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Diese Anmerkungen über die vorgegebene Zauberey der Abgestorbenen, lateinisch Magia Posthuma, wurde im Jahre 1755. im Märzmonat in französischer Sprache von einem der berühmtesten Männer, die Europa aufzeigen kann, nämlich von Herrn Baron Gerhard van-Swieten, ersten Leibarzten Ihrer kaiserl. Majestäten, und damaligen Hofbibliothecarius, den seine immer anwachsende Verdienste indessen zu größern Titel, Ansehen und Ruhm erhoben haben; zu Wienn verfasset, und gedrucket. [1] Sie ist bald hernach im Hornung 1756. von einer gleichfalls gründlichen Feder ins Deutsche versetzet worden.


  1. a) Im Jahre 1755. den 30. Jenner lief in Wienn mit Erstaunung des Volkes die Nachricht ein von einem neuen und seltsamen Proceß, welchen man in einem Dorf von Mähren an jener Gegend, wo es mit Ungarn und Schlesien gränzet, wieder die Abgestorbenen vorgenommen hat; und die Vollziehung des richtlichen Ausspruches wider dieselben wurde von einigen je weniger erleuchteten, desto mehr gefährlichen Geistlichen gut geheissen. Da nun diese Zeitung Ihrer kaiserl. königl. apostolischen Majestät, der vorsichtigsten Monarchinn, zu Ohren kam, wurde ihr mildes Gemüth dadurch so sehr bewegt, daß sie den Herrn Wabst, hernach ersten Leibarzten der kaiserl. königl. Armeen, und den Herrn Gasser alsdenn Professorn der Anatomie, zween erfahrneste Naturkündiger, ohne Verweilen dahin abgeschickt hat, um den Verlauf, und die Umstände der Begebenheit einzuholen. Nach öfterem genauen Versuchen, nach reifem Unterricht und scharfen Examen haben diese zween vorhergedachte Männer durch ihre Gelehrtheit endlich eingesehen, daß der ganze Lärm von nichts andern herkömme, als von einer eitlen Furcht, von einer aberglaubischen Leichtglaubigkeit, von einer dunkeln und bewegten Phantasey, Einfalt und Unwissenheit bei jenem Volke. Man hat hierauf die Beweise der zween vorsichtigen Naturlehrer eingesehen; man hat den lächerlichen aber doch barbarischen Proceß wider die armen Abgestorbenen durchsucht. Und Herr Baron van-Swieten, einer der gelehrtesten Männer von Wienn, der durch andere seinige weiseste [4] Werke schon so berühmt ist, daß seine Verdienste alles Lob übersteigen würden, hat Ihrer kaiserl. königl. Majestät über dieses Geschäfte sein Gutachten abgegeben durch gegenwärtige Anmerkungen, welche er französisch abgefasset hat, die wir aber in deutscher Sprache hier liefern unter dem Titel Vampyrismus. Das erlauchte und gerechte Gemüth der glorwürdigen Monarchinn, die in allen Fällen zum Guten ihrer Unterthanen wachet, zeigte über das unbehutsame Verfahren in dieser Proceßsache die höchste Ungnade. Gleichwie man, um dergleichen veraltete Aberglauben auszurotten, Gewalt und behände Entschlüssung brauchen muß, also gaben Höchstdieselbe plötzlich den ernsthaften Befehl, man solle die schärfesten Rescripten durch alle kaiserl. königl. Erbländer, an alle Magistraten, Policeyverwalter, an alle Regierungen abgehen lassen, kraft welchen dergleichen Aberglauben nicht nur allein verhindert, gestraft, sondern gänzlich aufgehoben seyn sollten. Und wenn sich ein Zufall ereignet, dessen natürliche Ursache man noch nicht genugsam erkennet; sollte sich beileibe keiner mehr erkühnen, sich in diese Händel zu mischen, ohne zuvor [5] Ihrer Majestät davon Nachricht zu ertheilen. Höchstdieselbe werden alsdenn mit jenen Mitteln vorzubeugen wissen, die man in dergleichen Umständen für anständig, nützlich und billig erachten wird.
Empfohlene Zitierweise:
Gerard van Swieten: Vampyrismus von Herrn Baron Gerhard van Swieten verfasset, aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet, und als ein Anhang der Abhandlung des Daseyns der Gespenster beigerücket. In: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus (Andreas Ulrich Mayer), Augsburg 1768, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/179&oldid=- (Version vom 31.7.2018)