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mehr weniger entfernt von der Gelegenheit, wo er sich beweisen sollte, durch Arrangement eines neurotischen Symptoms ab. Als ein häufiges Symptom dieser Art konnte ich Zwangserröten beobachten.

In schwächerer Ausprägung findet sich die Tendenz, der Erste sein zu wollen, als allgemein menschlicher Charakterzug, und zugleich mit ihm finden wir auch regelmässig kämpferische Neigungen bei allen Menschen. Der Wettlauf im Leben beginnt eben schon in der frühesten Kindheit und schafft sich seine psychischen Organe und sichernden Charakterzüge. So findet man oft bei Kindern als hervorragenden Charakterzug, dass sie als die ersten essen, trinken wollen, dass sie gerne voraus laufen, um früher als andere an Ort und Stelle zu sein. Nicht selten treiben sie um das 5. Lebensjahr das Spiel, mit jedem Wagen um die Wette zu laufen, und viele Kinderspiele danken der Idee des Wettlaufes ihren Ursprung. Manche Menschen behalten diese Neigung zeitlebens in Form einer unbewussten Geste, müssen in Gesellschaft immer an der Spitze gehen oder verdoppeln ihre Schritte, wenn ihnen auf der Gasse jemand vorauseilen will. In übertragenem Sinne macht sich dieselbe Tendenz darin auffällig, dass ihre Träger Heroenkultus treiben, wobei der tiefere Sinn, selbst Heros, Achilles, Alexander, Hannibal, Caesar, Napoleon, Archimedes zu sein nebenbei zutage kommt, so zugleich die leitende Fiktion als auch das ursprüngliche Minderwertigkeitsgefühl verratend. Auch die Gottähnlichkeit tritt als werbende Fiktion auf und zeigt sich zuweilen im Märchen, in der Phantasie und in der Psychose. Wir haben hervorgehoben, dass bei diesem Stand der Bereitschaften und Charakterzüge alle Bande der der Freundschaft, der Liebe bedroht sind, und wenn die stärkere Unsicherheit es verlangt, so drängt sie den Patienten in den Zweifel, lässt ihn Schreckpopanze oder Idealgestalten aufstellen, durch die er sich dauernd vor der Wirklichkeit sichert. Eine Karikatur Caesars, sucht er nun die Mutter, die kleine Stadt, die kleinen Verhältnisse, wandert zuweilen ruhelos von einer Wohnstätte zur anderen, als ob die äusseren Verhältnisse an seiner Zerrissenheit die Schuld hätten. Oft richtet sich in dieser entwickelten Neurose der Sexualtrieb des Patienten auf Kinder, niedrig stehende Personen, Dirnen; homosexuelle, perverse oder masturbatorische Neigungen werden konstruiert und festgehalten, weil der Patient auf diese Weise die Situation leichter zu beherrschen hofft. Denn die Furcht vor der Frau lässt eine natürliche Liebesbeziehung so wenig zu, dass der Nervöse, um seiner befürchteten Niederlage auszuweichen, auch zum Ausweg der Ejaculatio praecox, der Pollutionen und der Impotenz gelangt.

Ähnlich ergeht es den nervösen Frauen von diesem Typus, bei denen häufig die Rivalität in der Gesellschaft, mit Freundinnen in der grossen Stadt, mit Schwestern, mit der Tochter und Schwiegertochter heimlich wühlt, zu neurotischen Sicherungen zwingt und so krankmachend wirkt. Bei männlichen Nervösen führt zuweilen die gesellschaftliche Stellung zur Entwickelung der Neurose, sobald der Vorrang im Geschäft, in der Wissenschaft im Geniessen in Frage kommt und bestritten wird.

Wo das Minderwertigkeitsgefühl des jüngeren Kindes das fiktive Leitziel nach dem Erstgeborenen oder Frühergeborenen formt, sind es die mannigfachsten wirklichen und angeblichen Güter, die das Begehren und den Neid des jüngeren Kindes aufstacheln. Fast immer

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/169&oldid=- (Version vom 31.7.2018)