Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sohn d. Thersandros u. d. Demonassa, König v. Theben
Band V A,1 (1934) S. 133135
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2) Sohn des Thersandros und der Demonassa, König von Theben. Thersandros, Sohn des Polyneikes, Enkel des Oidipus, fiel auf dem Vorzuge vor dem troischen Kriege in Mysien. Bei Beginn des eigentlichen troischen Krieges war T. noch zu jung, um die Führung der Boioter zu übernehmen. Das tat für ihn Peneleos (Il. II 494). Nach dessen Tode wurde T. König von Theben. Außer diesen Nachrichten haben wir noch einige über seinen Sohn Autesion, seine Enkelin Argeia und seinen Enkel Theras. Gruppe Griech. Myth. 506. 646, 3, wertlos; die boiotischen Namen des Ares, nach denen Polyneikes, Thersandros und T. genannt zu sein ,scheinen‘, sind eine haltlose Vermutung Studniczkas. Dagegen hat auch hier, wie bei T. Nr. 1, Johs. Schmidt die (im ganzen nicht reichliche) Überlieferung fast lückenlos zusammengestellt (füge hinzu Schol. Pind. Ol. II 82 d Dr.; dort var. lect. Τισαμένης), worauf auch hier verwiesen sei.

Wiederum fehlt bei ihm, und mußte nach den Anschauungen der Zeit fehlen, die Frage nach der Treue der Tradition. Man faßt diese allgemein als mythisch; so 1890 Studniczka Kyrene [134] 67 über Theras; noc.h 1927 führte Drachmann im Index der Pindarscholien III 333 T. unter den nomina fabularia auf. Aber auch hier, wie bei T. Nr. 1, kann und muß man heute prüfen, wie weit man kommt, wenn man diese Überlieferung einmal einfach glaubt. Das ist ganz gut möglich. Sie enthält nichts an sich Unglaubhaftes und keine mythischen Requisiten wie etwa Flügelschuhe und Tarnkappe. Es finden sich auffällige Einzelzüge, die man nicht damit erklären kann, sie seien zur Ausschmückung des Mythos nur erfunden; nämlich die Jugend des T. bei Beginn des troischen Kriegs und die Tatsache, daß der Fluch des Labdakidenhauses bei T. nicht wirksam wird, dann aber wieder bei seinem Sohne Autesion. Freilich könnte man die Jugend des T. erfunden haben, um damit in Einklang zu bringen, daß die Ilias als Führer der Boioter nicht T., sondern Peneleos kennt. Aber so sicher, wie man dergleichen früher annahm, ist es nicht, und es ist nicht beweisbar. Im Gegenteil, der Dichter von Il. II 494 kann T. sehr wohl gekannt, aber deswegen nicht genannt haben, weil dieser eben wegen seiner Jugend am troischen Kriege nicht teilnahm! Man sucht und grübelt immer, warum der Dichter etwas sage oder verschweige, und verbaut sich damit den allernatürlichsten Weg zu der Erkenntnis: er sagt es so, weil es so war! Ganz wenig wie dichterische Erfindung sieht es aus, daß der Fluch des Labdakidenhauses bei T. aussetzt. Hätten den in diesem Hause wirkenden Fluch Dichter nur ersonnen, so würde die Geschichte um so wirksamer und furchtbarer, wenn der Fluch eben immer wirkte. Begreiflich aber wird der Bericht von seinem Aussetzen, wenn man rein historisch noch wußte, einmal sei ein Mitglied der Königsfamilie, in der man so viel Unglück kannte, ohne wesentliches Leid durchs Leben gegangen. Daß man in Theben die Namen der Mitglieder des Königsbauses und ihre Hauptschicksale jahrhundertelang im Gedächtnis behielt, ja auch schriftliche Aufzeichnungen darüber hatte, ist doch ganz gut denkbar, ja wahrscheinlich.

Ein derartiger ‚Köhlerglaube‘ an die Überlieferung – als solcher wird er manchem noch erscheinen – hat freilich die Folge, daß, wenn wir schon T. als historische Person ansetzen und dann auch seine Nachkommen, und dies, je weiter wir in hellere historische Zeiten hinabkommen, mit desto größerer Wahrscheinlichkeit –, daß dann laut dem genannten Pindarscholion der Stammbaum des Akragantiners Theron von pindarischer Zeit ab rückwärts bis zu T. vorliegen würde. Und dann kann man ja wohl noch weiter rückwärts gehen; von T. an bis zu Labdakos haben wir den Stammbaum nämlich auch (freilich nicht lückenlos; die Chronologie stimmt nicht)! An eine leidlich getreue Uberlieferung der Namen von Labdakos (über Laios s.o. Bd.XII S. 511, 50) bis Theron von Akragas zu glauben, das ist aber gar nicht so ungeheuerlich, wie es zu sein scheint; oder nur insoweit unglaublich, als es im Jahre 1830 unglaublich erschienen wäre, es habe eine Stadt Troia wirklich gegeben. Ganz ungeheuerlich aber erscheint mir die bisherige Ansicht, die Unmenge antiker Gelehrter und Schulmeister, die sich jahrhundertelang mit diesen [135] Dingen beschäftigten, habe da nur aus den Fingern gesogenes Zeug behandelt; man verkennt doch damit wohl einen sehr wesentlichen Teil antiker Wissenschaft. Vasen des 2. Jahrt. mit Aufschriften in ,kadmeïscher‘ Schrift stehen heute im Museum in Theben; Persson Schrift und Sprache in Alt-Kreta 28f. liest auf dreien von ihnen ,Kadmos, König von Theben‘. Kannte man aber die Schrift, so ist es, im Gegensatz zu der bisherigen Anschauung, vielmehr unglaublich, daß man den Stammbaum des Herrscherhauses nicht aufgezeichnet haben sollte. Daß manche solche Königslisten nicht glaubwürdig sind (s. d. Art. Thelxion), beweist nicht, daß es alle sind. Daß sich eine Familie acht Jahrhunderte lang in herrschender Stellung erhält, ist doch an sich nicht unmöglich (Habsburg!). S. noch den Art. Telamon), 3. Abschnitt.