innern daran Schuld. „Es fehlen die Kontraste zwischen hell und dunkel.“ Das einfache und untrügliche Mittel, um den düsteren Charakter des Innern aufzuheben, bestehe darin, alle Architektur-

und Mauerteile möglichst hell, sogar weiß zu streichen, und dann mit diesen hellen Flächen alle Holzteile


  1. Einige Pläne fand ich im Jahre 1900 in dem noch ungeordneten, reichen Nachlaß auf der Bibliotheksgalerie der Kunstakademie. Einige Jahre später konnte ich sie trotz eifrigen Suchens in den verstaubten Rollen nicht wieder entdecken. Leider kann ich deshalb eine Außenansicht nicht bringen.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/149&oldid=- (Version vom 1.5.2024)