ganzes Volk kommen und es aus den Fugen heben sollte, welche auch eure Väter ergriff. Gottes Wort zog in seiner Lauterkeit und wiedergewonnenen Herrlichkeit in das umgebaute, aus einer Pfarrkirche in eine Friedhofskirche verwandelte Gotteshaus, zog in eure majestätische Georgskirche, an der eure Väter fast ein Jahrhundert gebaut, ein. Gotteswort ist euch geblieben bis auf diese Stunde; Gottes Wort ist unserem Volke geblieben unter all den Stürmen und Schrecken, die über dasselbe gekommen. Was wäre aus unserem Volke geworden, wenn es dieß Wort verloren hätte! Verstehet die Sprache dieser Kirche, dieser verjüngten Kirche im Zusammenhang mit der Geschichte eures Volkes, deren Spiegel seine eigene Geschichte ist, recht! Sie will euch reden nicht blos vom Wandel und Wechsel alles Irdischen und der alles Irdische überdauernden Macht des göttlichen Wortes, sie redet zugleich von den verjüngenden, erneuernden, sittlich zuchtenden und stählenden Kräften, welche in dem Worte des lebendigen Gottes liegen, und welche unser Volk bis herein in seine jüngsten Tage nicht am wenigsten erfahren hat. Es ist ein gewaltiger Gegensatz der Gegensatz von der niedergehenden Herrlichkeit alles Menschlichen und Gottes ewigem Worte, und doch wieder kein bloßer Gegensatz. Auch das menschlich Hohe und Herrliche hat Bedeutung und Werth, ist es doch von Gott gewollt und geschaffen; es hat aber nur in dem Maße Bestand und Wesen und Wahrheit, als es im Zusammenhang bleibt mit einer höheren ewigen Welt, die im Worte Gottes sich zu uns herabsenkt. Die Blüthenkelche menschlicher Herrlichkeit müssen sich dem Thau von oben öffnen, wenn sie frisch und gesund bleiben wollen. Es liegt an der Wurzel menschlicher Größe die Axt der Vergänglichkeit; es nagt an den Gebilden menschlicher Kraft eine Macht des Verderbens, es zehrt an ihnen der Wurm des Todes; nur die Kraft des göttlichen Wortes, der göttlichen Wahrheit und des göttlichen Lebens selber begegnet diesen Mächten.
Aber es bleibt dabei, alles Fleisch ist wie Heu und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde (Jes. 40, 6). Die größte
Adolf von Stählin: Rede zur Einweihung der Emmerans-Kirche. C. H. Beck, Nördlingen 1876, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Rede_zur_Einweihung_der_Emmerans-Kirche.pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)