Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Lupus, M. Praef. Aegypti in den letzten Jahren des Kaisers Traian
Band I A,1 (1914) S. 12631265
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23) M. Rutilius Lupus, Praefect von Ägypten in den letzten Jahren des Kaisers Traian. Seinen vollen Namen gibt die Inschrift aus Cysis, IGR I 1267 = Dittenberger Syll. or. II 677, und die neugefundene Inschrift aus dem Bergwerk des Djebel el Tuch, Bull, de l’inst. fr. d’arch. or. du Caire VII (1910), 28, ferner (zum Teil ergänzt) BGU IV 1033 und (unsichere Ergänzung!) IGR I 1280 (Silsilis); sonst Rutilius Lupus und Lupus allein.

Seine frühere Laufbahn kennen wir nicht; seit dem J. 114 finden wir ihn als Statthalter von Ägypten. Das früheste bis jetzt bezeugte Datum seiner Statthalterschaft bietet ein unpublizierter Papyrus der Sammlung Erzherzog Rainer aus dem Pharmuthi des 17. Jahres Traians (zwischen 25. Februar und 26. März 114), s. Proceedings of the Society of Bibl. Archaeol. 1902, 62. Aus dem nämlichen Jahr ist Pap. Catt., Recto col. III (Pap. Arch. III 59, Z. 11–22 = Mitteis Pap. Chrest. 421 n. 372), wo der als Prozeßleiter genannte Λοῦπος nur R. sein kann, datiert 27. Phaophi des 18. Jahres [1264] (24. Oktober 114). In demselben Papyruskomplex sind auch andere Prozeßprotokolle aus den Amtstagebüchern des R. enthalten: col. I Z. 1–4 (Pap. Arch. III 57. Mitteis S. 419. BGU I 114), undatiert; Z. 5–13: vom 10. Tybi des 20. Jahres = 5. Januar 117, dies ist das späteste Datum seiner Verwaltung Ägyptens. Sicher unrichtig ist die als unsicher bezeichnete Jahresangabe in der Inschrift vom Djebel Tuch, 3. Mechir des 15. Jahres, das wäre der 28. Januar 112,; denn wir finden noch am 21. März 112 Sulpicius Similis im Amt, s. Cantarelli La serie dei prefetti di Egitto, I., Memorie d. r. acc. dei Lincei 1906, 42. In dem Pap. Catt. findet sich noch ein Prozeßprotokoll (alle diese Akten enthalten Entscheidungen des Praefecten R. über das Eherecht von Soldaten) mit dem Datum 10. Payni des 18. Jahres = 4. Juni 115 (Pap. Arch. III 59f. Mitteis S. 421). Datiert ist ferner die oben erwähnte Inschrift aus Cysis: 1. (oder 30.?) Pachon des 19. Jahres = 26. April 116.

R. ist der Praefect, unter dem im 19. Jahre Traians (115/6) der große Judenaufstand in Ägypten einen gefährlichen Umfang annahm, Euseb. hist. eccl. IV 2, 2 (vgl. 2, 1) ἡγουμένου τηνικαῦτα Λούπου τῆς ἁπάσης Αἰγύπτου. Auf diesen Krieg beziehen sich auch einige Akten, die sich auf Papyrusblättern erhalten haben und die Wilcken in seiner zusammenfassenden Darstellung ,Zum alexandrinischen Antisemitismus‘, Abh. Leipz. Ges. 1909, 781–839 publiziert und erläutert. In einem dieser Stücke, einem schon früher mehrmals edierten Papyrus aus dem Louvre, wird auf ein διάταγμα.... [Λ]ούπου Bezug genommen, Wilcken 808f., col. I Z. 41.; vgl. auch 811, col. IV Z. 3 (= Pap. Lond. I S. 227f. Recto). Zur Geschichte dieses Judenkrieges s. Wilcken Herm. XXVII 472f. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I3. 4 65–67. 662–666.

Auch in einer Reihe anderer Papyrusurkunden ist R. als Praefect von Ägypten genannt. – BGU IV 1033 (vgl. Wilcken Pap. Arch. III 504f.) ist ein Auszug aus dem [τόμος ἐπικρίσεων Μάρ]κου Ῥουτιλίου Λ[ο]ύπου, ἐπάρχου Αἰ[γύπτου]; in Z. 5 wird er als κράτιστος ἡγεμών bezeichnet; ebenso in Pap. Oxyrh. I 159, 97 = Mitteis Pap. Chrest. n. 347, wo die Untersuchung in einem Rechtsstreit gebracht wird ἐπὶ τὸν κράτιστον ἡγεμόνα Ῥουτίλιον [Λο]ῦπον, und in Pap. Amh. II 84, 70 (= Wilcken Pap. Chrest. n. 149), col. I 2, wo ein Befehl erwähnt ist τοῦ κρατίστου ἡγεμόνος Ῥουτιλ[ίου Λο]ύπ(ου).

Dort, wo der Praefect nur Lupus genannt ist, läßt sich nicht immer entscheiden, ob R. oder Ti. Iulius Lupus (Praefect im J. 72 n. Chr.) gemeint ist. Wahrscheinlich auf R. zu beziehen ist Pap. Fayûm 311, 322 (nur inhaltlich mitgeteilt), vollständig publiziert von Wessely Stud. Pal. IV 121, da hier der Schriftcharakter der Urkunde auf das 2. Jhdt. hinweist; allerdings ist hier die Statthalterschaft des Lupus als schon vergangen bezeichnet: ἀπόδειξιν Λούπου τοῦ [ἡγε]μονεύ[σ]αντος. Zweifelhaft hingegen ist die Beziehung in Pap. Oxyrh. IV 168, 706 = Mitteis Pap. Chrest. n. 81, wo Lupus nach Rücksprache mit seinem Consilium eine gerichtliche Entscheidung fällt: Λοῦπος [βουλευσάμενο]ς [1265] μετὰ τῶν φίλων. Der auf der Basis einer offenbar aus Ägypten nach Rom transportierten Säule genannte Λοῦπος ἔπαρχος Αἰγύπτου (IG XIV 2421, 2 = IGR I 530) ist hingegen Ti. Iulius Lupus, vorausgesetzt, daß der hier erwähnte ἀρχιτέκτων Herakleides identisch ist mit dem auf einer Inschrift aus dem mons Claudianus (IGR I 1260) genannten ἀρχιτέκ[των] Herakleides, s. meine Bemerkung bei Cantarelli a. O. 34, dazu Fitzler Steinbrüche u. Bergwerke im ptolemäischen und römischen Ägypten (Leipzig 1910) 132 und Fabricius o. Bd. VIII S. 498f., Nr. 64. Unsicher ist die Ergänzung des Kaisers- und des Praefectennamens in IGR I 1280. Der nicht genannte κράτιστος ἡγεμών, auf dessen [ἐ]ντολαί im Pap. Giss. 62 (aus dem Ende der Regierung Traians) Bezug genommen ist, muß R. sein, doch scheint das .... Λούπωι auf dem Verso dieses Schriftstückes nichts mit dem Praefecten zu tun zu haben, sondern einen andern Adressaten mit demselben Cognomen zu bezeichnen. In dem Fragment Pap. Lond. I p. 229 ist in Z. 3 ... μον λωπου zweifelnd gelesen worden; möglicherweise stand hier [ἡγε]μον(εύσαντος) Λούπου.

Bis mindestens 5. Januar 117 (s. o.) war R. an der Spitze der Verwaltung Ägyptens, doch scheint er noch Kaiser Traian überlebt zu haben, worauf dann mit der Thronbesteigung Hadrians auch der Wechsel in der Statthalterschaft Ägyptens erfolgte; denn gleich zu Beginn der Regierung Hadrians (August 117) finden wir Rammius Martialis als Praefecten, vgl. Kornemann Klio VII 288, 1. Pap. Giss. I 1, 18; 3, 160. Paul M. Meyer ebd. I 2, 49, 1; 3, 17, 1.

Spuren seines Namens begegnen uns auch sonst noch öfter in Ägypten. Wahrscheinlich von ihm stammt die οὐσία Ῥουτιλλιανή), die nebst der wohl benachbarten (οὐσία) Ἀγρειππινιανή in den Besitz des Kaisers übergegangen ist (Bronze-Schildchen im Berliner Museum, Inv. nr. 10592, veröffentlicht von Erman Ztschr. f. äg. Spr. 1890, 59 = Wilcken Ostraka I 392; vgl. Hirschfeld Klio II 293. Rostowzew ebd. VII 142; Studien zur Gesch. d. röm. Kolonats 120). Höchst wahrscheinlich verdankt ihm das Bürgerrecht [R]utilius Polycrates, der im J. 124 Strateg gewesen war, BGU III 977 sowie der ebd. genannte [Ru]tilius Ammonius, der in späterer Zeit Stellvertreter des Strategen war. Auch sonst kommt der Name Rutilius Lupus häufig vor (s. die Vorausgehenden u. Folgenden), wir kennen auch Männer senatorischen Ranges mit diesem Namen schon in republikanischer Zeit; ob und welche verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen und R. bestanden haben, können wir allerdings nicht angeben.

[Stein. ]