SIC TRANSIT GLORIA MUNDI

Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: SIC TRANSIT GLORIA MUNDI.
Untertitel:
aus: Die Neue Welt
Nr.51, S.618
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Goldhausen
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[618]

SIC TRANSIT GLORIA MUNDI.
(Siehe das Bild auf Seite 609.)

In ihre Wiege hat als Angebinde
Gelegt der Schönheit Gabe eine Fee;
Es ward ein schlankes Mädchen aus dem Kinde
Mit Wangen roth wie Blut und weiß wie Schnee.

5
Aus niedrem Stande einst sich zu erheben,

Es ward ihr oft dies Horoskop gestellt;
Sie war so schön ― sie durfte kühn erheben
Den Blick zu jeder Herrlichkeit der Welt.

Sie war zu schön ― das trieb sie in’s Verderben.

10
Sie hat so streng und rein und stolz gedacht

Und alles faunisch ≈ greisenhafte Werben
Wie junger Stutzer Schmeichelei’n verlacht.
Nur Einer hat den Weg zu ihr gefunden,
Von allen denen, die ihr nachgestellt,

15
In seinem Arm hat sie ein Glück empfunden,

Das mehr als alle Herrlichkeit der Welt.

Man sah ihr nach mit Flüstern auf den Gassen,
Sie ahnte nichts und arglos war ihr Sinn ―
Da hat er kalt und herzlos sie verlassen,

20
Und nun war alles rettungslos dahin.

Gefühl und Liebe ― hohler Trug der Bühne,
Mit roher Hand ihr Götterbild zerschellt;
Für solchen Jammer gibt es keine Sühne
In aller Pracht und Herrlichkeit der Welt.

25
Und dann die alte, traurige Geschichte.

Verlacht, verhöhnt, verstoßen und verschmäht,
Sah alles sie in grellem, falschem Lichte
Und hat in Sammt und Seide sich gebläht.
Man gab ihr Gold ― sie ließ es achtlos schwinden,

30
Nicht Prunk und Schmuck hat ihren Blick gehellt;

Sie wollte Eines nur ― Betäubung finden
Im Rausch und in der Herrlichkeit der Welt.

Doch immer seltner wird das reizvoll Neue
Und immer schaaler wird im Kelch der Wein,

35
Und mit der bittern, schonungslosen Reue

Kehrt auch das Siechthum, kehrt die Buße ein.
Der Schwarm zerstiebt, der sie so lang umgeben,
Der zu der Schönheit lüstern sich gesellt,
Und einsam ringt sie zwischen Tod und Leben

40
Und scheidet von der Herrlichkeit der Welt.


Man hat ― wie gütig! ― Blumen ihr gesendet,
Als sie nach Menschen todesbange rief;
Sie hat in Bitterkeit sich abgewendet
Und zu den Blumen fiel der kleine Brief.

45
Wozu das Blatt, das doch nur lügt, erbrechen?

Sie haben alle, alle sich verstellt,
Und bitter ist’s, sich sterbend vorzusprechen,
Wie eitel alle Herrlichkeit der Welt.

Es ist vorbei. Die Lider sanken nieder,

50
Zum letzten mal hat sich der Mund bewegt,

Und auf die schönen, weißen, starren Glieder
Hat man das ernste, schlichte Kreuz gelegt.
Nun erst ― zu spät! ― hat sich, das Aug’ voll Thränen,
Still eine Freundin an ihr Bett gestellt, ―

55
Wird sie auch ferner unvergänglich wähnen

Mit leichtem Sinn die Herrlichkeit der Welt?

Daneben selbstbewußt die alte Tugend,
Durch Häßlichkeit von Kindheit auf gefeit.
Mit strengen Blicken mustert sie die Jugend

60
Und denkt vielleicht: Einst kommt auch deine Zeit!

Ihr schwärmt dahin, zu siegen und zu blenden,
Als sei die Schönheit ewig euch gesellt,
Um endlich kläglich im Spital zu enden!
So schwindet alle Herrlichkeit der Welt!
                                                  Rudolf Lavant.