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Lockes ergänzt das Urteil über seine stilistische Stellung. Die französische Formeneleganz, der starke klassizistische Einschlag trennte ihn scharf von allem Barock, auch von Schmidts späterer Art. Von seinen jüngeren Studiengenossen, Exner und Krubsacius, unterschied ihn die Rokokostimmung seiner Werke. Für die Ausführung des Entwurfs war weder Bormann noch der Rat eingetreten. Außer Mängeln in der Zweckerfüllung, besonders der ungünstigen Emporenanlage, sprach wohl vor allem der erforderliche Wegfall des alten Turmes gegen den Plan. Die Einordnung der Lockeschen Pläne (wie die des noch zu besprechenden Hölzerschen Preisentwurfs) war der Hauptanlaß zu vorliegender Arbeit. Ein Vergleich der Bleistiftkopien mit der stilistischen Eigenart aller bekannten Dresdner Architekten des 18. Jahrhunderts zeigte, daß nur Locke der Urheber sein könne. Die Auffindung der Originale durch Herrn Professor Dr. Sponsel in einer mir nicht vorgelegten Mappe (749 b) der Kupferstichsammlung F. A. II bestätigte diese Annahme und ergab vor allem (während der Druck­legung erst), daß Lockes Pläne nicht ein Idealprojekt zur Kirche, sondern seine Renovationspläne (vergl. S. 5) seien.

Für die Baugeschichte wichtig ist Lockes Entwurf durch seinen Säulenturm. 1783 veröffentlichte Locke ein Buch über „Die Verbindung und Übereinanderstellung der Säulen“ (in der Samml. f. Bauk.). Die Angaben der älteren Säulenbücher versagten, sobald man mehr als zwei Ordnungen übereinander stellen wollte, also beim Turmbau.[1] Schon 1755 hatte er, wie es im Buche heißt, Säulenbücher studiert. Sein Kreuzturm mochte ihn auf die Lücke in den Regeln aufmerksam gemacht haben. „Es ereignen sich doch dann und wann Gelegenheiten, daß bei Erbauung hoher Türme verschiedene Ordnungen angebracht werden können.“ Der Text bietet die Regeln und Rechnungen, 60 Kupfertafeln die An­wendungen, in denen die Ordnungen bis zu fünf Stock an Fassaden und an quadratischen und runden Türmen übereinandergestellt sind. Die Beispiele sind rein schematisch, ohne Rücksicht auf Ausgeführtes, ohne Rücksicht auf genügendes Zurücktreten der Geschosse. Die Grundregel Lockes war bereits von Skamozzi aufgestellt. „Der obere Säulendurchmesser einer Ordnung ist genau so groß, wie der untere Durchmesser der darüberstehenden.“ Mit dem Durchmesser war der Modul und damit je nach der gewählten Ordnung jedes Maß derselben gegeben. Locke gab diese Maßverhältnisse nach Vignola an, „welcher für den leichtesten, ordentlichsten und beliebtesten gehalten wird“. Das Ergebnis Lockes war nicht einwandfrei. Die Höhenabnahme der Geschosse ergab sich nur gering. Die Verkleinerung des Moduls wurde dadurch paralysiert, daß die obere „leichtere“ Ordnung häufig mehr Moduls zur Höhe hatte, als die untere. „Erfahrene Baumeister werden von selbst imstande sein, weil ein sicheres und ganz zuverlässiges Maß sich vorher nicht festsetzen läßt, das Auge eines echten Kenners zu befriedigen.“ „Denn wie nicht selten ein Gesetz oder Regel (nicht) ohne Ausnahme ist, so ist es auch hier.“ Lockes Buch hat keinerlei Einfluß ausgeübt und konnte es auch nicht. Es erschien gerade, als durch Ge­nehmigung der Hölzerschen Kreuzkirchenpläne die Turmfrage erledigt war. Aber es ist ein Zeichen der Zeit und beweist, wie stark gerade die Klassizisten durch Chiaveris Werk zur Lösung des Problems in ihrer Weise angeregt wurden. Den ersten Versuch stellte Lockes Kreuzkirchenplan dar.


2. Krubsacius und sein Kondukteur.

Die Konkurrenzpläne von Krubsacius.

Die Einladung zur Turmkonkurrenz gab Krubsacius Gelegenheit, seine früheren Verbesserungs­vorschläge aufzuzeichnen. Die Eingabepläne selbst konnten nicht aufgefunden werden. Sie enthielten sub LitA die Grundrisse der Säulenordnungen des Turmes übereinander, sub LitB die ver­besserte Fassade der Kirche mit Anschluß des neuen Turmes und sub LitC den neuerfundenen Turm von vorn. Der Bericht liegt bei den Geheimen Kabinettsakten. (Hauptstaatsarchiv loc. 2257 vol. I, Bl.  48.) Erhalten sind ein Querschnitt gegen die Orgel und mehrere Blatt Grundrißstudien. (Hauptstaatsarchiv.) Die Verbesserungen der Fassade entsprachen seinem Gutachten. Die Attique hat

senkrechte Wände, deren Aufstand höher liegt als die Brüstung der Umfassungen, der Überschneidung


  1. Vitruv und Serlio z. B. bestimmten nur, daß die obere Ordnung 1/4 niedriger sein sollte, als die untere.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/127&oldid=- (Version vom 23.4.2024)