Textdaten
<<< >>>
Autor: O. B.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Schloß Neuenstein
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 755–758
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[755]

Schloß Neuenstein.


Als Deutschland seine reichsunmittetbaren Herrschaften an geistlichen und weltlichen Kurfürsten, Fürsten, Abteien, Grafen, Rittern, Städten und Gemeinden noch nach Hunderten zählte, blühte auch der Bau von Schlössern aller Art und zu dieser Blüthe trugen vor der Einführung des Primogeniturgesetzes namentlich die vielen Erbtheilungen bei; denn zerfiel eine Herrschaft in neue Linien, so mußten, wo nicht alte Schlösser für dieselben vorhanden waren, eben neue gebaut werden, und so finden wir als Erinnerungsmäler aus jenen Tagen noch gegenwärtig in vielen Städten und Städtchen Residenzschlösser von historischem Interesse; zu einem derselben führen wir heute unsere Leser.

Das Schloß Neuenstein war die Residenz einer Linie des Dynastengeschlechts von Hohenlohe, dessen Besitzthum sich besonders über die Thäler der Kocher, Jagst und Tauber ausbreitete und vor der Mediatisirung durch die Rheinbundsacte (1806) auf zweiunddreißig Geviertmeilen über 108,000 Einwohner zählte. Bekanntlich zerfällt jetzt das in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts vom Grafen in den Fürstenstand erhobene Geschlecht der Hohenlohe in die protestantische Linie der Neuensteiner und die katholische der Waldenburger.

Das Schloß Neuenstein gehört zu den alten Bauwerken, welche man nicht abseits vom Wege aufzusuchen braucht. Wenn man das nunmehr größerentheils zu Württemberg, kleinerentheils zu Baiern gehörige Gebiet jener Fürstenfamilie auf der von Heilbronn herkommenden Bahnlinie befährt und die Station Oehringen passirt hat, sieht man plötzlich ein überraschendes Bild vor sich, wie es der Maler für seinen Pinsel nur wünschen kann: das imposante Schloß, davor der grünliche Teich, neben dem Schlosse die Kirche, die als eine mit seltener Schönheit abrundende Ergänzung des ersteren erscheint, und endlich im Hintergrunde die grünen Hügel mit ihren sanft geschwungenen Linien – das Alles vereint sich, um einen wirklich zauberhaften Reiz auf Auge und Gemüth auszuüben.

Dem zu Fuße daher Kommenden zeigt sich das Schloß alsbald von der Vorderseite, welche durch die beiden runden Eingangsthürme mit ihren von zierlichen Säulen getragenen gewölbten Dächern schon von weitem ein besonders anmuthiges Bild bietet. Wir schreiten näher und bleiben bewundernd stehen vor dem schönen, eleganten Eingang. Früher bildete augenscheinlich eine Zugbrücke die Verbindung zwischen dem von zwei steinernen Rittern bewachten Thore und der diesseits des Schloßgrabens freistehenden Pforte. Jetzt aber schreiten wir über eine feste, gemauerte Brücke in den Schloßhof. Das Bedeutendste innerhalb desselben ist das in edelster Renaissance ausgeführte Portal, durch welches man zum Hauptaufgang, einer kühnen steinernen Wendeltreppe, gelangt. Auf eine noch frühere Zeit deuten andere Einzelheiten, namentlich an den theilweise aus Buckelsteinen aufgeführten unteren Stockwerken der vorerwähnten Eingangsthürme und lassen uns schließen, daß die Unterbauten des Schlosses und verschiedene Theile des Erdgeschosses wohl dem dreizehnten Jahrhundert entstammen, aus dessen Mitte die älteste uns erhalten gebliebene Erwähnung der Burg „Neuenstein“ datirt; letztere war zu jener Zeit Eigenthum und Wohnsitz eines ritterlichen Geschlechtes gleichen Namens. Als dasselbe im vierzehnten Jahrhundert erlosch, fielen seine Besitzungen dem damals gräflichen Hause Hohenlohe anheim, zu dessen Vasallen die Herren von Neuenstein gehört hatten.

Von Kraft dem Dritten, gestorben 1371, welcher wahrscheinlich der erste Hohenlohe ist, der das Schloß bewohnte, wurde dasselbe mit Mauern und Gräben verwahrt. Im Jahre 1495 vom 28. auf den 29. November beherbergte hier Kraft der Sechste den Kaiser Maximilian den Ersten, der, von Speier nach Augsburg reisend, mit zahlreichem Gefolge in Neuenstein eingetroffen war. Es muß demnach wohl der Bau schon damals einen ansehnlichen Umfang gehabt haben, seine jetzige Gestalt aber erhielt er erst zur Blüthezeit der Renaissance unter dem um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts regierenden Grafen Ludwig Kasimir, welcher durch die in den Jahren 1553 bis 1555 vollzogene Zweitheilung der Hohenlohischen Lande zum Stifter der Hauptlinie Hohenlohe-Neuenstein wurde.

Vom 6. bis zum 16. Mai 1615 erklangen die Räume des Schlosses von dem Festjubel einer mit großem Prunke gefeierten Doppelhochzeit. Graf Kraft von Hohenlohe-Neuenstein vermählte sich mit Sophie, der Tochter des Pfalzgrafen Karl bei Rhein-Birkenfeld, während seine Schwester Dorothea Walpurgis gleichzeitig dem Grafen Philipp Heinrich von Hohenlohe-Waldenburg ihre Hand reichte. Trommeln und Pfeifen, Trompeten und Pauken, Saiten- und Posaunenmusik erschollen in freudigem Wechselspiel; geschwungen von den Händen ritterlicher Herren schimmerten die röthlich glühenden Fackeln, und ein reicher Flor lieblicher Damen entfaltete seine Reize in der stattlichen Tracht jener glanzliebenden Zeit. Bankete und Tänze, Ritterspiele und Komödien ergötzten die Gäste, und nicht weniger als 1200 Lanzen wurden gebrochen.

Aus der erstgenannten dieser beiden Ehen stammt einer der interessantesten Vertreter des hohenlohischen Hauses, Graf Wolfgang Julius (geboren 3. August 1622), der nach des Vaters Tode Besitzer von Neuenstein wurde. Dieser Graf Wolfgang war ohne Zweifel ein für seine Zeit sehr gebildeter und mit ungewöhnlichem Führertalent ausgerüsteter Mann, der aber nach der durch den dreißigjährigen Krieg allgemein gewordenen Unsitte sein Schwert nicht dem Vaterlande, sondern seinem Ehrgeiz weihte. Anfänglich im französischen Dienste mannigfache Schicksale erleidend, wurde er im Jahre 1658 Generallieutenant über die Truppen der zur Garantirung des westfälischen Friedens geschlossenen oberrheinischen Allianz, aber erst das Jahr 1663 brachte ihm Gelegenheit sein Feldherrntalent mit Glanz zu entfalten. Er erhielt vom Kaiser Leopold das Commando im Krieg gegen die Türken. Wie verlockend es auch ist, dem Helden in diese Kämpfe zu folgen, wir müssen, um den Rahmen unseres Artikels nicht zu durchbrechen, uns hier damit begnügen, auf seinen größten und letzten Sieg hinzuweisen, auf die Schlacht bei der Cisterzienserabtei St. Gotthard an der Raab, am 1. August 1664.

Graf Wolfgang, schon seit längerer Zeit unwohl, fühlte sich an diesem Tage so leidend, daß er zunächst nur vom Quartier aus seine Befehle zu ertheilen vermochte. Als aber das Kampfgewühl immer heftiger wurde, die Türken gegen die neugeworbenen wenig tüchtigen Hülfstruppen des Markgrafen von Baden einen Vortheil um den anderen errangen, da ließ der Graf sich, trotz der von seinen alten Wunden herrührenden heftigen Rückenschmerzen, die ihm nicht einmal erlaubten, den Säbel umzuschnallen, in den Sattel heben und stellte sich an die Spitze seiner kleinen, aber erprobten Schaar, die der Oberbefehlshaber Montecuculi durch drei kaiserliche Regimenter verstärkt hatte. Aus dem von den Janitscharen bereits genommenen Moggersdorf trieb er dieselben wieder zurück, allein dem Stoße starker Reitermassen, die ihnen entgegengesandt wurden, mußten die Christlichen abermals weichen. Schon waren die meisten ihrer Führer entmuthigt und glaubten das Feld räumen zu müssen, aber Hohenlohe drängte zu wiederholtem Angriff, setzte ihn durch – und der Erfolg desselben war einer der glänzendsten Siege, die je über die Türken errungen wurden. Schaaren von ihnen wurden in den Fluß getrieben und fanden in den Wellen ihren Tod, die Uebrigen stoben in wilder Flucht aus einander. Vierzig Fahnen der Türken und vierzehn ihrer Geschütze blieben in den Händen der Sieger, und schon zehn Tage nach dieser Schlacht erfolgte der Friedensschluß, der Ober- und Mittelungarn vollständig vom heidnischen Druck befreite.

Durch die errungenen Erfolge waren Graf Wolfgang’s Dienste im Feld vorerst entbehrlich geworden, und die überstandenen Strapazen hatten seiner Gesundheit so stark zugesetzt, daß er auch späterhin auf weiteren Kriegsruhm verzichten mußte. Er vermählte sich und pflegte auf Schloß Neuenstein die Geschäfte des Friedens, bis er hier am 26. December 1698 starb. Die an die Kirche angebaute Halbrotunde (siehe das Mittelbild) enthält sein in weißem und farbigem Marmor ausgeführtes schönes Grabdenkmal.

Auch die neue und neueste Zeit weist einige bedeutende Männer aus dem Hause Hohenlohe auf, so den Fürsten Friedrich Ludwig (von Hohenlohe-Ingelfingen), welcher, früher bei den Weißenburger Linien und bei Kaiserslautern (1793 und 1794) Sieger, die Schlacht bei Jena verlor und bei Prenzlau mit 17,000 Mann capitulirte. Sein Sohn, Prinz Adolf, war im

[756]

Schloß Neuenstein.
Nach der Natur aufgenommen von Otto Baisch.

[758] Präsidium des preußischen Ministeriums 1862 der Vorgänger Bismarck’s.

Fürst Ludwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der gegenwärtige Botschafter des deutschen Reichs in Paris, der als baierischer Reichsrath und Minister in den Jahren 1866–1870 den Anschluß Baierns an Preußen anbahnte, entstammt der anderen Hauptlinie Hohenlohe-Waldenburg.

Kehren wir nun zu dem durch die Erinnerung an manche hervorragende geschichtliche Gestalt geweiheten „Schlosse Neuenstein“ zurück, so haben wir schließlich zu berichten, daß die Gemächer desselben längst ihres fürstlichen Schmuckes entkleidet sind und einem Zwecke der Nächstenliebe dienen. Vor mehr als einem Jahrhundert (1777) erhielt nämlich das Schloß von seinen damaligen Besitzern den Namen und Charakter eines „Hospitalinstitutes“, und als solches ist es noch heute ein Asyl für alte, gebrechliche Leute.

So haben wir es der Menschenliebe zu danken, daß das Schloß in seiner äußeren Gestalt seinen alterthümlichen Charakter bewahren durfte. Hätte es fernerhin den Zwecken eines Fürstensitzes zu dienen gehabt, so wäre aller Wahrscheinlichkeit nach Vieles an ihm der Neuerungssucht zum Opfer gefallen.
O. B.