Seite:Abhandlung des Daseyns der Gespenster.djvu/092

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

Ein eben so untüchtiger Zeuge von dem Daseyn der Geister und deren Wirklichkeit ist Appianus. In dem 4ten Buche seiner Geschichten zeiget er uns ein gräßliches Gespenst, welches dem Brutus dem undankbaren Mörder des Cäsars erschienen ist, ein Gespenst, welches einem Mohren nicht unähnlich, und von einer ungeheuren Grösse ware, zeiget sich dem Brutus. Dieser fraget ganz keck: Wer bist du? und das Gespenst antwortet: Dein Dämon bin ich, dein böser Geist, zu Philippi wirst du mich wieder sehen. Wer ist, der über das gräßliche Ansehen dieses scheußlichen Gespenstes nicht wurde erschrocken seyn? Aber die römische Herzhaftigkeit des Brutus wüßte nichts von einer Furcht, er antwortet ganz unerschrocken: Ja, und zwar ohne Furcht werde ich dich sehen. Da ihm aber in der unglücklichen Schlacht auf den philippischen Feldern dieses Gespenste abermal begegnet ist, hat er aus Verzweiflung sich selbst entleibet. Die meisten Gespenster-Vertheidiger bringen diese Geschichte als einen Beweis der Wirklichkeit der Gespenster in ihren Schriften. Ich glaube aber, daß man aus dieser Erzählung des Appianus so wenig erweisen könne, daß es Gespenster gebe, als daß die Ochsen reden können, welches ebenfalls Appian an einer andern Stelle erzählet, wo er auch das Mährlein von dem Getöse der unsichtbaren Wespen anbringet.

Wir wollen diese Geschichte etwas genauers prüfen, 1) Hat diese Begebenheit ihren Grund in den alten Fabeln der Heyden, welche glaubten, daß ein jeder einen Gott zu einem Schutzgeist habe, in dessen Hut und Schutz einer, so bald er gebohren wurde, lebete; zugleich aber auch einen bösen Geburtsgeist, welcher ein Begleiter und Anzeiger seines Umfalls, sonderlich des Todes wäre. Man lese hiervon Consorinum c. 3. de Die natali, und Beaumont Tractat von Geistern fol. 95. 2) Sind die Geschichtschreiber

Empfohlene Zitierweise:
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/092&oldid=- (Version vom 12.12.2020)