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nahe an das Flussbett heran, dass ihr Fuss von der Zschopau bespühlt wird. Auf dem rechten Ufer des Flusses macht sich namentlich eine Felsenklippe bemerkbar, welche zweihundert Ellen hoch über das Niveau der Zschopau hervorragt und eine wunderbar schöne Aussicht auf das Thal, sowie nach den Dörfern Weissbach, Porschendorf, Griessbach, Obergelenau, dem Greifenstein Fichtelberg und anderen interessanten Punkten gewährt. Auf dieser Klippe befindet sich zur Bequemlichkeit des Besuchers eine angenehme Ruhestelle, welche ein Herr von Einsiedel auf Scharfenstein hier errichten liess. Es ist hierbei für den Freund der Mineralogie zu bemerken, dass dieser Felsen eine mineralogische Merkwürdigkeit darstellt, indem er zwar, wie seine Nachbarn, aus Gneus besteht, dem aber der Feldspath fehlt, so dass nur ein wenig gelblicher Glimmer in reinen Quarz eingesprengt ist, wobei jedoch das Gestein die Textur des Gneuses zeigt. –

Wir erwähnten vorhin, dass die vormalige Griessmühle in eine Baumwollenspinnerei umgestaltet worden sei, und dieses Etablissement hat Scharfenstein in mancher Beziehung grosse Vortheile gebracht. Das hohe Gefälle der Griesmühle bewog ein unternehmendes Handlungshaus, die Mühle anzukaufen, und bald erhob sich an ihrer Stelle das prachtvolle, sieben Etagen hohe Gebäude der Spinnerei. Die Grösse und Geräumigkeit der Fabrik, sowie der ausserordentliche Umfang des Geschäftsbetriebes stellen die Spinnerei neben die ersten ähnlichen Etablissements unseres Vaterlandes. Das zum Betriebe des Werkes erforderliche Wasser wird durch einen sechzig Ellen langen Stollen von der Zschopau als Aufschlagewasser auf zwei Räder geleitet, und es geht die Sage, dieser Stollen sei in alter Zeit von zwei Bergleuten durch den Felsen gebrochen worden, die wegen eines Verbrechens zum Tode verurtheilt waren und dieses Werk unter der Bedingung auszuführen versprachen, wenn man ihnen das Leben schenken wollte. Die eisernen Räder haben eine Höhe von zehn bis elf Ellen und sind zwei Ellen breit, und ihre gewaltige Kraft setzt über sechzigtausend Spindeln in Gang. Zwischen denselben und der langen Fronte des Gebäudes ist die Dampfheizung für die Fabrik angelegt. Die überwölbten Abzugsgräben sind gegen hundertsiebzig Ellen lang und drei Ellen hoch, und eine Ufermauer schützt dieselben vor dem Hochwasser der Zschopau. Zur Betreibung dieses ungeheuren Werkes sind eine grosse Anzahl Menschen erforderlich, und somit sind die Herren Fiedler und Lechla in Oederan, welchen die Fabrik gehört, Wohlthäter vieler fleissigen hier beschäftigten Arbeiter. Der Baumeister dieser Fabrikgebäude ist der Zimmermeister Uhlig aus Altenhain bei Chemnitz, der in diesem Werke bereits genannt ward als Erbauer mehrerer schönen Dorfkirchen.

Das Dorf und Rittergut Scharfenstein sind in die Kirche zu Grossolbersdorf eingepfarrt, die vor der Reformation nur eine Kapelle und als solche ein Filial der Wolkensteiner Geistlichen war, zu der jedoch bereits die Dörfer Grünau, Hohndorf, Scharfenstein und Hopfgarten gehörten. Der berühmte Staatsmann und vertraute Rath Churfürst August’s von Sachsen, Haubold von Einsiedel, stiftete, laut einer Urkunde vom 18. April 1575, zu Grossolbersdorf eine eigene Parochie, indem die Kirchengemeinde zu zahlreich und der geistliche Unterricht zu beschränkt und unregelmässig wäre, weil der Diakonus zu Wolkenstein, namentlich im Winter, oft nicht nach Grossolbersdorf gelangen könne. Der wackere Edelmann dotirte die neue Pfarrstelle mit fünfundzwanzig Gülden, als dem halben Zins eines Kapitals von tausend Gülden, welches sein Ahn, Abraham von Einsiedel, einst dem Hospitale zu Kohren legirt hatte, ferner mit einem Wohnhause sammt Gute und den nöthigen Wirthschaftsgebäuden, sowie den Zinsen und dem Decem, welche vormals dem Geistlichen in Wolkenstein geliefert worden waren, und endlich den nöthigen Hand- und Ackerfrohnen. Für dieses Einkommen übernahm der Pfarrer die Verpflichtung ausser dem gewöhnlichen Kirchendienste in Grossolbersdorf auch jeden Sonntag in der Schlosskapelle zu Scharfenstein zu predigen, und auf Verlangen des Edelmanns jede kirchliche Handlung daselbst zu verrichten. Die jetzige Parochie hat noch denselben Umfang wie zur Zeit ihrer Gründung; sie besteht aus den Dörfern Grossolbersdorf, Grünau, Hohndorf, Scharfenstein, Hopfgarten und der Schäferei Weida, mit einer Anzahl von etwa 2900 Seelen. Collator ist der Besitzer des Scharfensteiner Schlosses, zur Zeit Herr Kammerherr Carl Friedrich Hildebrand von Einsiedel.

Die Kirche zu Grossolbersdorf war ein altes Gebäude, welches im Laufe der Zeit mancherlei Veränderungen erfuhr, bis am 3. Januar 1643 der Schwedische General Königsmark mit der bekannten soldatesken Brutalität des dreissigjährigen Krieges Feuer in das Gotteshaus werfen liess, wodurch dasselbe, sammt einem kostbaren Altar, herrlichen Denkmälern, drei Glocken und verschiedenen historischen Merkwürdigkeiten bis auf die Mauern in Asche sank. Man hielt eine geraume Zeit den Gottesdienst theils auf der Brandstätte, theils in der Schlosskapelle, bis endlich das jetzige Kirchengebäude entstand, von dem urkundlich nur bemerkt wird, dass im Jahre 1707 eine Vergrösserung desselben stattgefunden habe. In neuerer Zeit empfing die Kirche eine Schieferbedachung und 1834 einen Thurm. Ausser einer merkwürdig alten Orgel besitzt die Kirche einen herrlichen Flügelaltar mit Altarblatt, aus Marmor und Alabaster gearbeitet, und mit vorzüglicher Bildhauerarbeit geschmückt, welche die Hauptereignisse im Leben des Heilands darstellt. Neben diesem Altar befinden sich die gleichfalls aus Alabaster gearbeiteten Bildnisse des Erbauers dieses Altars, Hildebrands von Einsiedel, und seiner Gemahlin. Von den Pfarrherren zu Grossolbersdorf war der erste Johann Pufendörfer aus Glaucha, Grossvater der beiden berühmten und später in den Adelstand erhobenen Gelehrten Jesaias und Samuel Pufendorf; und Johann Kapfenberger, früher Diakonus in Wolkenstein, hatte das Unglück, beim Einfalle der kaiserlichen Soldaten die Kirchenbücher, welche er auf das Schloss in Sicherheit bringen wollte, zu verlieren. Grossolbersdorf besitzt zwei Schulen mit ungefähr vierhundert Kindern.

Otto Moser, Red.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/040&oldid=- (Version vom 9.4.2017)