Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Röm. Kaiser 308-324
Band XIII,1 (1926) S. 222 (EL)–231 (EL)
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31a) Licinius, römischer Kaiser 308–324. Licinianus Licinius (Dessau 663. 677. 712. 713. 6788 und sonst), als Adoptivsohn Diocletians auch Valerius Licinianus Licinius (Dessau 675. 678. 679) oder Iovius Licinius (Dessau 676 = CIL IX 6026) genannt, stammte aus dem neuen Dakien (Anon. Vales. 5, 13. Socrat. I 2, 1. Eutrop. X 4, 1), d. h. aus der Provinz dieses Namens, die Aurelian südlich der Donau geschaffen hatte (s. o. Bd. IV S. 1975). Seine Eltern waren Bauern (Vict. epit. 41, 9. Anon. Vales. a. O.), was er kaum verheimlicht haben wird. Denn daß er seine Herkunft vom Kaiser Philippus abgeleitet habe, ist nur eine der vielen Erfindungen der Script. hist. Aug. (Gord. 34, 5). Nach Vict. epit. 41, 8 starb er noch vor dem 60. Lebensjahre; doch der Zeitgenosse Euseb. hist. eccl. X 8, 13 nennt ihn noch vor seinem Sturze ἐσχατόγηρως (vgl. Iulian. Caes. 329 a), wonach er kaum nach dem J. 250 geboren sein kann. Dazu paßt es, daß er mit Galerius schon seit dessen erstem Kriegsdienst in freundschaftlicher Verbindung stand (Lact. de mort. pers. 32, 2). Im Perserkriege des Galerius (297) hatte er sich ausgezeichnet (Eutrop. X 4, 1). Dieser legte großen Wert auf seine Ratschläge und beabsichtigte, ihn nach dem Tode des Constantius, der schon lange kränkelte, zu seinem Mitaugustus zu machen; doch wurde dieser Plan durch die Erhebung Constantins zerstört (Lact. de mort. pers. 20. 25, 4). Auch 307 bei dem Feldzuge des Galerius gegen Maxentius begleitete L. ihn und diente ihm als Unterhändler (Anon. Vales. 3, 7). Am 11. November 308 (Mommsen Chron. min. I 231; vgl. Herm. XXXVI 28. Seeck Gesch. d. Untergangs d. antiken Welt I 450) wurde er in Carnuntum (Mommsen a. O., vgl. Anon. Vales. 3, 8) im Beisein Diocletians von Galerius zum Augustus erhoben (Lact. de mort. pers. 29, 2. Vict. Caes. 40, 8. Eutrop. X 4, 1) und für das J. 309 zum Consuln ernannt (Mommsen Chron. min. III 517). Als besondere Aufgabe war ihm die Bekämpfung des Maxentius übertragen (Anon. Vales. 5, 13. Zosim. II 11), d. h. er sollte den italischen Reichsteil übernehmen, den Maximian früher verwaltet hatte; doch beherrschte er davon tatsächlich nur den kleinen Teil, der zwischen Alpen und Donau lag (Dessau 664 = CIL III 5565). Außerdem aber besaß er die Anwartschaft auf das Erbe des Galerius, das sich von der Donau bis an den Taurus erstreckte. Doch als Galerius 311 gestorben war, besetzte Maximinus Daja in größter Hast die asiatischen Provinzen und entzog sie dadurch dem L. (Lact. de mort. pers. 36, 1). Es kam zwischen den Kaisern beinahe zum Kriege; an den beiden Ufern des Bosporus standen sich ihre Heere gegenüber. Doch kamen sie auf einem Schiff in der Meerenge zusammen und schlossen einen Vertrag auf Grund des bestehenden Besitzes (Lact. de mort. pers. 36, 2. 43, 2. Euseb. hist. eccl. IX 10, 2). Von beiden Seiten aber empfand man, daß der Entscheidungskampf nur aufgeschoben war, und jeder der beiden Teile suchte dafür nach Bundesgenossen. L. verlobte sich mit der [223] Schwester Constantins (Lact. de mort. pers. 43, 2. Zosim. II 17, 2), Maximinus knüpfte heimlich mit Maxentius an (Lact. de mort. pers. 43, 3. 44, 10. Euseb. hist. eccl. VIII 14, 7). Sie scheinen übereingekommen zu sein, daß dieser zuerst Raetien angreifen und den Versuch machen solle, sich derjenigen Provinzen des italischen Reichsteils zu bemächtigen, die L. ihm vorenthielt (Zosim. II 14, 1). Wenn dieser sich dann gegen Maxentius wendete, konnte Maximinus hoffen, daß die ihm selbst gegenüberstehende Macht genügend geschwächt sein werde, um ihm den Übergang über den Bosporus möglich zu machen. Auf diese Weise beabsichtigte man wohl, L. zwischen zwei Heeren, die ihn von Westen und Osten angriffen, zu erdrücken. Ein großer Teil von den Truppen des Maxentius stand unter seinem tüchtigsten Feldherrn, dem Praefecten Pompeianus Ruricius, beim Beginn des Krieges in Verona, am Eingang der Brennerstraße (Nazar. paneg. IV [X] 25. Eumen. paneg. XII [IX] 8, 2), also bereit, gegen L., nicht gegen Constantin, zu kämpfen. Doch dieser brach in Italien ein, eroberte Verona und entschied am 28. Oktober 312 den Krieg durch die Schlacht an der Milvischen Brücke (s. o. Bd. IV S. 1017).

L. hatte nichts getan, um ihn in seinem schweren Kampfe zu unterstützen (Eumen. paneg. XII [IX] 2, 3); wahrscheinlich hätte er es nicht ungern gesehen, wenn nicht nur sein Gegner, sondern auch sein Bundesgenosse gründlich geschwächt aus dem Kriege hervorgegangen wären. Doch nachdem dieser Erfolg nicht eingetreten war, kam er im Februar 313 nach Mailand, um dort seine Hochzeit mit Flavia Iulia Constantia, der Schwester Constantins, zu feiern (s. o. Bd. IV S. 958). Bei dieser Gelegenheit besprachen die Kaiser auch die Stellung des Christentums im römischen Reiche (Lact. de mort. pers. 48, 2 = Euseb. hist. eccl. X 5, 4); doch ein Edikt von Mailand, das ihm die Toleranz gewährt hätte, ist nie ergangen. Es war eben überflüssig, weil die gleiche Bestimmung schon 311 durch Galerius getroffen war; doch hatte sie Maximinus in seinem Reichsteil nicht zur Ausführung gebracht. Jene Besprechungen konnten sich also nur darauf beziehen, daß, was schon seit 311 im ganzen übrigen Reiche galt, auch für den Orient bei Maximinus zu erwirken sei (Ztschr. f. Kirchengesch. XII 381). Vom 16. Februar 313 scheint ein Gesetz Constantins aus Sirmio am Gardasee datiert zu sein (Cod. Theod. VII 22, 1; vgl. Seeck Regesten 55); danach dürfte er den Neuvermählten, als sie Mailand verließen, noch bis dorthin das Geleite gegeben haben.

L. mußte seine Rückkehr sehr beschleunigen; denn während seiner Abwesenheit hatte Maximinus den Bosporus überschritten und die festen Städte Byzantion und Herakleia in seine Gewalt gebracht. Von dort zog er noch 18 Milien weiter bis zur nächsten Poststation, für welche die Itinerare (138. 230. 323. 569) den Namen Tzirallum bieten, konnte aber nicht mehr über diese hinausgelangen, da L. schon die folgende, in denselben Quellen Drizipara genannt, besetzt hatte. In der Eile hatte dieser nicht mehr als 30 000 Mann zusammengebracht? Er suchte daher durch eine persönliche Zusammenkunft zwischen den schon aufgestellten [224] Schlachtreihen noch den Frieden herzustellen; doch Maximinus wies seine Vorschläge zurück. So kam es am 30. April 313 auf dem Campus Serenus zwischen Tzirallum und Drizipara zur Schlacht, in der L. den vollständigsten Sieg errang. Maximinus warf den Purpur weg und floh in Sklavenkleidern (Lact. de mort. pers. 45–47. Euseb. hist. eccl. IX 10, 2–4; vit. Const. I 58, 3. Zosim. II 17, 3).

Da Constantin den Sieg an der Milvischen Brücke, durch einen Traum gemahnt, unter dem Zeichen Christi erfochten hatte, war auch L., soweit dies ihm möglich war, seinem Beispiel gefolgt. Vor der Schlacht hatte auch er einen Traum gehabt, in dem ein Engel ihm ein Gebet vorgesagt hatte, und dieses war von seinem Heere nachgebetet worden, ehe es in den Kampf ging (Lact. de mort. pers. 46. 48, 1; bestätigt durch die Worte des L. selbst 48, 11 = Euseb. hist. eccl. X 5, 13: divinus iuxta nos favor, quem in tantis sumus rebus experti). Nachdem er wenige Tage nach seinem Siege den Bosporus überschritten hatte und in Nikomedeia eingezogen war, ließ er am 13. Juni 313 ein Gesetz veröffentlichen, nach dem den Christen ihre konfiszierten Bethäuser zurückgegeben und volle Toleranz auch im neueroberten Gebiete gewährt werden sollte (Lact. de mort. pers. 48. Euseb. hist. eccl. X 5, 1–14). Dann machte er sich zur Verfolgung des Maximinus auf, der ihm im Taurus vergebens den Weg durch schnell errichtete Befestigungen zu verlegen suchte (Lact. de mort. pers. 49, 1). Doch ehe es zu neuen Schlachten kam, starb Maximinus in Tarsus, wohin er sich geflüchtet hatte, und der ganze östliche Reichsteil von Pannonien bis Ägypten fiel dem L. zu (s. den Art. Maximinus).

L. ließ jetzt alles umbringen, was von den Familien früherer Kaiser in seine Hand gefallen war; auch Gattin und Sohn seines Freundes Galerius wurden nicht geschont (Lact. de mort. pers. 50. 51. Euseb. hist. eccl. X 1, 7. 4, 29. Zonar. XIII 1 p. 2 c). Dann traf er Vorbereitungen, um auch Constantin aus dem Wege zu schaffen (Euseb. hist. eccl. X 8, 5; vit. Const. I 47, 2. 50). Dieser hatte mit ihm Unterhandlungen angeknüpft, um die diocletianische Verwaltung, nach der zwei Augusti und zwei Caesares gemeinsam das Reich beherrschen sollten, im vollen Umfange wiederherzustellen (Anon. Vales. 5, 14). Doch L. stiftete den Bassianus, den Constantin zum Caesar ausersehen hatte, gegen diesen an, und verweigerte, als der Anschlag entdeckt und Bassianus hingerichtet war, die Auslieferung von Senecio, dem Bruder desselben, der ihm zur Ausführung seiner Pläne als Vermittler gedient hatte. Dadurch kam es zum Bruche, dem L. dadurch Ausdruck gab, daß er 314 an der Grenze Italiens in Emona die Statuen Constantins umstürzen ließ (Anon. Vales. 5, 15). Dies war auch der Form nach eine Kriegserklärung. Um möglichste Schnelligkeit der Bewegung zu erzielen, hatte Constantin nur ein kleines Heer von 20 000 Mann gegen L. aufgeboten; doch auch diesem war es nicht gelungen, mehr als 35 000 zusammenzubringen (Anon. Vales. 5, 16), wahrscheinlich weil seine Hauptmacht noch am Taurus stand, wohin sie Maximinus Daja verfolgt hatte. Er erwartete daher den Angriff Constantins in einer starken Defensivstellung bei Cibalae am Sumpfe Hiulca (Vict. epit. 41, 5). Hier [225] wurde er am 8. Oktober 314 (Mommsen Chron. min. I 231) noch vor Tagesanbruch (Vict. a. O.) von Constantin überfallen (Eutrop. X 5) und vollständig geschlagen (Zosim. II 18); 20 000 Mann, also mehr als die Hälfte seines Heeres, sollen dabei gefallen sein (Anon. Vales. 5, 16). Mit dem Rest floh L. nach Sirmium, wo er seine Familie und seinen Schatz zurückgelassen hatte, nahm sie mit sich und zog weiter nach Thrakien (Anon. Vales. 5, 16. 17. Zosim. II 18, 4–19, 1). Da er noch eine große Macht zusammenziehen konnte, gab er seine Sache keineswegs verloren, sondern sprach erst jetzt die Absetzung Constantins aus und ernannte an seiner Statt den Dux limitis C. Aurelius Valens zum Augustus und Mitregenten (Anon. Vales. 5, 17. Zosim. II 19, 2. Vict. epit. 40, 2. Cohen Médailles impériales VII² 223. J. Maurice Numismatique Constantinienne III 114. 117. 263). Bei Hadrianopolis sammelte er ein großes Heer und trat dann mit Constantin, der unterdessen bis Philippopolis vorgedrungen war, in Unterhandlungen, die wohl kaum ernsthaft gemeint, sondern nur bestimmt waren, ihm Zeitgewinn zu gewähren, bis auch die Truppen aus dem Orient herangeführt wären. Doch wurden die Gesandten zurückgewiesen und auf dem Campus Mardiensis (richtiger wohl Jarbiensis, s. Itin. Ant. 231) kam es zu einer neuen Schlacht, die unentschieden blieb (Anon. Vales. 5, 17. Zosim. II 19). In der Nacht, welche die Kämpfenden trennte, scheint L. sich zurückgezogen zu haben. Constantin verfolgte ihn am nächsten Tage in der Richtung auf Byzanz; doch L. war nach Beroia ausgewichen und stand so hinter Constantins Rücken, wo er ihm einen Teil des Trosses mit der kaiserlichen Dienerschaft wegfing. Dadurch sah sich Constantin bewogen, den Gesandten des L., Mestrianus, nicht zurückzuweisen. Er forderte die Absetzung des Valens und die Übergabe der beiden Diözesen Pannonien und Makedonien, so daß L. in Europa nur noch die thrakische Diözese behielt (Anon. Vales. 5, 18. Petr. Patric. frg. 15 = FHG IV 189. Zosim. II 20, 1. Eutrop. X 5. Sozom. I 6, 6). Diese Bedingungen wurden angenommen, ja L. ging noch weiter, als Constantin verlangt hatte, und setzte den Valens nicht nur ab, sondern ließ ihn töten (Vict. epit. 40, 9. Zosim. II 20, 1). Noch ehe das Jahr 314 zu Ende ging, verkündete die Designation der beiden Kaiser zu einem gemeinsamen Consulat, dem vierten, das sie zusammen bekleideten (309. 312. 313. 315), der Welt ihre wiederhergestellte Einigkeit. Sie wurde noch fester geknüpft, als Constantin am 1. März 317 neben seinen beiden Söhnen Crispus und Constantinus auch den Bastard des L. zum Caesar ernannte (Mommsen Chron. min. I 232. Anon. Vales. 5, 19. Zosim. II 20, 2. Vict. Caes. 41, 6; epit. 41, 4).

L. hatte 313 die Schlacht auf dem Campus Serenus mit einem christlichen Gebet begonnen und seine Herrschaft in den asiatischen Provinzen durch ein Gesetz eingeleitet, das den Bekennern des neuen Glaubens ihre Bethäuser zurückgab und volle Religionsfreiheit gewährte. Noch als Eusebios die erste Ausgabe seiner Kirchengeschichte mit dem 9. Buche abschloß, feierte er in ihm am Ende desselben nicht anders als in Constantin einen Gönner und Beschützer des [226] Christentums (IX 11, 9). Erst der arianische Streit änderte seine Stellung. Nachdem Bischof Alexander von Alexandreia seinen Presbyter Areios und dessen Anhänger im alexandrinischen Klerus als irrgläubig verurteilt und aus Ägypten verbannt hatte, wandte sich dieser brieflich an Eusebios von Nikomedeia, mit dem er gemeinsam die Schule des Märtyrers Lukianos besucht hatte (Theodor. hist. eccl. I 5, 4. Epiphan. haer. 69, 6). Der Bischof der kaiserlichen Residenz besaß einen nicht geringen Einfluß auf L. (Sokrat. I 6, 33. Sozom. I 15, 9), mit dessen langjährigem Reichspraefecten Iulius Iulianus er verwandt war (Ammian. XXII 9, 4; s. o. Bd. X S. 92, 52). Er bewirkte, daß Areios an den Hof berufen wurde, wo er die Gattin des L., die Schwester Constantins, ganz für sich gewann (Hieron. epist. 133, 4, 3). Nachdem eine bithynische Synode, die wahrscheinlich in der Hauptstadt der Provinz, Nikomedeia, unter dem Vorsitz des Eusebios tagte, und dann eine palästinensische, über die der gleichnamige Kirchenhistoriker gewiß den entscheidenden Einfluß ausübte, den Areios für rechtgläubig erklärt hatten (Sozom. I 15, 10. 12), scheint L. den Bischof Alexander gezwungen zu haben, daß er jenen und seine Anhänger wieder in seine Kirchengemeinschaft aufnahm, ihnen die Rückkehr nach Alexandreia gestattete, ja vier davon, die Diakonen waren, sogar zu Presbytern beförderte (Ztschr. f. Kirchengesch. XVII 13ff.). Doch der Friede, der so zwischen den religiösen Parteien gestiftet war, dauerte nicht lange. Da L. sich bisher den Bischöfen gegenüber sehr entgegenkommend gezeigt hatte, glaubte Alexander sich gegen ihn etwas herausnehmen zu dürfen; er versammelte eine Synode ägytischer Bischöfe und ließ durch sie Areios und seine Genossen zum zweitenmal verurteilen (Sokrat. I 6. Mansi Concil. coll. II 793). Da hörte das Wohlwollen, das L. vorher den Christen gezeigt hatte, auf (Sozom. I 2, 2). Er verbot alle Zusammenkünfte von Bischöfen (Euseb. vit. Const. I 51, 1. II 66. III 1, 5. Rundschreiben der Synode von Antiocheia bei E. Schwartz Nachr. d. Gött. Gesellsch. 1905, 274), und tat damit den ersten Schritt zur Christenverfolgung.

Dies scheint im J. 320 geschehen zu sein (Hieron. chron. 2337. Cedren. 495; vgl. Rh. Mus. LXII 535). Um diese Zeit schrieb Lactanz zur Warnung für L. das Büchlein de mortibus persecutorum und schickte es dem Bekenner Donatus nach Nikomedeia, um es in der Residenz des L. verbreiten zu lassen (s. den Art. Lactantius). Constantin selbst fügte andere Warnungen hinzu, die bei der sehr unvollständigen Überlieferung nur in den Fasten erkennbar werden. Denn da er, nicht nach dem Lebensalter, wohl aber nach der Zeit der Thronbesteigung, der ältere Augustus war, stand ihm die Bestimmung der Consuln zu. Nun wird nach der Ernennung der Caesares (317) noch die Regel befolgt, welche die ganze Kaiserzeit beherrscht hat, daß jeder Herrscher dem ersten Jahre nach seiner Erhebung, für das noch keine anderen Consuln bestimmt sind, den Namen gibt, nur mit der Einschränkung, daß neben dem neuernannten Caesar der Augustus des anderen Reichsteils seinen Platz behauptet. Die J. 318–320 heißen daher:

318. Licinio Augusto V et Crispo Caesare conss. [227]
319. Constantino Augusto V et Licinio Caesare conss.
320. Constantino Augusto VI et Constantino Caesare conss.

Zuerst läßt also Constantin seinem Mitregenten höflich den Vortritt im fünften Consulat, stellt ihm aber seinen Sohn zur Seite; dann folgt er mit dem Sohne seines Mitregenten. An dritter Stelle geschieht dann dem jüngsten der drei Caesaren sein Recht, und wenn Constantin selbst sich mit dem sechsten Consulat neben ihn stellt, so durfte er als älterer Augustus wohl diesen Vorzug vor L. beanspruchen, um so mehr, als er diesen beim fünften Consulat sich vorgezogen hatte. Doch das J. 321 heißt: Crispo et Constantino Caesaribus II conss. Darin lag eine Zurücksetzung für den Sohn des L., der älter war, als der Knabe Constantin, also vor diesem das zweite Consulat hätte empfangen müssen, und L. hat darin wohl nicht ohne Grund eine absichtliche Beleidigung gesehen. Denn er hat diese Consuln in seinem Reichsteil nicht verkündigen lassen, sondern benannte hier das J. 321: consulibus quos iusserint domini nostri Augusti, griechisch τοῖς ἀποδειχθησομένοις ὑπάτοις oder τοῖς ἐσομένοις ὑπάτοις. Auch in den folgenden Jahren erkennt L. die Consuln nicht an, obgleich ihre Namen an sich keine verletzende Bedeutung für ihn hatten, sondern nur weil sie von Constantin ernannt waren. 322 greift er sogar in dessen Prärogative über, indem er selbst das Consulat bestimmt. In den ersten Monaten hieß das Jahr in Ägypten noch τοῖς ἀποδειχθησομένοις ὑπάτοις τὸ δεύτερον (Pap. Oxyrh. I 60), doch vor dem 23. Mai ernennt er sich selbst zum sechsten Male und seinen Sohn zum zweitenmal zu Consuln (Corp. papyr. Raineri I 10). Später begnügt er sich damit, die Constantinischen Consulate nicht anzuerkennen; man zählt daher die namenlosen Jahre weiter von β bis δ, d. h. bis zum J. 324, in dem L. von seinem Schicksal ereilt wurde (Rh. Mus. LXII 533).

Schon lange vorher hatte er sich den Ansprüchen, die Constantin nach den Bestimmungen Diocletians machen durfte, nicht gefügt. Nach diesen stand das Recht der Gesetzgebung ausschließlich dem ältesten Augustus zu, und Constantin selbst hatte sich ihrer durchaus enthalten, ehe der Senat ihn Ende 312 zum Dank für die Befreiung von der Tyrannei des Maxentius zum ältesten Augustus ernannte (Lact. de mort. pers. 44, 11). Seine Gesetze beginnen daher erst mit dem 1. Dezember 312 (Seeck Regesten 160). Natürlich hatte er beansprucht, daß L. dies Vorrecht anerkenne; dieser aber hatte schon von Anfang an die Gesetzgebung ganz ungescheut ausgeübt. Außer der Verfügung, durch die er die christenfeindlichen Maßregeln des Maximinus Daja aufhob (Lact. de mort. pers. 48 = Euseb. hist. eccl. X 5, 2–14), finden sich von ihm noch Gesetze vom 1. April (Cod. Iust. VI 1, 3. Cod. Theod. IV 12, 1) und 13. Mai 314 (Cod. Iust. III 1, 8. VII 22, 3), vom 14. Mai 316 (Cod. Theod. VIII 5, 2; vgl. Cod. Iust. VII 16, 41) und vom 21. Juli 317 (Cod. Theod. VIII 4, 3. X 7, 1. 20, 1. XII 1, 5), die alle nur aus Versehen in die Rechtsbücher aufgenommen sind, da von diesen die Gesetze der gestürzten Kaiser prinzipiell ausgeschlossen waren; sonst würde die Zahl der erhaltenen natürlich viel größer sein [228] (Seeck Regesten 53). Um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, hatte sich Constantin diesen Übergriff in seine Rechte gefallen lassen, und ebenso die Annullierung der von ihm bestimmten Consulate. Doch die stets weitergreifende Christenverfolgung, die seine heiligsten Gefühle verletzte, machte den Bruch zuletzt unvermeidlich.

Solange L. mit Constantin verbündet war, hatte er gleich diesem den Beschützer des Christentums gespielt; doch ein Christ war er nie gewesen. Die Gottheit schätzte er nur, insofern sie weltliche Güter verleihen konnte, vor allem als Sieghelferin. In diesem Sinne aber hatten auch die Heidengötter ihre Macht oft genug gezeigt, ja die Vertreter der alten Religion behaupteten, daß Rom seine Weltherrschaft ihrem Kultus verdanke. Constantin hatte sich mit aller Entschiedenheit in den Dienst des Christengottes gestellt und dessen Gunst auch deutlich genug erfahren; schon dies allein war für den abergläubischen L. Grund genug, es mit den Gottheiten der anderen Partei zu versuchen. Die Kirchenspaltung in seinem Reichsteil bezeichneten seine Bischöfe selbst als ein Werk des Teufels; dieser hatte also seine Macht dem Christentum gegenüber deutlich erwiesen. Und auch die Heidengötter galten ja als Teufel, deren Gewalt keineswegs verächtlich sei. So stellte er sich denn wieder in ihren Dienst; die christliche Geistlichkeit wurde von seinem Hofe verbannt, und an ihre Stelle traten Opferpriester und Zeichendeuter (Euseb. vit. Const. II 4, 2; hist. eccl. X 8, 9). Die christlichen Beamten wurden abgesetzt oder degradiert (Euseb. hist. eccl. X 8, 10; vit. Const. I 52. Suid. s. Αὐξέντιος. Hieron. chron. 2337), die Soldaten, die das Opfer weigerten, aus den bevorzugten Truppenteilen ausgestoßen (Euseb. vit. Const. I 54, 1), dann auch bei den Grenztruppen der Opferzwang eingeführt (Dessau 8940). Da nach heidnischer Anschauung eine gottesdienstliche Handlung nur dann ihre Wirkung üben konnte, wenn sie genau in der hergebrachten Form vollzogen wurde, war L. vor allem bemüht, die Formen der christlichen Kirche zu schädigen. In diesem Sinne mußte schon das Verbot der Synoden wirken. Es hinderte nicht nur die Beilegung des arianischen Streites, der die Christenheit trennte und verwirrte, sondern machte auch jede Bischofswahl unmöglich (Sozom. I 2, 1). Weiter wurde verfügt, daß die Frauen von den Versammlungen der Gemeinde auszuschließen seien und von weiblichen Priestern geleitet, ihre Gottesdienste halten sollten (Euseb. vit. Const. I 53). Die Kirchen wurden niedergerissen oder geschlossen, und den Christen nur noch unter freiem Himmel außerhalb der Stadtmauern die Ausübung ihres Kultus gestattet (Euseb. hist. eccl. X 8, 15; laud. Const. 9, 13; vita Const. I 53. II 2). Da man den Werken der Barmherzigkeit eine besondere Heilskraft zuschrieb, wurde das augenfälligste derselben, der Besuch und die Speisung von Gefangenen, bei den härtesten Strafen untersagt (Euseb. hist. eccl. X 8, 11; vit. Const. I 54, 2). Bald begannen auch die Blutgerichte gegen die Bischöfe (Euseb. hist. eccl. X 8, 14. 17; vit. Const. II 1ff. 21. Theophan. 5854. Hieron. chron. 2337), freilich mit Auswahl; denn Eusebios von Nikomedeia, der unter den Augen des L. in dessen eigener Residenz seines geistlichen Amtes waltete, wurde nicht davon betroffen. Als aber L. [229] seine Quindecennalien feierte (11. Nov. 323), wagte man selbst im Gebiete Constantins, Christen zum Opfer zu zwingen (Cod. Theod. XVI 2, 5. Vgl. Seeck Regesten 98, 42).

Unterdessen wurde von beiden Seiten eifrig gerüstet, da der Krieg unvermeidlich schien. L. sammelte eine Flotte von 350 Schiffen, ein Heer von 150 000 Mann und 15 000 Reitern; Constantin hatte ihm nur 120 000 Mann und 10 000 Reiter entgegenzustellen, doch zu seiner Flotte von 200 Schlachtschiffen traten noch 2000 Transportfahrzeuge hinzu, weil der Krieg einen Übergang über den Bosporus nötig machen mußte (Zosim. II 22, 1. 2. Euseb. vit. Const. II 3, 2). Da L., um sein großes Heer zusammenzubringen, die Nordgrenzen entblößt hatte, brachen die Gothen über die Donau in die thrakische Diözese ein. Constantin schlug sie zurück und zwang sie, die Gefangenen zurückzugeben. Doch mußte er dazu mit Heeresmacht den Reichsteil seines Mitregenten betreten, und obgleich dies zu seiner eigenen Verteidigung geschehen war, sah L. darin einen Kriegsgrund. Nach wechselnden Verhandlungen, in denen er zeitweilig hohe Forderungen stellte, zeitweilig nachgiebiger schien, kam es 324 zum offenen Kriege (Anon. Vales. 5, 21. 22. Euseb. vit. Const. I 50. Über die Zeit vgl. Rhein. Mus. LXII 493. 517).

Am 3. Juli (CIL I² p. 268. Cod. Theod. VII 20, 1. Mommsen Chron. min. I 232) erzwang Constantin durch eine Kriegslist den Übergang über den Hebros und schlug L. bei Hadrianopolis so vollständig, daß 34 000 Mann fielen und, was nicht entfliehen konnte, zu ihm übertrat (Zosim. II 22, 3ff. Anon. Vales. 5, 24). Die Reste des Heeres sammelte L. in Asien (Zosim. II 24, 2), während er selbst mit dem kleineren Teil desselben in Byzantion von Constantin belagert wurde (Zosim. II 23, 1. 24, 2. Anon. Vales. 5, 25. Vict. epit. 41, 5). Die Stadt war nur zu nehmen, wenn man ihr die Zufuhren, die sie zur See empfing, abschnitt. Es war daher entscheidend, daß die Flotte[1] des L., nachdem sie dem Sohne Constantins Crispus im Hellespont ein unentschiedenes Gefecht geliefert hatte, durch einen Sturm beinahe vernichtet wurde. 130 Schiffe gingen unter, 5000 Seesoldaten ertranken; der Rest wurde von Crispus genommen (Zosim. II 23, 2ff. Anon. Vales. 5, 23. 25. 26). Jetzt floh L. mit seinen Schätzen und dem besten Teil der Besatzung von Byzanz nach Chalkedon hinüber (Anon. Vales. 5, 27. Zosim. II 25, 1. Vict. Caes. 41, 8).

Schon vorher hatte er seinen Magister officiorum Martinianus zum Augustus erhoben (s. den Art. Martinianus). Dieser wurde jetzt ausgeschickt, um den Hellespont zu bewachen, während L. selbst am Bosporus Constantin den Übergang nach Asien wehrte (Zosim. II 25, 2). Doch gelang ihm dieser durch eine Täuschung des Feindes, und L. blieb kaum noch die Zeit, die Truppen des Martinianus wieder an sich zu ziehen. Mit ihnen hatte er wieder 130 000 Mann vereinigt (Zosim. II 26), darunter ein gotisches Hilfskorps (Anon. Vales. 5, 27. Euseb. vit. Const. II 15). Doch wurde er am 18. Sept. 324 (Mommsen Chron. min. I 232), der später durch die Ludi triumphales alljährlich gefeiert wurde (CIL I² p. 272), bei Chrysopolis so gründlich geschlagen, [230] daß ihm nur noch 30 000 Mann von seinem großen Heere geblieben sein sollen (Zosim. II 26, 3); 25 000 waren gefallen, der Rest ergab sich Constantin (Anon. Vales. 5, 27. 28. Sokrat. I 4, 2. Zonar. XIII 1 p. 3 a). Jetzt öffneten ihm auch Byzanz und Chalkedon ihre Tore (Zosim. II 26, 3. Anon. Vales. 5, 27. Zonar. a. O.).

L. war mit dem geringen Teil seines Heeres, der mit ihm geflohen war, nach Nikomedeia gegangen, wo Constantin Anstalten machte, ihn zu belagern. Doch der Vermittlung seiner Schwester gelang es, für ihren Gatten zwar nicht, wie er noch immer gehofft hatte, den Thron, wohl aber das Leben zu retten. Constantin begnadigte ihn und zog ihn, um dem den auffälligsten Ausdruck zu geben, an seine Tafel. Als Aufenthaltsort wurde dem L. Thessalonike angewiesen, wo kurz vorher Constantin selbst gehaust hatte, also eine durchaus kaiserliche Residenz (Anon. Vales. 5, 28. 29. Zonar. XIII 1 p. 3 a. Zosim. II 28. Praxagoras bei Phot. cod. 62 p. 21 a. 32. Vict. epit. 41, 7. Sokrat. I 4, 3. Sozom. I 7, 5. Eutrop. X 6, 1). Doch wurde er für einen Tyrannen erklärt und alle seine Verfügungen aufgehoben (Cod. Theod. XV 14, 1; vgl. Rh. Mus. LXII 496). Von Thessalonike aus suchte er Verbindungen mit den Donaubarbaren anzuknüpfen (Sokrat. I 4, 4), die ihm schon bei seinem letzten Kriege Hilfsvölker geschickt hatten (Anon. Vales. 5, 27), um mit ihrer Hilfe den Thron zurückzugewinnen (Sokrat. a. O. Zonar. XIII 1 p. 3 b). Als dies entdeckt wurde, forderten die Soldaten Constantins tumultuarisch seine Hinrichtung (Anon. Vales. 5, 29. Zonar. a. O.). Doch dieser übertrug die Entscheidung dem Senat von Rom, der natürlich das Todesurteil sprach. Nach einer Quelle soll L. die Flucht in das serrische Gebirge, d. h. zu den Goten, versucht haben (Zonar. a. O.) und von diesen getötet sein (Iord. Get. 21, 111); die vorherrschende Überlieferung läßt ihn in Thessalonike hingerichtet werden (Zonar. a. O. Anon. Vales. 5, 29. Eutrop. X 6, 1. Zosim. II 28, 2. Sozom. I 7, 5). Dies geschah im J. 325 (Mommsen Chron. min I 232).

Seiner Regierung wird nachgerühmt, daß er den Eunuchen des Palastes keinen Einfluß gewährte, die militärische Disziplin streng aufrecht hielt, die Bauern vor Bedrückung schützte (Vict. epit. 41, 9. 10) und so auch zur Blüte der Städte beitrug (Liban. or. XXX 6). Andererseits sagte man ihm eine Geldgier nach, die weder vor Justizmorden und Konfiskationen noch vor Bedrückung der Untertanen zurückscheute (Vict. Caes. 41, 3; epit. 41, 8. Anon. Vales. 5, 22. Euseb. hist. eccl. X 8, 12; vit. Const. I 52. 55. III 1, 7. Iulian. or. I 8 b); selbst in Geschenken an die Soldaten soll er karg gewesen sein (Lact. de mort. pers. 46, 12). Die Wissenschaft, namentlich die Rechtskunde, die seiner Willkür Schranken gezogen hätte, verachtete er (Vict. epit. 41, 8), und hat berühmte Philosophen der Folter unterworfen (Vict. Caes. 41, 5). Vor allem aber wird seine zügellose Wollust gegeißelt; trotz seines hohen Alters soll kein Weib seines Reichsteils vor rohem Zwange sicher gewesen sein (Euseb. hist. eccl. X 8, 13; vit. Const. I 52. 55. Anon. Vales. 5, 22. Vict. epit. 41, 8).

J. Burckhardt Die Zeit Constantins d. Gr.², Leipzig 1880. O. Seeck Geschichte des [231] Untergangs der antiken Welt I³, Berlin 1910. Ein Fragment über seinen letzten Kampf gegen Constantin, das aber ziemlich wertlos ist, zuerst herausgegeben von J. Bidez Philostorg. Kirchengeschichte 178.

[Seeck. ]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS korrigiert: Fotte.