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Oberkreischa.


Kreischa besteht aus Ober-, Mittel- und Nieder-Kreischa und wird gewöhnlich zum Unterschiede von dem einige hundert Schritte von Lungwitz gelegenen Klein-Kreischa – Grosskreischa genannt.

Richtiger ist es überhaupt, wenn man spricht: Kreischa zerfällt eigentlich in zwei Theile oder Dörfer, von denen der grössere Gross- oder Oberkreischa und der kleinere unten auf beiden Seiten der Lockwitz gelegene Klein- oder Nieder-Kreischa genannt wird, wovon drei halbe Hüfner und elf Häusler nach Zehista gehörten und Mittelkreischa bildeten.

Kreischa erstreckt sich fast 2000 Schritte lang von Ost nach West, wo es an das schöne und reiche Dorf Quohren stösst und mit ihm einen Ort von ⅝ Stunden Länge ausmacht; der kleine Bach, welcher beide Dörfer durchfliesst, und sich in Niederkraischa mit dem Grimmischen Wasser vereinigt, entspringt auf Possendorfer Gebiet. Durch Kreischa führt der Weg von Dohna und Pirna nach Dippoldiswalde und Freiberg, und liegt ungefähr 4 Stunden an und unfern der Lockwitz.

Das Kreischer Thal gehört zu den angenehmsten der Gegend und bietet, von den südlichen und westlichen Höhen angesehen, einen eben so reichen, als schönen Anblick dar; südlich wird es vom Hermsdorfer Berge mit dem Wilisch, östlich von den Magener und Saydischen, und nördlich von den Theisewitzer Höhen begrenzt.

Das Dorf Oberkreischa, wozu auch das Vorwerk zu Saida oder Kastanien-Dörfel gehört, ist sehr nutzbar angelegt, wenn auch nicht sehr stark. Ein Schloss war hier schon in den frühesten Zeiten und gehörte solches wohl zu den Besitzungen der Grafen von Dohna. In späteren Zeiten ist solches restaurirt worden und gewährt jetzt, wie dies in der Abbildung zu ersehen ist, eine liebliche Landschaft. Die jetzige Einrichtung des Schlosses nach innen und aussen ist nur eine zweckmässige und schöne zu nennen, und die dabei befindlichen Parkanlagen gehören schon zu den sehenswertesten von Sachsen. An den Park stösst der nachher unten zu erwähnende elegante sächsische Hof. Das Gut selbst gehörte mit Niederkreischa lange Zeiten hindurch der Familie von Reinhold, welche es von Kammerrath Göbler überkommen hatte im Jahre 1785. Die Kriegsräthin von Reinhold, welche es von 1785–1824 besass, war eine geb. Göbler. Im Jahre 1824 erbte es der Letzteren Tochter, die Kammerherrin Mezrath, und diese besass es bis zum Jahre 1842. Dann kam es an Lieutenant Klette 1843–1845, von welchem es auf dessen Erben überging. Im Jahre 1847 besass das Gut Herr Stephan Schmidt: dann Gottlob Borisch von 1847–1852, von welchem es die dermalige Besitzerin Frau Pauline Thomann erkaufte.

Zum Gute gehören bedeutende am Wilischberge gelegene Waldungen, Schäferei, Ziegelei und Brauerei.

Der Boden ist zwar von mehr als mittelmässiger Güte, aber doch schon merklich schlechter, als bei Dresden, besonders am Abhang des Wilischberges, von dessen nordöstlicher Seite ein grosses Stück hierher gehört.

Zu Oberkreischa gehören übrigens auch 4 Mühlen von 7 Gängen, und wie der Ort noch seine eignen Patrimonialgerichte hatte, wurden zu demselben gerechnet Kleinkreischa zum Theil, Saida, ein Gut in Babisnau und sechs Gärtner im Dorfe Lungwitz.

Im Jahre 1769 besuchte der damalige Kurfürst von Sachsen das hiesige romantische Thal, und ihm zu Ehren wurde Kreischa ein Jahrmarkt gegeben, der seit hundert Jahren nicht gehalten worden war.

Eine von dem verstorbenen Mosbeck gegründete Kattunfabrik, welche seit 1792 hier florirte und 1802 der Hofmedicus Dr. Quaas erbte, ist nun über dreissig Jahre bereits in einen Gasthof, in den sogenannten „Sächsischen Hof“ umgewandelt, welchen die Dresdner Welt, durch Kreischa’s herrliche Gegend angelockt, häufig besucht, und die neben einem Gesundbrunnen hier alle Bequemlichkeiten zur Erheiterung des Lebens findet.

Ein Hauptnahrungszweig des Ortes ist Strohmanufaktur, die sich bis Altenberg und Reichstädt, sowie andrerseits bis über die Elbe verbreitet hat und deren Muttersitz Kreischa sein dürfte.

Das Alter dieser Manufaktur reicht wenigstens bis ins sechszehnte Jahrhundert. So viel weiss man gewiss, dass vor 130 Jahren ein Lockwitzer Schulmeister das Strohflechten, worauf dessen Frau sich gut verstand, als eine in seiner Gegend von uralten Zeiten her bekannte Arbeit nach Trebitz in den Wittenberger Kreis, wohin er versetzt wurde, verpflanzte.

Damals fertigte man blos grobe Strohhüte, Pferdeköpfe genannt, und die Arbeit, welche nur die Abendstunden und die Winterzeit ausfüllte, lohnte wenig, so dass eine Flechterin oder Näherin täglich höchstens zwei Groschen verdiente. Dagegen standen die mit der Waare Handelnden sich bei weitem besser, weil die Mode nicht so oft wie jetzt wechselte und vorhandene Vorräthe nicht so leicht, wie jetzt, Ladenhüter wurden.

Bei den höheren Ständen der Vorzeit scheint der Strohhut nur zuweilen in Aufnahme gewesen zu sein. Im Jahre 1711 klagt der Prediger Gerber in Lockwitz, der Luxus setze den Frauen lieber Gold und Seide, als Stroh auf den Kopf, und so verfalle das Geschäft der Stroharbeit immer mehr.

Erst vom Jahre 1797 begann die Strohmanufaktur sich grossartig zu heben und zwar durch die Geschwister Engelhardt aus Dresden, welche nach Art der Italiener, das Stroh durch Auseinanderschlitzen, Glätten und Färben verfeinerten und verarbeiteten. Man fertigte zahllose Formen und Arten von Hüten und Hauben, Körbchen, Vasen, Blumen, Federn und Kästchen, ohne beim Uebermasse eingehender Bestellungen die Käufer befriedigen zu können. Wohl bis auf’s Dreifache gestiegen ist seitdem die Zahl der Arbeitet und Händler, und weit hat sich die Fabrikation ausgebreitet.

Die sächsischen Strohhüte sind geschmackvoller an Form, auch weisser und wohlfeiler als die feineren und dauerhafteren italienischen, und der Handel mit sächsischen Strohhüten erstreckt sich über ganz Europa bis nach Amerika. Die Strohmanufaktur beschäftigt, gleich dem Spitzenklöppeln,

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/188&oldid=- (Version vom 3.6.2018)