Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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H. d. Gr., Feldherr Ende d. 1. Punischen Krieges
Band VII,2 (1912) S. 23552357
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14) Von der jüngeren annalistischen Überlieferung der Große genannt, war während der letzten Jahre des ersten Punischen Krieges Feldherr der Karthager in Libyen (Polyb. I. 67, 1) und hatte als solcher durch schonungslose Beitreibung der erhöhten Kriegssteuern sich überall verhaßt gemacht, hingegen das Wohlwollen der karthagischen Regierung erworben (Polyb. I 71, 1-3). Außerdem hatte er glückliche Kriege mit den Libyern geführt und ihre Stadt Hekatontapylos erobert, dabei aber eine ungewöhnliche Milde [2356] walten lassen (Polyb. I 73, 1. Diod. XXIV 10, 2). Beim Beginn des Söldnerkrieges führte er zunächst die Verhandlungen mit den Aufständischen in Sikka, die sich aber zerschlugen (Polyb. I 67, 1-13), und wurde dann von der Stadt zum Oberbefehlshaber gewählt (I 73, 1). Dies erwies sich als ein Fehler, da H. zwar äußerst ehrgeizig (Diodor. XXIV 10, 1) und als Organisator ausgezeichnet, aber im Felde wenig brauchbar war (Polyb. I 74, 1-2); jedenfalls war er nur den Krieg mit den leicht entmutigten Numidern und nicht mit Hamilkars kriegsgeübten Scharen gewöhnt. Nach einem kleinen Erfolg bei Utika ging er sofort nach Karthago zurück, als ob damit der Krieg beendet wäre: inzwischen aber ward durch einen zweiten Angriff der Söldner sein Lager genommen (Polyb. I 74, 10). Zum zweitenmal ausziehend versäumte er mehrfach die günstige Gelegenheit zu schlagen, so daß sich die Stadt endlich genötigt sah, die Leitung des Krieges Hamilkar Barkas zu übergeben und H. selbst anderweit zu verwenden (Polyb. I 74, 13. 14). Obwohl er nun Feldherr blieb (Polyb. I 81, 1), scheint doch diese Entfernung vom Kommando den Grund zu dem Hasse gelegt zu haben, mit dem er später Hamilkar Barkas, sein Haus und seine Anhänger verfolgte; als er kurze Zeit nachher, nach der Ermordung Geskons, von Hamilkar zum Kriege herangezogen ward, entstand sofort Streit zwischen beiden (Polyb. I 82, 1-4), der erst dadurch geschlichtet ward, daß das Heer, von der Stadt vor die Wahl gestellt, H. absetzte (Polyb. I 82, 12). An seine Stelle trat Hannibal Nr. 6. Nach dessen Tode aber ward H. wiedergewählt, und nun fand unter Vermittelung der Regierungsbehörden eine feierliche Versöhnung zwischen Hamilkar und H. statt; beide zusammen besiegten die letzten Trümmer des Söldnerheeres (Polyb. I 87, 3-10). Dann wandte sich H. der Belagerung von Hippo zu und zwang binnen kurzem die Stadt zur Unterwerfung (Polyb. I 88, 3). Als kurze Zeit darauf ein neuer Aufstand der einheimischen Bevölkerung sich erhob, wurden abermals beide Feldherrn zu seiner Unterdrückung ausgesandt, doch ward H., wie es heißt infolge von Verleumdungen, bald abgerufen (Appian. Ib. 4. 5).

Es war klar, daß bei dem in Karthago herrschenden Gegensatz der Parteien H. bald infolge seines Ansehens das Haupt der den Barkiden feindlichen Partei werden mußte, und als solcher mag er schon bei den Anklagen, die nach dem Ende des Söldnerkrieges gegen Hamilkar erhoben wurden, seine Hand im Spiele gehabt haben (Appian. Ib. 6). Immerhin behielt Hamilkar die Oberhand und setzte es durch, daß er nach Spanien gesandt ward; seine dortigen Erfolge drängten zunächst H. in den Hintergrund. Doch versäumte er keine Gelegenheit, vor den Barkiden zu warnen und gegen sie zu arbeiten. Wenn auch sein Auftreten Liv. XXI 3. 4 bei Hannibals angeblicher Sendung nach Spanien kaum historisch ist (vgl. o. die Bem. S. 2323f.), so machte sich sein Einfluß umso stärker geltend, als die römischen Gesandten nach dem Angriff Hannibals auf Sagunt in Karthago erschienen, um Genugtuung zu verlangen; damals riet H. nicht nur energisch vom Krieg ab, sondern verlangte auch Hannibals Auslieferung (Liv. XXI 10, 2. Zonar. VIII 22. 408 c). [2357] Auch während der ersten Jahre des Krieges, selbst 216 nach Cannae (bei Zonar. VIII 26. 414 d schon vorher) bemängelte er die Erfolge Hannibals und riet zum Frieden (Liv. XXIII 12, 8-13, 6. Zonar. IX 2. 421 b). Während der späteren Kriegsjahre tritt er in unsern Quellen persönlich nicht mehr hervor; doch wird die Mangelhaftigkeit der Hannibal gewährten Unterstützung auf seinen Einfluß zurückzuführen sein. Erst am Schlusse des Krieges nach Zama begegnen wir ihm wieder: damals schützte er mit Hasdrubal Böckchen zusammen eine römische Gesandtschaft vor den Mißhandlungen des karthagischen Pöbels (Appian. Lib. 34) und ward kurze Zeit darauf selber an der Spitze einer Friedensgesandtschaft zu Scipio geschickt (Appian. Lib. 49). Dagegen ist es sicher eines von Appians gewöhnlichen Versehen, wenn dieser ihn auch noch kurz vor 150 in Karthago als Parteiführer nennt (Appian. Lib. 68). H. d. Gr. kann nicht viel nach 280 geboren sein und war demnach schon beim Ausgang des Krieges ein hochbejahrter Mann. Vielmehr war es irgend ein anderer H., dem Appian fälschlich die Bezeichnung ὁ μέγας beilegt. Über H. d. Gr. und die Wirksamkeit der antibarkinischen Partei, insbesondere darüber, daß sie mit ihrer Art der geschichtlichen Auffassung unsere gesamte Überlieferung beeinflußt hat, s. Meltzer Gesch. d. Karth. I. 357ff.