Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 45.

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§. 45.
Aufgabe der Elektrostatik.


 Die Aufgabe der Elektrostatik lässt sich so aussprechen:

 Es ist eine Anzahl Isolatoren gegeben und in jedem von ihnen die Vertheilung der Elektricität bekannt. Ausserdem hat man Leiter, denen der Reihe nach die Elektricitätsmengen mitgetheilt sind. Es fragt sich, wie im Gleichgewichtszustande die Elektricität sich in jedem Leiter und an seiner Oberfläche vertheilt hat.

 Wir bezeichnen mit die Potentialfunction der gesammten Elektricität. Der Ausdruck für ist leicht herzustellen. Wir nehmen im Punkte die positive Einheit der Elektricität an und bezeichnen mit die Elektricitätsmenge im Punkte . Mit werde der Abstand beider Punkte bezeichnet. Dann ist nach der Definition der Potentialfunction


(1)


wenn die Summirung über alle elektrisch geladenen Punkte |[182]erstreckt wird. Bei stetiger Vertheilung der Elektricität geht die Summe in ein Integral über und man hat


(2)


Im Innern eines Leiters kann die Elektricität sich völlig frei bewegen. Es kann daher in einem Punkte im Innern eines Leiters nicht anders Gleichgewicht stattfinden, als wenn die Componenten der bewegenden Kraft in diesem Punkte gleich Null sind. Also haben wir für jeden Punkt im Innern eines Leiters:


(3)


Daraus folgt unmittelbar, dass im Innern jedes Leiters


(4)


und


(5)


ist. Nun lässt sich aber der Ausdruck (2), den wir hier für gefunden haben, vergleichen mit dem Ausdruck des §. 18, welcher die Potentialfunction einer anziehenden ponderablen Masse gibt. Dort ist das Element der ponderablen Masse, hier das Element der elektrischen Ladung. Wenn man das eine durch das andere ersetzt, so ist hier dasselbe wie dort . Der Grund ist leicht einzusehen. Dort findet Anziehung statt, wenn positiv, hier Abstossung, wenn positiv ist. Demnach gilt die Gleichung (2) des §. 18 auch hier, nur muss man, was dort war, ersetzen durch . Also gilt überall da, wo man die Elektricität über einen Raum von drei Dimensionen vertheilt findet, die folgende partielle Differentialgleichung


(6)


 Hier bedeutet die elektrische Dichtigkeit im Punkte , oder mit anderen Worten: es ist in einem Raumelemente , welches an den Punkt anstösst, die Elektricitätsmenge enthalten.

 Dies gilt auch für den Fall, dass der Punkt im Innern eines Leiters liegt.

 Aus der Vergleichung von (5) und (6) ergibt sich demnach, dass im Gleichgewichtszustande die Dichtigkeit im Innern |[183]jedes Leiters überall gleich Null ist. Die elektrischen Ladungen der Leiter sind also mit endlicher Dichtigkeit über ihre Oberflächen ausgebreitet. Um die Dichtigkeit in einem Punkte der Oberfläche zu finden, bemerken wir, dass auch der Satz (3) des §. 18 hier gültig ist mit der Modification, dass hier zu schreiben ist, wo dort steht. Bezeichnen wir also mit eine Strecke, die vom Punkte aus auf der Normale der Oberfläche gezählt wird, negativ nach dem Innern des Leiters zu, positiv nach aussen, so ergibt sich


(7)


Nun ist aber im Innern des Leiters und (wegen der Stetigkeit) auch in der Oberfläche Folglich haben wir



und die Gleichung (7) geht über in


(8)


 Es fragt sich jetzt, wie gross die Elektricitätsmenge ist, welche sich auf der Oberfläche irgend eines Leiters angesammelt hat. Zunächst das Quantum , welches ihm ursprünglich mitgetheilt worden. Dazu kommen noch die positiven und die negativen Elektricitätsmengen, welche unter der Einwirkung aller überhaupt vorhandenen Ladungen aus dem neutralen Gemisch des betrachteten Leiters ausgeschieden sind. Das Quantum der durch Scheidung hervorgerufenen positiven Elektricität ist aber ebenso gross wie das der negativen. Demnach ist die algebraische Summe aller auf der Oberfläche eines Leiters vorhandenen Elektricität gleich der Elektricitätsmenge , welche ihm ursprünglich mitgetheilt worden.

 Es sei ein Oberflächen-Element des ersten Leiters. Wir errichten in einem Punkte dieses Elementes die Normale, auf welcher von ihrem Fusspunkte aus die Strecke negativ nach innen, positiv nach aussen gezählt wird, und bilden das Product



Dasselbe gibt, wie man aus Gleichung (8) ersieht, die Elektricitätsmenge an, welche über das Oberflächen-Element ausgebreitet |[184]ist. Führt man also eine Integration über die ganze Oberfläche des ersten Leiters aus, so erhält man die gesammte Elektricitätsmenge, welche auf dieser Oberfläche sich befindet. In derselben Weise hat man rücksichtlich aller übrigen Leiter zu verfahren und gelangt so zu den Gleichungen:


(9)





 Die Integrationen sind der Reihe nach über die Oberfläche jedes einzelnen Leiters zu erstrecken.