Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Titularbeamte seit dem 4. Jh. n. Chr.
Band VII A,2 (1943–1948) S. 20242026
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Vacantes. In der römischen Republik wurde jedes Amt mit einem bestimmten Worte bezeichnet wie consul, praetor, aedilis usw. Diese Worte waren Amtsbezeichnungen, nicht Titel. Consul wurde nur genannt, wer wirklich Consul war. Im Senate saßen die Beamten entsprechend ihrer Rangfolge. In der Zeit des Prinzipats wurden durch allectio unter die consulares, praetorii auch solchen der Rang eines Amtes verliehen, die das Amt nicht bekleidet hatten. Aber seit dem 4. Jhdt. riß ein schlimmes Titelwesen ein, das immer mehr ausartete. Die Amtsbezeichnungen wurden titular auch solchen verliehen, die das Amt nicht verwalteten und nie verwaltet hatten. Die wirklichen Träger des Amtes nannte man jetzt in actu positi. Die Titularbeamten hießen entweder v. oder honorarii. Der Unterschied bestand darin, daß die v. berechtigt waren, das cingulum (die Schärpe) anzulegen, die honorarii nicht. Die gesamte Beamtenschaft war nämlich militärisch organisiert und uniformiert, und so war es nur in der Ordnung, daß die Beamten das Ehrenzeichen des aktiven Offiziers, die Schärpe, trugen. Solo cingulo ab honorariis differebant vacantes sagt Gothofredus ad Cod. Theod. VI l8, 1. Vgl. Nov. Theodos. XV 2, 2. XV 25, 4 = Cod. Iust. XI 59, l7. vacantem vel [2025] honorariam dignitatem adepti Nov. Theodos. XV 2, 3. Die Titularämter wurden oft durch Konnexionen (gratia) oder Bestechung (suffragio; s. d.) erschlichen. Die Formula qua per codicillos vacantes proceres (d. i. illustres) fiunt bei Cassiod. var. VI 10, die Formula illustratus vacantis bei Cassiod. var. VI 11. Die Überschriften sind ungenau; die erstere bezieht sich auf die höheren Kategorien (Consulat, Praefectur, Quaestur), die zweite auf den illustratus vacans comitivae domesticorum. Mommsen N. Archiv f. ältere deutsche Geschichtskde. XIV 509, 2 = Ges. Schr. VI 450, 2. Über comites vacantes Cod. Theod. VI 27 und dazu Gothofredus. In der Überschrift von Cassiod. var. VI 10 wird v. nicht mit Gothofredus und Mommsen N. Archiv XIV 509, 1 = Ges. Schr. VI 450, 1 auf codicilli, sondern auf proceres zu beziehen sein, so daß die codicilli vacantes, die nur hier begegnen, wegfallen. Es gibt allerdings codicilli honorarii Cod. Theod. Tit. VI 22. VI 22, 8 pr.

Über den Rang bei Empfängen (ordo salulationis), Sitzungen (conventus, officia atque consessus Cod. Theod. VI 22, 8, 1) und in Schriftstücken bestimmen Gratian, Valentinian II. und Theodosius I.‚ Cod. Theod. VI 22, 7, und Theodosius II. und Valentinian III.‚ Cod. Theod. VI 22, 8, daß die in actu positi oder ministratores immer den honorarii vorangehen, ohne Rücksicht auf die Zeit der Ernennung: ut prior sit semper ille, qui loci sui administratione perfunctus est, nec unquam honor delatus ex debito ei, qui ad similitudinem tribuitur, conparetur Cod. Theod. VI 22, 8, 1. Genauer stufen Theodosius II. und Valentinian III. die Rangunterschiede ab Cod. Iust. XII 8, 2 (im J. 440-441). An erster Stelle sollen die illustres in actu positi stehen, qui peregerint administrationem, an zweiter die illustres vacantes, die persönlich vom Kaiser ernannt sind (qui praesentes in comitatu illustris dignitatis cingulum meruerint), an dritter, die den Rang schriftlich erhalten haben (quibus absentibus cingulum mittitur illustris dignitatis), an vierter die anwesenden honorarii (qui praesentes a nostro numine sine cingulo codicillos tantum honorariae dignitatis adepti sunt), an fünfter die abwesenden (quibus absentibus similiter sine cingulo mittunter illustris insignia dignitatis). Die administratores sollen allen v. und honorarii stets vorgehen. Die v. dagegen sollen nicht allen honorarii vorgehen, sondern nur den honorarii der gleichen Rangklasse. Es soll nicht etwa ein vacans einer niedrigeren Klasse einem honorarius einer höheren vorgehen, also z. B. ein quaestorius vacans einem praetorius honorarius. Wird ein vacans mit einer Verwaltungssache beauftragt, so soll er unter die administratores gerechnet werden.

Nach Cod. Theod. XI l6, l5 (Gratian, Valentinian und Theodosius‚ im J. 382) sollen die höchsten Beamten (maximarum culmina dignitatum) von den munera sordida befreit sein. Man wird annehmen müssen. da8 das auch für die v. gilt. Bezüglich der Einquartierungslast (melatum) wird es für die v. in Konstantinopel durch die Nov. Theodos. XXV 4 vom J. 444 ausdrücklich bestimmt (licet vacantis militiae cingulo usi sunt vel utuntur vel honorariae praerogativae [2026] potiantur insignibus), dagegen wird es bezüglich der Rekrutenstellung (temo) ausgeschlossen; die inlustres vacantes sollen drei tirones stellen, die tribuni vacantes sive comites secundi vel tertii ordinis omnesque clarissimi immer zu je dreien einen Rekruten (tertiam partem tironis) Nov. Val. VI 3, 1 vom J. 444. Kaiser Zeno bestimmte Cod. Iust. XII 7, 2, 5, daß der Primicerius notariorum, d. i. der Chef der geheimen Staatskanzlei nach zweijähriger Verwaltung seines Amtes die Insignien (infulas) des magister officiorum erlangen und allen v. (derselben Rangklasse) vorgehen solle. Vgl. Cod. Theod. VI I0, 4. Nov. Theodos. XXV 5.

Literatur. Jac. Gothofredus zum Cod. Theod. VI 18, 1 und Paratitlon zu Cod. Theod. VI 22. Naudet De la noblesse et des récompenses d’honneur chez les Romains, Paris 1863, 142ff. (mir nicht zugänglich). Hirschfeld Rangtitel, S.-Ber. Akad. Berl. 1901, 590. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 870. Mommsen N. Archiv XIV 509, 1. 2 = Ges. Schr. VI 450. Kübler Röm. Rechtsgesch. 311. Seeck o. Bd. IV S. 183 Art. Codicilli.