Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gotischer Volksstamm
Band VIII,1 (1912) S. 1150 (IA)–1167 (IA)
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Heruli, richtiger Eruli. Bezüglich der Namensform schwanken die lateinischen Schriftsteller zwischen Heruli, so Iord. Rom. 363; Get. 23. 117. 242. 261. Paul. Diac. hist. Lang. I 20, und Eruli, so Ammian. Marc., der XX 1, 3. 4, 2. XXVII 1, 6 u. ö. Aeruli hat, ferner Hist. aug. Claud. 6, 2. Claud. Mamertin. pan. 5; gen. 7. Cassiod. var. III 3. IV 2. 45 u. a. Von den Inschriften gibt eine Eruli: Notizie degli scavi, 1890 p. 171, eine andere Eroli: CIL V 8750; in zwei weiteren findet sich Heruli: Not. d. scavi, 1890 p. 170. 171. Bei den griechischen Schriftstellern haben wir bisweilen die aspirierte Form mit Umstellung des ρ und λ, nach dem Vorgange des Dexippos, der zuerst von allen antiken Historikern über die H. geschrieben hat und einen sehr eigentümlichen Versuch der Etymologisierung ihres Namens machte: Etym. M. ed. Gaisford 333 ἀπὸ τῶν ἐκεῖσε ἑλῶν Ἕλουροι κέκληνται. Δέξιππος ἐν δωδεκάτῳ χρονικῶν. Steph. Byz. s. Ἕλουροι· Ἕλουροι Σκυθικὸν ἔθνος, περὶ ὧν Δέξιππος ἐν χρονικῶν ιβ’; vgl. Iord. Get. 117. Zosim. I 42, 1, der Dexippos folgt (vgl. Rappaport Beiträge z. alten Geschichte I 427ff.) hat Ἑρούλους; bei Zonar. XII 24 findet sich Αἱρούλοις. Dagegen hat Syncell. I p. 717, 9. 720, 15 ed. Bonn. Αἴρουλοι. Procop. bell. Goth. II 14. 15 u. ö., unsere Hauptquelle für die Geschichte der H. gibt Ἔρουλοι, ebenso Agath. hist. I 11. 14. Menand. frg. 9 hist. gr. min. ed. Dindorf II p. 7 u. a. Der unaspirierten Form, Eruli, ist als der häufigeren und daher wohl regelmäßigen jedenfalls der Vorzug zu geben. Schon Zeuß Die Deutschen 476, 2 wies für die Bedeutung des Namens Eruli auf ags. eorl, altn. iarl (= ‚Mann‘, ‚vornehmer Mann‘) hin. Grimm Geschichte der deutschen Sprache I² 329 brachte das Wort H. auch mit got. hairus, [1151] alts. heru (= ‚Schwert‘) zusammen, so ebenfalls Dahn Urgeschichte der german. u. roman. Völker I 561. Schmidt Geschichte d. deutschen Stämme 333, 5. Grimm wollte die H. mit den bei Plin. n. h. IV 27 erwähnten Hirri identifizieren und ferner auch, nach dem Vorgang von Zeuß 476, mit den Suardones, die Tac. Germ. 40, und den Φαροδεινοί, die Ptolem. II 11, 13 nennt (vgl. auch Dahn Die Könige der Germanen II 1 und Seelmann Jahrb. d. Vereins f. niederd. Sprachforschung XII 28f. Müllenhoff Beovulf 31f. vertrat die Meinung, daß ‚der Name H. ein Kollektivbegriff‘ sei; hierzu Wietersheim-Dahn Geschichte der Völkerwanderung I 221).

Die Stammeszugehörigkeit der H. zur gotischen Gruppe der Ostgermanen ist unbestritten. Schon die alten Schriftsteller rechnen sie ausdrücklich zu den Goten: Zonar. XII 24 Αἱρούλοις Σκυθικῷ γένει καὶ Γοτθικῷ, und derselbe Seezug wird bald den Η., bald den Goten zugeschrieben (Rappaport Die Einfalle d. Goten 48, 5); auch die Eigennamen der H. weisen auf diese Zugehörigkeit hin.

Was die Stammsitze der H. angeht, so kommen nach den überlieferten Nachrichten nur die Ufer der Ostsee in Frage; dazu stimmt, daß sie gleich bei ihrem ersten Auftreten sich den Römern als wagemutige Seefahrer furchtbar machen, auch tritt der Einfluß des Meeres auf die Bildung des Volkscharakters bei ihnen deutlich hervor. Lediglich, ob wir am südlichen oder nördlichen Rande der Ostsee die ursprünglichen Sitze zu suchen haben, ist Gegenstand der Frage (die wichtigste neuere Literatur über die Urheimat der Germanen s. bei L. Schmidt Allgemeine Geschichte der germanischen Völker 18f.). Die herulische Stammsage läßt die H. durch die Dänen aus Skandinavien vertrieben werden: Iord. Get. 23 Dani … Herulos propriis sedibus expulerunt, qui inter omnes Scandiae nationes nomen sibi ob nimia proceritate affectant praecipuum. Hiermit ist die Tatsache zusammenzuhalten, daß ein Teil des Volkes nach seiner Besiegung durch die Langobarden um das J. 512 nach Skandinavien wanderte und sich hier an der Seite der Gauten niederließ (Procop. bell. Goth. II 15), was doch wohl darauf zurückzuführen ist, daß sich hier die Stammsitze der H. befanden (so Aschbach Geschichte der Heruler und Gepiden 8f. Strakosch-Graßmann Geschichte der Deutschen in Österreich-Ungarn I 250. Bremer Ethnographie der germanischen Stämme 834 und ihm folgend Schmidt Gesch. d. deutschen Stämme 334; vgl. auch Kossinna Indogermanische Forschung. VII 276ff. Loewe Die ethnische u. sprachliche Gliederung der Germanen, Halle 1899, 34f. 45; abweichend Müllenhoff Nordalbingische Studien I [1844] 124f. Über ähnliches Anrecht am Boden der alten Heimat bei den Vandalen s. Procop. bell. Vand. I 22; vgl. Seelmann Jahrb. XII 29ff.). Darnach hätten wir die Stammsitze der H. im südwestlichen Schweden, in den Landschaften Småland, Halland, Schonen und Bleckinge zu suchen (Loewe Die Reste der Germanen am Schwarzen Meer 31f. will ihre Sitze außerdem auch auf Jütland und Nordschleswig ausgedehnt wissen); aus diesen Sitzen müssen sie etwa um die Mitte des 3. Jhdts. von den Dänen vertrieben worden [1152] sein, denn bald darauf erscheinen die H. 267 am Pontus, 286 am Niederrhein (vgl. Bremer 834. Zeuß 470 setzt dagegen die Vertreibung durch die Dänen fälschlich in die Zeit von 466–484; ähnlich Aschbach 28. Müllenhoff Nordalbing. Studien I 112ff.; Beovulf 29ff. 49; Deutsche Altertumskunde IV 495. Much Beiträge zur Gesch. der deutsch. Sprache XVII 201).

Nach der Vertreibung der H. durch die Dänen haben wir zwei Hauptzweige jenes Volkes zu unterscheiden: die West-Η., die von der südlichen Ostseeküste aus zum Rhein vordringen, und ferner die Ost-Η., die zunächst zum Pontus gelangen. Dieser letztere, weit bedeutendere Zweig ist der eigentliche Träger der Geschichte der H., bei der sich zwei Höhepunkte, einmal zur Zeit der großen Seezüge des 3. Jhdts. und dann nach der Befreiung von der Herrschaft der Hunnen bis zum Kriege mit den Langobarden, erkennen lassen (beide Teile des Volkes zuerst scharf geschieden zu haben, ist das Verdienst Pallmanns Geschichte der Völkerwanderung II 45f.); daneben erfordert die hervorragende Rolle, die die H. als Söldner im Dienste der Römer gespielt haben, besondere Würdigung.

Was zunächst die West-Η. angeht, so müssen sie nach dem Verlassen ihrer ursprünglichen Sitze allmählich in Norddeutschland nach Westen bis in die Gegend des Niederrheins vorgerückt sein: der wohl aus dem Anfang des 4. Jhdts. stammende Laterculus Veronensis (Not. dign. ed. Seeck p. 251; vgl. Riese Geogr. lat. min. p. XXXIII) nennt H. neben Sachsen und Franken; auf dieselbe Gegend weist auch alles, was wir sonst von diesem Zweige der H. erfahren. Wir können übrigens beobachten, daß sie etwa 286 von der Ostseeküste her nach dem Westen vordringen: in diesem Jahre bedrohen sie in Gemeinschaft mit den Chaibonen Gallien und erleiden durch Kaiser Maximian eine empfindliche Niederlage (Mamertin. pan. 5; gen. 7); da Mamertinus pan. 5 von ihnen sagt: ‚Chaibones Erulique, viribus primi barbarorum, locis ultimi‘ und ferner die Chaibonen wohl im südöstlichen Holstein zu suchen sind (vgl. Zeuß 152), zeigt uns das die Gegend, aus der die H. bei ihrem Zuge nach dem Westen kamen. Auf diesen Feldzug Maximians geht wohl auch die Errichtung des Auxiliums der H. zurück (vgl. Mommsen Herm. XXIV 232, 4), eines der ältesten der zahlreichen aus Germanen errichteten Auxilia palatina des römischen Heeres. Es wird bezeichnenderweise häufig mit dem Auxilium der Bataver zusammen genannt und hatte wie dieses seinen Standort in Italien (Not. dign. occ. V 162. VII 13), und zwar in Concordia (CIL V 8750 vgl. p. 1059: Flavius seniorum. Not. degli scavi, 1890 p. 170: Fl. Sindia senator de numero Herulurum seniorum; p. 171: Fl. Batemodus ducenarius d. n. Erulorum seni.; p. 171: … d. n. Herulorum. Hariso magister primus de numero Erolorum). Der ganzen Kampfesweise der H. entsprechend gehörte dieser Truppenkörper zur leichten Infanterie. Ob Maximian bei seinen Vorstößen in das rechtsrheinische Germanien in den J. 288 und 291 bezw. 292 (Mamert. pan. 7; gen. 5. 7. 16. inc. pan. Max. et Const. 8. inc. pan. Const. 2; vgl. Seeck Untergang der antiken Welt I³ 443) mit den H. zusammentraf, [1153] ist nicht festzustellen. Das Auxilium der H. wird im Laufe des 4. Jhdts. mehrfach genannt. Im J. 366[1] focht es im Verein mit den Batavern unter Lupicinus gegen die Pikten und Skoten (Ammian. XX 1, 3), in demselben Jahre forderte Constantius die Entsendung der H. und Bataver für einen bevorstehenden Feldzug gegen die Perser (Ammian. XX 4, 2). Vitalian, Erulorum e numero miles, der es als Beamter vom Domesticus bis zum Comes gebracht hatte, wird zum J. 364 als in Illyrien tätig erwähnt. Anfang 366 nahmen diese H. unter Charietto an dem unglücklichen Kampfe gegen die Alamannen teil (Ammian. XXVII 1, 6. Zosim. IV 9; vgl. Sievers Studien zur Geschichte der römischen Kaiser, Berlin 1870, 275ff. Schiller Röm. Kaisergeschichte II 378, 4). 368 fochten sie wieder, unter Theodosius, siegreich gegen Pikten, Skoten und Attakotten bei London (Ammian. XXVII 8, 7). Späterhin wird der Numerus Erulorum nicht mehr genannt. Die sehr unklare Stelle Apoll. Sid. carm. VII 235f. erwähnt zwar die H. nebst vielen anderen Stämmen gelegentlich eines Feldzuges des Aetius gegen die Burgunden im J. 435, aber doch wohl nur, um des hier gefeierten Avitus Tüchtigkeit glänzend zu schildern; ob man daraus auf eine Hilfeleistung der H., mit Jahn Geschichte der Burgundionen I 344, schließen oder gar, mit Schmidt 345, eine Erwähnung ihres Auxiliums hier erblicken darf, erscheint mir höchst zweifelhaft.

Von dem Volke der West-Η. hören wir mehrfach, daß es Raubzüge ins römische Gebiet unternahm. Um das J. 409 scheinen sie im Verein mit anderen Stämmen Gallien heimgesucht zu haben (Hieron. ep. ad Ageruchiam vom J. 409 bei Migne L. 22, 1057). Etwa 456 plünderte eine Schar von 400 H. auf einer Piratenfahrt die Küsten von Galläcien und auf der Rückkehr die Seeplätze im Gebiete der Kantabrer und Varduler (Hydat. 171. Natürlich ist hier mit Lucense litus das Gebiet um Lucus Augusti in Galläcien gemeint, nicht etwa Lucca in Italien, wie Müllenhoff Beovulf 19 geglaubt hat); kurz darauf, ca 459 suchten sie wieder Galläcien heim und drangen sogar bis Baetica vor (Hydat. 194). Später scheint die wachsende Macht des Frankenreiches dem ziemlich unbedeutenden Zweig der West-Η. gefährlich geworden zu sein; darauf deutet hin, daß sie augenscheinlich, wie wohl auch Warnen und Thüringer, die Hilfe des Westgotenkönigs Eurich anriefen (466–484). Diese Tatsache ließe sich aus der ganz phrasenhaften Stelle des Apoll. Sid. ep. VIII 9, 31ff. allein kaum mit Sicherheit erschließen, wohl aber aus dem Brief, den Theoderich, der König der Ostgoten, an sie richtete: recolite namque Eurici senioris affectum, .... quotiens a vobis proximarum gentium imminentia bella suspendit Cassiod. var. III 3. Als zu Anfang des 6. Jhdts. die Gegensätze zwischen Westgoten und Franken sich zuspitzten, wandte sich Theoderich in dem eben erwähnten Schreiben an die Könige der einander wohl benachbarten Warnen, Thüringer und West-Η., seine Bemühungen zwecks Erhaltung des Friedens zu unterstützen. Daß dieser Brief an die West-Η., nicht aber an die Ost-H. gerichtet sein muß, ergibt sich daraus, daß hier [1154] einmal auf die Unterstützung der H. durch den Westgotenkönig Eurich und ferner auf die ihnen von den Franken drohende Gefahr hingewiesen wird (vgl. Seelmann Jahrb. XII 53f. Bremer 835. Schmidt 268, 5. 345, 8). Vielleicht, daß ein tatsächlich unternommener Interventionsversuch die Besiegung der West-Η. durch die Franken beschleunigt hat, wenigstens hören wir seit dieser Zeit von ihnen nichts mehr. (Die Vermutung, daß das Reich der West-Η. etwa in der Mark Brandenburg gelegen habe, eine Vermutung, die sich auf eine Glosse bei Adam von Bremen Heveldi vel Heruli [M. Germ. scr. VII 312 not. e] sowie auf das Vorkommen des Namens Harlungberg in Brandenburg stützt [so besonders Seelmann Jahrb. XII 54ff, Matthaei Ztschr. f. Deutsches Altertum XLIII 319f.], ist unhaltbar [bereits eingehend zurückgewiesen von Bolze De rebus Herulorum 38ff.; vgl. auch Schmidt 346]).

Weit bedeutender als die sehr wenig zahlreichen West-H. war der östliche Zweig des Volkes, der, aus der germanischen Heimat kommend, gegen das J. 267 an das Schwarze Meer gelangte (Loewe Die Reste der Germanen 167 läßt die Südwanderung der H. mit der der Goten gleichzeitig bald nach der Mitte des 2. Jhdts. beginnen). Daß die Sitze der Ost-Η. an der Maiotis lagen, scheint trotz der mit dieser Nachricht verknüpften völlig verfehlten Etymologie (s. o.) sicher, Iord. Get. 117 praedicta gens (sc. H.) .... iuxta Maeotida palude habitans; vgl. Etym. M. ed. Gaisford p. 333. Sync. p. 717 τότε καὶ Αἵρουλοι .... διὰ τῆς Μαιώτιδος λίμνης ἐπὶ τὸν Πόντον διαπλεύσαντες. Es war damals die Zeit der großen Einfälle der Goten und ihrer Nachbarn in das römische Reich, an denen nun auch die H. hervorragenden Anteil nahmen. Der große Zug des J. 267, der an Gefährlichkeit fast alle vorangegangenen übertraf, ging vornehmlich von den H. aus; sie traten bei dieser Gelegenheit zum erstenmal in den Gesichtskreis der Römer (vgl. für das Folgende Rappaport Die Einfälle der Goten 67–75): Syncell. p. 717 Τότε καὶ Λἴρουλοι πεντακοσίαις ναυσὶ διὰ τῆς Μαιώτιδος λίμνης ἐπὶ τὸν Πόντον διαπλεύσαντες τὸ Βυζάντιον καὶ Χρυσόπολιν κατέλαβον. ἔνθα συμβαλόντες μάχην καὶ μικρὸν ὑποτρέψαντες πρὸς τὸ στόμιον τοῦ Εὐξείνου Πόντου τὸ λεγόμενον ἱερὸν τῷ ἑξῆς αἰσίῳ καταπλεύσαντες πνεύματι τὸν πόρθμιον Κνζίκου μὲν πρῶτον μεγίστης πόλεως Βιθυνίας προσάγουσιν, εἶτα καὶ τὰς νήσους Λῆμνον καὶ Σκῦρον δῃοῦσι, καὶ εἰς τὴν Ἀττικὴν φθάσαντες ἐμπιπρῶσιν τὰς Ἀθήνας Κόρινθόν τε καὶ Σπάρτην καὶ τὸ Ἄργος καὶ τὴν ὅλην Ἀχαΐαν κατέδραμον, ἕως Ἀθηναῖοι κατά τινας δυσχωρίας ἐνεδρεύσαντες αὐτοὺς πλείστους ἀνεῖλον. Zonar. XII 24. Neben den H. waren vielleicht auch noch Goten am Zuge beteiligt: bei Zosim. I 39, 1. 40, 1 ist nur allgemein von Skythen die Rede; Hist. aug. Gall. 6, 1. 13; Claud. 6, 1 nennen ausdrücklich die Goten (vgl. dagegen Schmidt 69). Mit ihrer Flotte, die auf 500 Schiffe angegeben wird (Syncell. a. a. O.), fuhren die H. durch die Maiotis und den Pontus nach der Donaumündung. Da sie hier auf energischen Widerstand stießen (Hist. aug. Gall. 13, 6), segelten sie weiter und nahmen durch einen Handstreich Chrysopolis und Byzanz (Syncell. [1155] a. a. O.). Der römische Admiral Venerian besiegte sie in der zweiten Hälfte des J. 267, in einem Seegefecht, in dem er selbst fiel (Hist. aug. Gall. 13, 7. Syncell. p. 717. Auf den Sieg bezügliche Münzen bei Eckhel VII 394. Cohen 848. 849. Mionnet VI 457 nr. 3328). Nach anfänglichem Zurückweichen nahmen die H. dann infolge von Venerians Tod Kyzikos (Syncell. a. a. O.), wo sich ein Teil von ihnen festgesetzt zu haben scheint (die Theophanes p. 591 erwähnten Γοτθογραῖκοι hält Loewe Die Reste der Germanen 1ff. für Nachkommen der an diesem Zuge beteiligten H.). Es ist besonders bemerkenswert, daß die H. bei den beiden großen Seezügen, an denen sie beteiligt waren, vornehmlich die Stätten klassischer Kultur in Kleinasien und Griechenland heimgesucht haben. Sie durchfuhren damals den Hellespont, verheerten Lemnos und Skyros (Hist. aug. Gall. 13, 8. Syncell. p. 717), landeten dann in Attika, eroberten Athen (Dexipp. frg. 21 ed. Dindorf I 187, 28ff. Hist. aug. Gall. 13, 8. Anon. post Dion. V p. 226. Zosim. I 39, 1. Syncell. p. 717. Georg. Mon. p. 361 ed. Muralt. Leo Grammat. p. 78. Cedren I p. 454. Zonar. XII 26. III p. 150. Die vier Letztgenannten stimmen durchaus mit dem Anon. post Dion. [= Petrus Patricius] überein, auf den sie hier [nach Patzig Byz. Ztschr. V 26 durch Vermittelung der ‚Leoquelle‘] zurückgehen; sie setzen daher sämtlich die Einnahme Athens fälschlich unter Claudius) und bestürmten Eleusis (vgl. CIG I 401). Gleichzeitig verheerten sie verschiedene Punkte des Peloponnes, eroberten Korinth, Sparta, Argos, verwüsteten ganz Achaia (Hist. aug. Gall. 13, 8. Zosim. I 39, 1. Syncell. p. 717, 17; allgemeine Angaben bei Eutrop. IX 8 = Oros. VII 22, 7. Vict. 33, 3. Euseb.-Hieron. 2284) und scheinen auch Olympia heimgesucht zu haben (daß die Verzeichnisse des Kultpersonals von Olympia kurz vor diesem Einfalle abbrechen und nach demselben keine Fortsetzung erfahren haben, ist mit Recht mit diesem Ereignis in Zusammenhang gebracht worden; s. E. Curtius und Adler Olympia V. Berlin 1896, 137; wie sich auch ein Versiegen ähnlicher inschriftlicher Quellen in Athen seit der Einnahme durch die Germanen beobachten läßt; vgl. Dittenberger Hermes XX 40). Der Athener Dexippos (vgl. Rappaport 70) griff sie mit 2000 seiner Landsleute mehrfach an (Dex. frg. 21. Sync. p. 717); die nunmehr erscheinende römische Flotte, wohl unter dem Befehl des Cleodamus und Athenaeus stehend (vgl. Hist. aug. Gall. 13, 6. Zonar. XII 26. Rappaport 71), landete Truppen, die im Verein mit Dexippos die H. aus Attika vertrieben (Hist. aug. Gall. 13, 8. Syncell. p. 717. Zonar. XII 26). Die das Meer beherrschende römische Flotte zwang die Germanen zum Rückzug zu Lande, der durch Böotien, Epirus und Makedonien ging (Hist. aug. Gall. 13, 8). Am Nestos, auf der Grenze von Makedonien und Thrakien, schlug Gallien einen Teil von ihnen; 3000 H. sollen in diesem Kampfe gefallen sein (Hist. aug. Gall. 13, 9. 21, 5. Zosim. I 39, 1. Syncell. p. 717. Zonar. XII 24, ed. Dindorf III p. 143; vgl. Rappaport 72, 3); ihr Häuptling Naulobatus trat mit dem Rest als erster H. in römische Dienste und erhielt die Konsularinsignien (vgl. hierzu Rappaport 73, 1. Nicht richtig ist es, Naulobatus mit dem Anon. [1156] p. Dion. V p. 226. 227 ed. Dindorf erwähnten H. Andonoballus zu identifizieren; so Dessau Prosopogr. II 399 und Schmidt 71, 1; vgl. dagegen Loewe Anz. f. deutsch. Altert. XXXIII 261. Bang Die Germanen i. röm. Dienst, Berlin 1906, 92f. hat die Nachricht von dem Übertritt des Naulobatus in römischen Heeresdienst ohne rechten Grund angezweifelt). Die übrigen H. entkamen über das Rhodopegebirge nach der Heimat, beständig verfolgt von den Römern unter Marcian und dem späteren Kaiser Claudius (Hist. aug. Gall. 13, 10; Claud. 6, 1. 18, 1. Zosim. I 40, 1. 42, 1; vgl. Rappaport 73, 3. 74; über die Chronologie des Zuges ebd. 74ff.).

Hervorragend beteiligt waren ferner die H. an dem großen Einfall der Germanen unter Claudius: Hist. aug. Claud. 6, 2 denique Scytharum diversi populi Peuci, Grutungi, Austrogoti, Tervingi, Visi, Gipedes, Celtae etiam et Eruli praedae cupiditate in Romanum solum inruperunt atque illic pleraque vastaverunt. Zosim. I 42, 1 κατὰ τοῦτον τὸν χρόνον Σκυθῶν οἱ περιλειφθέντες, ἐκ τῶν προλαβουσῶν ἐπαρθέντες ἐφόδων, Ἑρούλους καὶ Πεύκας καὶ Γότθους παραλαβόντες καὶ περὶ τὸν Τύραν ποταμὸν ἀθροισθέντες, ὃς εὶς τὸν Πόντον εἰσβάλλει, ναυπηγησάμενοι πλοῖα ἑξακισχίλια καὶ τούτοις ἐμβιβάσαντες δύο καὶ τριάκοντα μυριάδας … Syncell. p. 720 πράττουσι δὲ καὶ ἐπὶ τοῦτον δυστυχῶς Αἴρουλοι πάλιν εἰσβαλόντες ναυτικὸν πλῆθος κατὰ διαφόρους τόπους τῆς Ῥωμαίων χώρας. καὶ ποτὲ μὲν ναυμαχίαις, ποτὲ δὲ καὶ χειμῶσι, ποτὲ δὲ καὶ λιμῷ πιεσθέντες, ὑφ’ οὗ καὶ κατασχεθεὶς ὁ αὐτὸς Κλαύδιος τελευτᾷ τὸν βίον. Bei diesem Zuge, der mehr als ein bloßer Raubzug war (so die Annahme fast aller Forscher außer Pallmann I 58ff. Schmidt 71f.) wird die Zahl der Teilnehmer auf über 300000 angegeben (Hist. aug. Claud. 6, 4. 8, 2. 4. Zosim. I 42, 1. Dexipp. frg. 24). Dem Auswanderungsversuch der zu Lande Ziehenden ging eine Piratenfahrt auf angeblich 2000 Fahrzeugen parallel (Hist. aug. Claud. a. a. O. Ammian. XXXI 5, 15), die wohl hauptsächlich von den H. bemannt waren (Syncell. p. 720). Frühjahr 269 (Euseb.-Hieron. 2286. Hydat. a. 269. Prosper a. 269; vgl. Rappaport 85, 3) nahm der Zug von der Mündung des Tyras seinen Ausgang. Die Römer hatten unterdessen umfassende Abwehrmaßregeln getroffen (Zosim. I 42, 2, vgl. CIG 3747. 3748). Während das Landheer Tomi und Marcianapolis vergeblich angriff (Hist. aug. Claud. 9, 3. Zosim. I 42, 1) und wohl auch Mösien verheerte (vgl. Hist. aug. Aurel. 39, 7. Eutrop. IX 15), erlitt die Flotte durch einen Sturm am Eingang des Bosporus schwere Verluste (Hist. aug. Claud. 9, 4. Zosim. I 42, 2, vgl. Syncell. p. 720. Zonar. XII 26); sie unternahm dann ergebnislose Angriffe auf Byzanz und Kyzikos, sowie ferner nach einem Aufenthalt am Athos, auch auf Kassandreia und Thessalonike (Hist. aug. Claud. 9, 7. Ammian. XXXI 5, 16. Zosim. I 43, 1. Zonar. XII, 26 III p. 150), von wo ein Teil der Flotte zu einer Raubfahrt nach dem Süden weiter zog. Unterdessen rückte Claudius, von Aquileia und Sirmium herkommend, auf der im Margustal aufwärts führenden Straße heran. Die Belagerer von Kassandreia und Thessalonike vereinigten sich nun mit dem Landheere (vgl. Rappaport 88). [1157] Der Vortrab des römischen Heeres, die dalmatinische Reiterei, wohl unter der Führung des späteren Kaisers Aurelian (Rappaport 86), unternahm zunächst, mit gutem Erfolge, einen Überfall auf die Germanen (Zosim. I 43, 2, vgl. Hist. aug. Claud. 11, 9); dann folgte der entscheidende Sieg des Claudius bei Naissus, wo 50000 Feinde gefallen sein sollen (Inc. pan. Const. Aug. 2. Iulian orat. I 6 d. Vict. 34, 5. Eutrop. IX 11. Euseb.-Hieron. 2287. Oros. VII 23, 1. Hydat. a. 269. Prosper a. 269. Cassiod. chron. a. 271. Iord. Rom. 288. Chron. Pasch. I p. 508 ed. Bonn. Isid. hist. Goth., Mon. Germ. a. a. IX p. 269. Anon. p. Dion. V p. 226. Zonar. XII 26; eingehendere Berichte bei Hist. aug. Claud. 8. 9. Zosim. I 43, 2, der allein I 45, 1 den Schlachtort nennt; vgl. auch Ammian. XXXI 5, 15. Münzen s. bei Eckhel VII 474. Cohen 308–310 Victoriae Gothic.; auf diesen Sieg beziehen sich wohl auch die Denkmäler in Megara [Le Bas-Foucart II 53] und Theben [CIG 1622]. Der Titel Gothicus max. ist zum erstenmal durch die Inschrift CIL III 4876 für Claudius bei dessen Lebzeiten erwiesen. Dagegen hat eine Münze Divo Claudio Gothico Eckhel VII p. 474. Cohen 53; die Münze mit Ger. Gothicus Eckhel VII 472 ist verdächtig. Ob eine Inschrift aus Cosa mit Gotico Germanico CIL XI 2635 auf Claudius oder Aurelian geht, läßt sich nicht entscheiden). Die nun nach Süden zurückweichenden germanischen Scharen (Zosim. I 45, 1) wurden energisch verfolgt, und diese Kämpfe zogen sich bis zum J. 270 hin; in den Haemus gedrängt, erlagen viele Germanen Hunger und Seuchen oder dem Schwerte der Römer (Hist. aug. Claud. 11, 3. 12, 1. Zosim. I 45. Syncell. p. 720. Zonar. XII 26. III p. 151); ein großer Teil ergab sich und wurde entweder in das römische Heer eingestellt oder als Kolonen in den verödeten Donauprovinzen angesiedelt (Zosim. I 46, 2. Hist. aug. Claud. 9, 4). Nur wenige versprengte Reste, die übrigens auf dem Rückmarsch nach Claudius’ Tod noch einen vergeblichen Angriff auf Anchialos und Nikopolis versuchten (Hist. aug. Claud. 12, 4. Ammian. XXXI 5, 16. Iord. Get. 108; hierauf scheinen sich Siegesmünzen des Quintillus zu beziehen: Cohen nr. 70–71; vgl. Markl Wiener numism. Ztschr. 1884, 373, 5), gelangten wieder in die Heimat (Hist. aug. Claud. 7, 6. Ammian. XXXI 5, 15). Von Thessalonike (s. o.) war ein Teil der Flotte nach Süden gezogen, wo sie Thessalien, Griechenland, Kreta, Rhodos, Kypern und Pamphylien heimsuchte, ohne aber diesmal feste Städte einnehmen zu können (Dexipp. frg. 23. Hist. aug. Claud. 12, 1. Ammian. XXXI 5, 16. 17. Zosim. I 43, 2. 46, 1; vgl. Moses von Chorene II c. 76). Die römische Flotte unter Probus vertrieb dann das Geschwader der H. (Zosim. I 44, 2; von Seekämpfen berichten auch Hist. aug. Claud. 12, 1. Inc. pan. Const. Aug. 2 p. 161 ed. Baehrens. Syncell. p. 720. Zonar. XII 26. III p. 151. Hierauf sowie auf den Untergang eines Teiles der feindlichen Flotte beziehen sich wohl die Münzen mit Neptuno Aug., Eckhel VII 472. Cohen 183. 184, sowie die alexandrinischen Kaisermünzen mit LB und Darstellungen des Neptun, Mionnet VI 470 nr. 3428. 3429; vgl. Rappaport 91, 1), das zum großen Teil die Heimat [1158] glücklich erreichte (Zosim. I 46, 1). Mit dem Siege des Claudius wurde den großen Einbrüchen der Germanen in die Osthälfte des Reiches für lange Zeit ein Ziel gesetzt. Nur einmal scheinen die H., wohl im Verein mit den Ostgoten, nach dem Tode Aurelians, vielleicht noch im J. 275, wieder einen Einfall in das römische Reich unternommen zu haben: Hist. aug. Tac. 13, 2. 3 et quoniam a Maeotide multi barbari eruperant, hos eodem consilio atque virtute compressit. ipsi autem Maeotidae ita se gregabant, quasi accitu Aureliani ad bellum Persicum convenissent, auxilium daturi nostris, si necessitas postularet. Zosim. I 63, 1 Τακίτου δὲ τὰ τῆς Ῥώμης ἀναδησαμένου βασίλεια καὶ τὴν ἀρχὴν ἔχοντος, Σκύθαι διὰ τῆς Μαιώτιδος λίμνης περαιωθέντες διὰ τοῦ Πόντου τὰ μέχρι Κιλικίας ἐπέδραμον. οἷς ἐπεξελθὼν Τάκιτος τοὺς μὲν αὐτὸς καταπολεμήσας ἐξεῖλεν, τοὺς δὲ Φλωριανῷ προβεβλημένῳ τῆς αὐλῆς ὑπάρχῳ παραδοὺς ἐπὶ τὴν Εὐρώπην ἐξώρμησεν. 64, 2 ὁ Φλωριανὸς … τὴν κατὰ τῶν ἐν Βοσπόρῳ Σκυθῶν νίκην ἡμιτελῆ καταλελοιπώς … Sie landeten am Phasis, überschwemmten dann Pontus, Galatien und drangen bis Kilikien vor; Kaiser Tacitus bekämpfte sie im Verein mit seinem Bruder Florian erfolgreich und überließ diesem dann die Beendigung des Kampfes (Hist. aug. Tac. 13, 2. 3. Zosim. I 63, 1. 64, 2, nach ihm Joh. Ant. frg. 157 ed. Müller IV p. 599. Job. Malal. XII p. 301. Zonar. ΧII 28, vgl. Ghotycus maximus CIL ΧII 5563; Victoria Gotthi Eckhel VII 498. Cohen 157–163; Victoria Gotthica Cohen 164). Florian ging gleichfalls mit Glück gegen H. und Goten vor, bis die Erhebung des Probus ihn zwang, den Kampf aufzugeben, so daß jene, Sommer 276, ungefährdet heimkehren konnten (Zosim. I 64, 2; die Auffassung Schmidts 78 von dieser Stelle erscheint mir nicht richtig. Loewe Die Reste der Germanen 16ff. nimmt an, daß auf diesem Zuge sich H. in Galatien niedergelassen hätten; vgl. dagegen Rappaport 103, 1).

Nach den Seezügen des 3. Jhdts. hören wir für lange Zeit nichts mehr von den Ost-Η., bis diese dann um die Mitte des 4. Jhdts. unter ihrem Könige Alarich mit dem ständig sein Reich ausdehnenden Könige der Ostgoten Ermanarich in Kampf gerieten und nach schweren Verlusten ihre Selbständigkeit aufzugeben gezwungen wurden: Iord. Get. 117. 118 Hermanaricus … non passus est nisi et gentem Herulorum, quibus praeerat Halaricus, magna ex parte trucidatam reliquam suae subigeret dicioni. nam praedicta gens, Ablavio istorico referente, iuxta Maeotida palude inhabitans in locis stagnantibus, quas Greci ele vocant, Eluri nominati sunt, gens quantum velox, eo amplius superbissima. nulla si quidem erat tunc gens, quae non levem armaturam in acie sua ex ipsis elegeret. sed quamvis velocitas eorum ab aliis crebro bellantibus evagaret, Gothorum tamen stabilitate subiacuit et tarditati, fecitque causa fortunae, ut et ipsi inter reliquas gentes Getarum regi Hermanarico servirent. Als bald darauf das Ostgotenreich unter die Herrschaft der Hunnen geriet, traf dies Schicksal damit zugleich auch die H., die aber ihre eigenen Könige behielten (Iord. Get. 261 nennt sie ausdrücklich unter den Völkern, die unter der Herrschaft der Hunnen standen; vgl. Paul. Diac. [1159] hist. Rom. XIV 2 = Historia miscell. XV 2); sie werden daher auch mit zahlreichen anderen germanischen Stämmen an den Zügen Attilas teilgenommen haben. Wohl um diese Zeit verschoben sich ihre Sitze weiter nach Westen. Die H. beteiligten sich dann nach Attilas Tod an dem großen Freiheitskampfe der bisher unterworfenen Germanen gegen die Hunnen, zu dem der Gepidenkönig Ardarich das Zeichen gab; nach dem Siege am Flusse Nedao (?) in Pannonien gewannen sie ihre Freiheit zurück (Iord. Get. 259–263). Nach dem Sturze der Hunnenherrschaft saßen die H. wohl nördlich des Donaukniees, wo im Westen die Rugier und Turkilingen, im Norden die Langobarden, im Südwesten die Ostgoten ihre Nachbarn waren. Die spätestens dem 5. Jhdt. angehörige Kosmographie des Iulius Honorius 26 (ed. Riese Geogr. min. 40) nennt sie zwischen Markomannen und Quaden. (Daß Teile der H. in den früheren Sitzen an der Maiotis zurückgeblieben seien und von ihnen die später hier erwähnten Tetraxiten und Eudusianer sich herleiten, nimmt Loewe Reste 29–35 an; vgl. Procop. bell. Goth. IV 5. Ihnen gehörte dann wohl auch der 469 verstorbene Τιμόθεος ὁ ἐπίκλην Αἴλουρος, Bischof von Alexandria, an. Euagrius hist. eccl. II 8. Liberatus breviarium causae Nestorianorum et Eutychianorum 15 Migne L. 68. 1017f. Theophanes p. 170. 194 ed. Bonn; vgl. Gelzer Jahrb. f. protest. Theologie X 318f. Loewe 211f.). Im J. 469 scheinen sie mit den ihnen benachbarten Stämmen an einem Kampfe gegen die Ostgoten teilgenommen zu haben (so Schmidt 132 nach Iord. Get. 277ff.). Eine ganz hervorragende Rolle haben die H. bei dem Sturz des weströmischen Reiches gespielt; in dem italischen Heere Westroms bildeten sie neben Skiren und Turkilingen den Hauptbestandteil: Iord. Get. 242 Odoacer Torcilingorum rex habens secum Sciros, Herulos diversarumque gentium auxiliarios Italiam occupavit. Rom. 344. Paulus Diac. hist. Rom. XV 8 = Hist. miscell. XVI 9. (Zeuß 489); daher wird auch den H. Odawakars Erhebung zugeschrieben und dieser selbst als König der H. bezeichnet (Auct. Haun. a. 476. 487 Mon. Germ. a. a. IX 309. 313). Sie fochten unter ihm gegen die Rugier (Paulus Diac. hist. Lang. I 19) und beteiligten sich besonders an der Verteidigung von Ravenna (Anon. Vales. 54. Cassiod. chron. a. 491. Fasti Vindob. a. 491. Auct. Haun. a. 491 Mon. Germ. a. a. IX 318, 319; vgl. Ennodius pan. Theod. 53: quid Herulorum agmina fusa commemorem), konnten aber das Geschick Odowakars nicht wenden. Als Theoderich mit diesem zugleich auch seine Truppen niedermetzeln ließ, werden die H. deren Schicksal geteilt haben (Anon. Vales. 56. Für die Annahme von Strakosch-Graßmann I 249, daß diese H. ‚während der ganzen Dauer der Ostgotenherrschaft in Italien im Lande geblieben‘ seien, fehlt jede Handhabe; Paulus Diac. hist. Lang. II 3 ist hierfür nicht zu verwerten, da bei ihm die Vorstellung herrscht, daß Odowakar einst an der Spitze der H. und anderer Völker zur Eroberung Italiens ausgezogen sei).

Unterdessen hatte das Reich der H. an der Donau, die wohl um diese Zeit durch Zuzug aus der Heimat verstärkt wurden, einen bedeutenden [1160] Aufschwung genommen; der Ausgang des 5. und der Anfang des 6. Jhdts. ist die Zeit des Höhepunktes ihrer Macht. Als die Ostgoten in den siebziger Jahren des 5. Jhdts. Pannonien geräumt hatten, beginnen die H., wie auch ihre Nachbarn, sich dieses Landes zu bemächtigen (Paul. Diac. hist. Rom. XV 8 = Hist. miscell. XVI 9: Odovacer cum fortissima Herolorum multitudine fretus insuper Turcilingorum sive Scirorum auxiliis Italiam, ab extremis Pannoniae finibus properare contendit; vgl. Eugipp. v. Sev. 7) und suchten die angrenzenden römischen Gebiete heim. So unternahmen sie Plünderungszüge in Pannonien (Ennod. v. Antonii 12. 13 Mon. Germ. a. a. VII 186f.), ca. 480 eroberten und plünderten sie Ioviacum, wohl das heutige Schlögen in Oberösterreich (Kubitscheck Ber. über die Fortschritte der römisch-germanischen Forschg. 1906/7, 129 vermutet in Ioviacum einen Ort zwischen Engelhartszell und Aschach. Vgl. Eugippius v. Sev. 24. Salzburg wurde damals nicht von den H. erobert, wie Wiedmann Geschichte Salzburgs I 43f. behauptet). Allmählich gelang es den H., ihrem Reiche eine bedeutende Ausdehnung zu geben und die meisten Nachbarn sich zu unterwerfen: für die Langobarden, die damals zwischen Donau und Theiß saßen, kann das trotz des Schweigens bei Paulus Diaconus (hist. Lang. I 20) als sicher gelten, für Turkilingen, Skiren und andere Stämme läßt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten (Procop. b. G. II 14; vgl. Schmidt 336); als die Rugier 488 von Odowakar aus Ufernorikum vertrieben und die Provinzialen von dort weggeführt wurden, scheinen sich die H. auch dieses Gebietes bemächtigt zu haben (Pallmann Völkerwanderung II 63f.). Theoderich erkannte die Bedeutung des Reiches der H. wohl und adoptierte ihren König Rodulf durch Waffenleihe als seinen Sohn (Cassiod. var. IV 2). Kurz darauf, in den ersten Jahren des 6. Jhdts., brach eine vernichtende Katastrophe über das blühende Reich herein: die von den Η. aufs äußerste herausgeforderten Langobarden erhoben sich unter ihrem Könige Tato und schlugen Rodulf in einer gewaltigen Schlacht, in der dieser mit vielen seiner Leute den Tod fand. Die sagenhafte Ausschmückung, die das Ereignis früh erfahren, spricht für den tiefen Eindruck, den es hervorrief. Diese Schlacht bedeutet das Ende des großen H.-Reiches und das Aufkommen der langobardischen Macht (Proc. bell. Goth. II 14. Origo gentis Langob., Mon. Germ. leg. IV 643. Paulus Diac. hist. Langob. I 20; vgl. praef. ad edictum Rothari. Die Schlacht fällt unter die Regierung des Kaisers Anastasius, also später, als das J. 491, aber einige Zeit vor das J. 512, wo ein Teil der besiegten H. auf römisches Gebiet übertrat). Theoderich verhielt sich an scheinend neutral und begnügte sich, einzelne flüchtige H. gastlich aufzunehmen (Cassiod. var. IV 45). Die H. wichen zunächst vor den siegreichen Langobarden in das frühere Gebiet der Rugier zurück, konnten sich aber in dem gründlich verwüsteten Lande nicht lange halten und zogen weiter zu den Gepiden an die untere Theiß, unter deren Schutz sie sich ansiedelten. Da aber die Gepiden ihre Schutzbefohlenen so schlecht behandelten, daß es schließlich zu offenen Feindseligkeiten [1161] zwischen beiden kam (Procop. bell. Goth. II 14), ging ein Teil des herulischen Volkes im J. 512 über die Donau und nahm mit Genehmigung des Kaisers Anastasius auf römischem Gebiet in Illyricum seinen Wohnsitz: Procop. bell. Goth. II 14, 28 ἅπερ Ἔρουλοι φέρειν τὸ λοιπὸν οὐχ οἷοί τε ὄντες Ἴστρον τε ποταμὸν διαβαίνουσι καὶ τοῖς ἐκείνῃ Ῥωμαίοις προσοικεῖν ἔγνωσαν, Ἀναστασίου τὴν αὐτοκράτορος ἀρχὴν ἔχοντος; bell. Goth. II 15, 1 ἥνικα Ἔρουλοι Λαγγοβαρδῶν ἡττηθέντες τῇ μάχῃ … οἱ μὲν αὐτῶν … ᾠκήσαντο ἐς τὰ ἐν Ἰλλυριοῖς χωρία, οἱ δὲ δὴ ἄλλοι Ἴστρον ποταμὸν διαβαίνειν οὐδαμῆ ἔγνωσαν. Marcell. chron. a. 512, Mon. Germ. a. a. XI 98 gens Herulorum in terras atque civitates Romanorum iussu Anastasii Caesaris introducta. Euagrius hist. eccl. V 24. Ein anderer Teil der H. dagegen wollte in stolzem Unabhängigkeitssinn den Übertritt auf römisches Gebiet nicht mitmachen, sondern kehrte auf einem abenteuerlichen Zuge von Südungarn aus nach der alten Heimat in Skandinavien zurück, wo er sich an der Seite der Gauten niederließ: Procop. bell. Goth. II 15 Ἔρουλοι … oἱ δὲ δὴ ἄλλοι Ἴστρον ποταμὸν διαβαίνειν οὐδαμῆ ἔγνωσαν, ἀλλ’ ἐς αὐτάς που τὰς ἐσχατιὰς τῆς οἰκουμένης ἰδρύσαντο· οὕτω γοῦν πολλῶν ἐκ τοῦ βασιλείου αἵματος ἡγουμένων σφίσιν ἤμειψαν μὲν τὰ Σκλαβηνῶν ἔθνη ἐφεξῆς ἅπαντα, ἔρημον δὲ χώραν διαβάντες, ἐνθένδε τολλὴν ἐς τοὺς Οὐάρνους καλουμένους ἐχώρησαν. μεθ’ οὓς δὴ καὶ Δανῶν τὰ ἔθνη παρέδραμον, οὐ βιαζομένων σφᾶς τῶν τῇδε βαρβάρων. ἐνθένδε τε ἐς ὠκεανὸν ἀφικόμενοι ἐναυτίλλοντο, Θούλῃ τε προσχόντες τῇ νήσῳ αὐτοῦ ἔμειναν … ὧν ἔθνος ἓν πολυάνθρωπον οἱ Γαυτοί εἰσι, παρ’ οὓς δὴ Ἔρουλοι τότε οἱ ἐπηλύται ἱδρύσαντο (über Funde oströmischer Münzen, die mit dieser Rückwanderung in Zusammenhang gebracht werden, vgl. Strakosch-Graßmann I 271).

Wo die H. in Illyricum als Foederati zunächst angesiedelt wurden, läßt sich nicht genau sagen. Als sie sich in ihren neuen Sitzen auf römischem Gebiet schwere Übergriffe erlaubten, mußte Anastasius mit Waffengewalt gegen sie vorgehen und brachte ihnen eine schwere Niederlage bei; als sie nunmehr Besserung gelobten, wurde das alte Verhältnis wiederhergestellt (Proc. bell. Goth. II 14). Die Beziehungen der Oströmer zu den H. gestalteten sich erst dauernd günstiger, als letztere vom Kaiser Iustinian neben reichen Soldzahlungen neue bessere Wohnsitze erhielten. Diese lagen in einem Gebiet, das die Römer erst kurz zuvor den Goten entrissen hatten, in Pannonia Secunda südlich von Sirmium an der Sau (Proc. bell. Goth. II 14 ἐπεὶ δὲ Ἰουστινιανὸς τὴν βασιλείαν παρέλαβε χώρᾳ τε ἀγαθῇ καὶ ἄλλοις χρήμασιν αὐτοὺς δωρησάμενος ἑταιρίζεσθαί τε παντελῶς ἴσχυσε. Menander frg. 9 ἐς τὴν Ἐλούρων χώραν, ἔνθα πρὸ τοῦ ᾤκουν οἱ Ἔλουροι· δευτέρα δὲ προσαγορεύεται Παιονία) und in dem südlich von der Donau sich erstreckenden Dakien um Singidunum herum (Proc. bell. Goth. I 15, 30 Ἔρούλοις τοῖς ἀμφὶ Σιγγιδόνον. III 33, 13 καὶ ἄλλα μέντοι Δακίας χωρία δόντος βασιλέως ἔσχον ἀμφὶ πόλιν Σιγγιδόνον, οὗ δὴ ἵδρυνται νῦν. Vgl. Müllenhoff D. Α. II 95, 2). Auch jetzt haben die Η. Plünderungszüge nicht ganz unterlassen, und Illyrien sowie Thrakien wurden noch mehrfach von ihnen heimgesucht (Procop. bell. [1162] Goth. III 33, 13. 14. Iord. Rom. 363), aber im ganzen fanden sie sich doch allmählich in geordnete Verhältnisse (Procop. bell. Goth. II 14, 34 τὴν δίαιταν ἐπὶ ἡμερότερον μεταβαλόντες). Vor allem aber erreichte Iustinian, was er und Anastasius mit der Ansiedelung der H. erstrebt, und was sie bewogen hatte, ihnen gegenüber immer wieder Nachsicht zu üben, nämlich deren hervorragende kriegerische Tüchtigkeit der römischen Sache dienstbar zu machen. Procop betont das ausdrücklich (bell. Goth. II 14, 34 καὶ Ῥωμαίοις κατὰ τὸ ξυμμαχικὸν τὰ πολλὰ ἐπὶ τοὺς πολεμίους ξυντάσσονται, ebenso III 33, 13), und die zahlreichen Einzelnachrichten, die er uns überliefert hat, lassen uns klar erkennen, welche bedeutende Rolle die H. als Söldner im Dienste Ostroms gespielt haben. Auf die Sitten der H. scheint auch ihre nunmehr endlich erfolgte Christianisierung nicht ohne Einfluß geblieben zu sein (Procop. bell. Goth. II 14 und danach Euagr. hist. eccl. IV 24). Mit einem Teil des Volkes trat der Häuptling Gretes 528 in Konstantinopel zum Katholizismus über, wodurch der Kaiser ihn besonders fest an sich kettete (Joh. Malalas p. 427f. ed. Bonn. Theophan. chron. a. m. 6020 p. 174f. ed. de Boor. Hist. misc. XVIII 1); dagegen bekannte sich die Hauptmasse der H., wie die anderen Donaugermanen, zum Arianismus, was später zu Konflikten mit den Römern führte (Procop. bell. Vand. II 14. Vgl. Strakosch-Graßmann Ι 2181f. Die Vermutung Loewes 210f., daß die H. sich bald nach den Raubfahrten des 3. Jhdts. zum katholischen Glauben bekehrt, ihr Christentum aber wieder verloren hätten, ist wenig wahrscheinlich). Diese religiöse Spaltung scheint auch die politische, in eine römische und eine nationale Partei, die wir bald hervortreten sehen, beschleunigt zu haben (vgl. über ähnliche Verhältnisse bei den Westgoten Eunapius frg. 60 in Hist. gr. min. ed. Dindorf. Zosim. IV 56. Dahn Urgeschichte I 337). Auf solche Gegensätze ist wohl die Revolution gegen den König Ochus zurückzuführen, die den Tod des Königs und die Abschaffung der Monarchie zur Folge hatte (Procop. bell. Goth. II 14. Vgl. Zeuß 482. Strakosch-Graßmann I 252ff.). Die hieran sich schließenden Ereignisse lassen uns einen Blick in die inneren Zustände des H.-Volkes tun und sind zugleich recht bezeichnend für ihr Verhältnis zu den Römern. Sehr bald ergab sich für die H. die Unmöglichkeit, ohne König auszukommen, und so entschlossen sie sich, aus dem alten Königsgeschlecht, das mit einem Teil des Volkes nach Skandinavien zurückgekehrt war, einen neuen König zu holen. Unterdessen war Iustinian bemüht gewesen, die römische Partei in seinem Sinne zu beeinflussen, und diese bat ihn ihrerseits um Entsendung eines Königs. Iustinian schickte Swartwa, einen H., der schon längere Zeit in Konstantinopel gelebt hatte und nun bei seinen Landsleuten bereitwillige Anerkennung fand (Procop. bell. Goth. II 14. 15). Als inzwischen Datius, den die herulische Gesandtschaft in Skandinavien zum Könige gewählt, mit seinem Bruder Aordus und 200 jungen H. sich den Grenzen näherte, sah sich Swartwa, der dem neuen Könige entgegentreten wollte, von allen verlassen und floh nach Konstantinopel. Da Iustinian eine solche Behandlung seines Schützlings unmöglich ruhig [1163] hinnehmen konnte, machte er Miene, Swartwa mit Gewalt wiedereinzusetzen (Procop. bell. Goth. II 15). Da entschloß sich die national gesinnte Partei der H., die etwa 3000 Krieger zählte, das römische Gebiet zu verlassen und sich jenseits der Donau wieder bei den Gepiden anzusiedeln, ein anderer Teil des Volkes, die römisch gesinnte Partei, blieb im Gebiete Ostroms (Procop. bell. Goth. II 15 und III 34, 42. 43. Trotz letzterer Stelle bei Procop, nach der die römische Partei nur 1500 Krieger gezählt zu haben scheint, wird man zu der Annahme kommen, daß der größere Teil des Volkes auf römischem Boden zurückblieb, da er 552 außer anderen Streitkräften über 3000 Reiter im Dienste Ostroms nach Italien sandte [Procop. bell. Goth. IV 26]. Daß zwischen 545, wo etwa die Trennung erfolgte, und 552 so bedeutende Verstärkungen aus der skandinavischen Heimat eingetroffen seien, ist allzu unwahrscheinlich; vgl. dagegen Strakosch-Graßmann I 254. Schmidt 340. 348). Auf die Wiedereinsetzung Swartwas scheint Iustinian verzichtet zu haben, entschädigte ihn vielmehr durch ein Kommando über die Truppen von Byzanz und verwandte ihn in hervorragenden Führerstellen (Procop. bell. Goth. IV 25, 11); als Herrscher der um Singidunum zurückgebliebenen H. wird bald nachher, um 550, Filemuth genannt (Procop. bell. Goth. III 39, 10, vgl. III 34, 42). Kurz nach der Spaltung der H. brach, 548, ein Krieg zwischen Gepiden und Langobarden aus, und letztere wurden durch ein römisches Heer unterstützt, bei dem sich 1500 H. unter Filemuth befanden; eine Abteilung des römischen Hilfsheeres stieß auf eine Schar der als Verbündete der Gepiden fechtenden H.; diese wurden größtenteils vernichtet, auch des Königs Bruder Aordus fiel (Procop. bell. Goth. III 34). Gebrochen war ihre Kraft auch jetzt noch nicht (s. Procop. bell. Goth. III 34, 46 zum J. 548: δειμαίνοντες οἱ στρατηγοὶ μὴ Γήπαιδές τε καὶ Ἔρουλοι καταθέοντες τὴν Ἰλλυριών ληΐσωνται χώραν), aber seitdem hat man von dem zu den Gepiden ausgewanderten Zweig der H. nichts mehr gehört; er wird wohl nach der Zerstörung des Reiches der Gepiden mit diesen zu Grunde gegangen sein. Der im römischen Gebiet zurückgebliebene Teil der H. saß noch ca. 550 um Singidunum: Procop. bell. Goth. III 33, 13 καὶ ἄλλα μέντοι Δακίας χωρία δόντος βασιλέως Ἔρουλοι ἔσχον ἀμφὶ πόλιν Σιγγιδόνον, οὗ δὴ ἵδρυνται νῦν. Bald darauf müssen sie diese Sitze geräumt haben, vielleicht um 552, als Filemuth mit mehr als 3000 Η., wohl im wesentlichen dem gesamten Volksaufgebot, in römischen Diensten nach Italien zog. Etwa 562 ging bereits Iustinian mit dem Plane um, die Avaren in den früheren Sitzen der H., in Pannonia Secunda, anzusiedeln (Menander frg. 9. Schmidt 340). Seit der Mitte des 6. Jhdts. verschwinden die H. als Volk aus der Geschichte; auch von dem nach der skandinavischen Heimat zurückgewanderten Teil hören wir nichts mehr, er wird unter den Gauten aufgegangen sein. Nur als Söldner im Dienste von Byzanz haben die Ost-Η., wie auch schon vorher, noch eine und zwar sehr bedeutsame Rolle gespielt.

Eine Schilderung der H. wäre unvollständig, würde ihrer Tätigkeit als Söldner im Dienste Roms nicht besonders gedacht: kaum ein anderer [1164] germanischer Stamm hat von seinem ersten Erscheinen in der Geschichte bis zu seinem Untergange in den Kriegen des römischen Reiches so vielfache Verwendung gefunden wie sie (vgl. Iord. Get. 118). Über die Rolle, die die aus den West-Η. sich rekrutierenden Eruli seniores als römischer Truppenkörper gespielt, s. o. Von den Ost-H. trat Naulobatus bereits 267 in römische Dienste (o. S. 1154); ihnen gehörten auch die herulischen Soldtruppen an, die zur Zeit Odawakars einen so wesentlichen Teil des weströmischen Heeres bildeten (s. o. S. 1159). Erst Iustinian aber gelang es durch seine geschickte Diplomatie, dauernd den größten Teil der Kräfte der H. seinen Zwecken dienstbar zu machen (s. o.), und an den unter seiner Regierung geführten Kriegen haben sie sehr bedeutenden Anteil genommen (vgl. hierfür besonders Aschbach 42ff. und Schmidt 340ff., ferner auch Seeck Ztschr. d. Savigny-Stift. Germ. Abt. X 97ff.). Sie bildeten nicht, wie die Eruli seniores, einen römischen Truppenkörper oder, wie die Söldner zur Zeit Odowakars, einen Bestandteil des römischen Heeres, sondern traten auf Grund des Föderativverhältnisses oder besonderer Soldverträge als selbständige Kontingente unter eigenen Stammesführern auf. Über ihre Teilnahme an den Perserkriegen unter Iustinian liegen nur kürzere Nachrichten vor. Unter Belisars Oberleitung nahmen 300 H. unter ihrem Führer Fara am ersten Kriege mit den Persern teil und entschieden durch ihr Geschick und ihre Tapferkeit im J. 530 die Schlacht bei Dara in Mesopotamien (Procop. bell. Pers. I 13, 14); dieselbe Truppe war wohl auch 532 an der Niederwerfung des Nikaaufstandes in Konstantinopel beteiligt (Procop. bell. Pers. I 24; vgl. Aschbach 44). 539 fochten herulische Reiter in einem Kampfe gegen die Armenier mit (Procop. bell. Pers. II 3). 542 kämpften zum zweitenmal H. unter Belisars Führung gegen die Perser (Procop. bell. Pers. II 21), im folgenden Jahre bot Belisars Nachfolger Narses noch stärkere herulische Streitkräfte unter Filemuth und Verus auf, die bei einer Niederlage des Narses schwere Verluste erlitten (Procop. bell. Pers. II 24. 25). In den J. 550–552 nahm der H.-Führer Uligang an Kämpfen gegen die Abasgen am Kaukasus und in Kolchis gegen die Perser teil (Procop. bell. Goth. IV 9, 13. Agathias III 6).

Bedeutender war die Rolle, die H. im Kriege Belisars gegen die Vandalen in Afrika gespielt: zwar befanden sich nur 400 H. unter Fara im römischen Heere (Procop. bell. Vand. I 11. II 4), aber seiner hervorragenden Tüchtigkeit gelang es, Gelimer 534 zur Kapitulation zu zwingen und damit den Feldzug zu entscheiden (Korrespondenz zwischen Fara und Gelimer! vgl. Procop. bell. Vand. II 6. 7). Ihr arianisches Glaubensbekenntnis verwickelte dann die H. in eine Meuterei gegen die Römer (Procop. bell. Vand. II 14. 17).

Weitaus am bedeutsamsten aber ist die Teilnahme der H. an der Unterwerfung des Ostgotenreiches in Italien gewesen. 539 zogen 2000 H. unter Wisand, Aluith und Fanitheus mit Narses zur Unterstützung Belisars nach Italien (Procop. bell. Goth. II 13, 18), wo Fanitheus vor Caesena fiel (Procop. bell. Goth. II 19, 20). Nach Narses’ Rückberufung machten die H. ihren [1165] Frieden mit den Goten, änderten dann aber doch ihren Entschluß und stellten sich wieder den Römern zur Verfügung. Wisand blieb in Italien, wo er 540 vor Treviso fiel (III 1), Aluith und Filemuth, der an Fanitheus’ Stelle getreten war, zogen nach Byzanz (II 22). Späterhin, Anfang 546, kamen starke herulische Soldscharen, die Narses wiederum für den Krieg in Italien angeworben, nur gegen die in Thrakien eingedrungenen Slaven zur Verwendung (III 13), ebensowenig gelangte Filemuth, als er 549 abermals mit seinen Truppen aufgeboten wurde, nach Italien (III 39). Erst 552 zogen mehr als 3000 H. unter Filemuth und Aruth mit Narses in den Krieg gegen die Ostgoten (IV 26; vgl. IV 30), wo sie besonders am Kampfe bei Busta Gallorum (IV 31), am Sturm auf Rom (IV 33) und sodann an der Schlacht am Vesuv (IV 34f.) teilnahmen. Filemuths Nachfolger Fulkaris fiel 552 mit einem Teile seines Heeres bei Parma gegen die in Italien eingedrungenen Franken und Alamannen (Agathias I 11. 14. 15; vgl. I 16). 553 entschied in der Schlacht am Casilinus (Volturno) bei Capua Sinduald mit seinen H. den Kampf gegen die Alamannen zu Gunsten der Römer (Agathias II 7–9). Ein Versuch dieses Sinduald, nach dem Vorbilde Odowakars sich zum Herrscher Italiens aufzuwerfen, wurde von Narses sofort, 566 oder 567, unterdrückt und Sinduald hingerichtet (Marius chron. a. 566. 568. Exc. Sangall. a. 567. Paulus Diaconus hist. Lang. II 3; vgl. Euagrius h. e. IV 24. Euagrius V 4 legt Iustin II. den inschriftlich nicht bezeugten Titel Ἐρουλικός bei). Seitdem werden die H. in der Geschichte nicht mehr genannt. (Daß die H. zur Zeit Sindualds in größerer Zahl in Tirol gesessen und auf die Gestaltung der dortigen Bevölkerung nicht ohne Einfluß geblieben seien, vermutet Egger Archiv f. österr. Geschichte XC 214ff.).

Über die inneren Verhältnisse bei den H. sind wir infolge der vielfachen Berührung, in die sie mit den Römern traten, etwas näher unterrichtet. Bezeichnend für sie ist die Tatsache, daß sie in den Stürmen der Völkerwanderung zäher an den altgermanischen Einrichtungen und Sitten festgehalten haben als andere Stämme. So ist die Macht des Königtums bei ihnen gering geblieben (vgl. Tac. Germ. 7. 44; ann. ΧΙIΙ 54 in quantum Germani regnantur), wie das bei dem Aufstand gegen Ochus (s. o.) und anderen Gelegenheiten hervortritt; der Wille des Volkes erscheint als maßgebend (bes. Procop. bell. Goth. II 14; vgl. Dahn Könige II 12ff.). Neben dem Könige steht ein starker, selbstbewußter Adel (so Procop. bell. Vand. II 3 καὶ ἡμεῖς οὐκ ἐξ εὐπατριδῶν γεγονότες βασιλεῖ νῦν ὑπηρετεῖν αὐχοῦμεν), dessen vielfach erwähnte Angehörige besonders als Führer der im Dienste Ostroms stehenden Soldtruppen eine Rolle spielen und bisweilen wohl auch auf eigene Faust Politik treiben (vgl. z. B. das Verhalten des Gretes). Gefolgsmannen erscheinen bei Königen (Procop. bell. Goth. II 15) und Edlen (Agathias I 15). Neben der aus Gemeinfreien bestehenden Masse des Volkes finden sich auch zahlreiche rechtlose Knechte (Procop. bell. Pers. II 25. Agathias II 7; vgl. Tac. Germ. 25). Die hervorragende Gewandtheit der H. (s. bes. Iord. Get. 118. Apoll. Sid. carm. VII 236 vincitur [1166] illic cursu Herulus) im Verein mit ihrer Tapferkeit sowie ihre Kriegs- und Abenteurerlust machten sie zu Söldnern im Dienste Roms besonders geeignet, wo sie teils als leichtes Fußvolk (Iord. Get. 118. 261), teils als Reiter fechten. Ihrer Taten als kühner Seefahrer ward oben mehrfach gedacht. Über ihre leichte Bekleidung im Kampfe und das Fehlen fast aller Schutzwaffen s. Procop. bell. Pers. II 25. Paul. Diac. hist. Lang. I 20 (vgl. Tac. Germ. 6; hist. II 22 cohortes Germanorum … more patrio nudis corporibus); ihre Hauptwaffe war wohl das Schwert (s. Mauricius strateg. XII 4 p. 304 ed. Scheffer, σπαθία Ἐρουλίσκια; vgl. Tac. Germ. 44. Schmidt 349. Grimm Gesch. d. deutschen Sprache I² 330). Mit ihren Herren fochten bei den im Solde Roms stehenden H. auch die Knechte: Procop. bell. Pers. II 25. (Über denselben Brauch bei den Goten s. Procop. bell. Vand. I 8, bei den Langobarden Procop. bell. Goth. IV 26; vgl. Bolze 51. Mommsen Hermes XXIV 244). Soweit die H. nicht vom Kriegshandwerk lebten, befaßten sie sich wohl mit Viehzucht (Procop. bell. Goth. II 14, 27); von intensiv betriebenem Ackerbau findet sich bei diesem so wenig seßhaften Volke keine Spur. Sehr ungünstig ist das Bild, das uns bei Procop. bell. Goth. II 14; bell. Vand. II 4 von den Sitten der H. entworfen wird; vieles davon ist starke Übertreibung (vgl. dazu Müllenhoff D. Α. II 181 Anm. Ähnliche Vorwürfe gegen die Taifalen bei Ammian. XXXI 9, 5, gegen die Germanen überhaupt bei Sextus Empiricus Hypotyp. III 199; vgl. dagegen Tacit. Germ. 18–20. Quintil. declam. mai. III 16), auch hat Procopius selbst sein Urteil zum Teil korrigiert; aber die Achtung vor bestehenden Verträgen lassen sie mehrfach vermissen (Procop. bell. Goth. II 14. 22. III 33), und gewisse Züge von Roheit, wohl unter dem Einfluß des langen Söldnerlebens finden sich in der Tat (Eugippius v. Severini c. 24. Agathias II 7); Menschenopfer erwähnt außer Procop. a. a. O. auch Ennodius. v. Antonii 13. 14 Mon. Germ. a. a. VII 187 (übrigens ist dasselbe auch für Franken und Sachsen bezeugt: Ennodius a. a. O. Procop. bell. Goth. II 25; vgl. Tac. Germ. 9. 39. 40. Grimm Deutsche Mythologie I⁴ 36f. Müllenhoff D. A. IV 582), wie denn überhaupt die H. sehr zäh an den ursprünglichen Sitten festhielten und am längsten unter den germanischen Wandervölkern Heiden geblieben sind. Neben unleugbaren Fehlern finden sich bei ihnen auch zahlreiche gute Eigenschaften: kühner Wagemut, glänzende Tapferkeit, Mannentreue bis in den Tod (Agathias I 15), ritterlicher Sinn selbst gegenüber dem Feinde (Procop. bell. Vand. II 6), hoch entwickeltes Ehrgefühl (Agathias I 15. II 7), Liebe zur Freiheit und Anhänglichkeit an die alte Heimat (Procop. bell. Goth. II 15), dabei auch ein gewisser Sinn für Humor (Agathias III 6). Nicht unsympathisch erscheint daher das Gesamtbild dieses unstätesten unter allen Germanenstämmen der Völkerwanderung.

Literatur: Zeuß Die Deutschen und die Nachbarstämme, München 1837, 476–484. 489. Aschbach Geschichte der Heruler und Gepiden, Frankfurt a. M. 1835. Müllenhoff Nordalbingische Studien I (1844) 122–126. 130. 155. [1167] Bolze De rebus Herulorum, Diss. Berlin 1855. Dahn Die Könige d. Germanen II., Münch. 1861, 1–14. Pallmann Die Gesch. der Völkerwanderg. 2 Bde., Gotha 1863 u. Weimar 1864. v. Wietersheim-Dahn Gesch. d. Völkerwand. 2 Bde., Leipz. 1880/81. Dahn Urgesch. d. germanischen und romanisch. Völker I., Berlin 1881, 561–567. Seelmann Jahrb. d. Ver. f. niederd. Sprachforschung XII (1886) 1–33. 53–57. Müllenhoff Beovulf, Berlin 1889, 30–32. Strakosch-Graßmann Geschichte der Deutschen in Oesterreich-Ungarn I., Wien 1895, bes. 247–256. Loewe Die Reste der Germanen am Schwarzen Meer, Halle 1896. Rappaport Die Einfälle der Goten in das römische Reich bis auf Constantin, Leipzig 1899, 67ff. Bremer Ethnographie der germanischen Stämme, Straßburg 1904², 833–835. Schmidt Gesch. der deutschen Stämme bis zum Ausgang d. Völkerwanderung, Berlin 1904/10, 333–349; Allgemeine Gesch. d. germanischen Völker, München-Berlin 1909, bes. 136–138.

Anmerkungen (Wikisource)

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