Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Flaccus, Q. cos. 179 v. Chr.
Band VII,1 (1910) S. 246248
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61) Q. Fulvius Flaccus, ältester Sohn von Nr. 59 (Fasti Cap. 575 und 580. Vell. II 8, 3). Im J. 570 = 184 war er curulischer Aedil, wollte sich aber um eine durch Todesfall freigewordene Praetorenstelle bewerben; nach längerem Streite, in welchem er bei seinem Vorhaben beharrte, umging der Senat die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten durch den Beschluß, überhaupt keine Ersatzwahl für den verstorbenen Praetor vornehmen, zu lassen. Der ausführliche Bericht des Liv. XXXIX 39, 2 – 15 über diese Vorgänge macht irrtümlich F. zum designierten, statt zum fungierenden Curulaedilen, wie Mommsen St.-R. I 513f., 3 gezeigt hat. Im J. 572 = 182 erhielt F. die Praetur und als Provinz Hispania citerior (Liv. XXXIX 56, 5. XL 1, 2. 5. 7. 2, 5). Er belagerte hier die Stadt Urbicua (?), schlug das Entsatzheer der Keltiberer und nahm die Stadt ein (Liv. XL 16, 7–10). Nachdem ihm das Imperium für 573 = 181 verlängert worden war (ebd. 18, 6), hatte er einen großen Krieg mit den Keltiberern zu führen, der sich bis in das folgende Jahr erstreckte. Nach Livius (daraus Frontin. strat. II 5, 8 [Cimbrico bello Hss.]. Oros. IV 20, 31) besiegte er die Feinde zuerst in einer großen Schlacht bei Aebura und nahm dann nach einem neuen Siege Contrebia ein (XL 30, 1–33, 9); es wurden ihm dafür nicht nur [247] Dankfeste bewilligt, sondern auf sein Gesuch und gegen die Ansicht seines Nachfolgers Ti. Gracchus auch erlaubt, einen Teil seiner Truppen nach Hause zurückzuführen. (35, 3–36, 12). Als er nun im J. 574 = 180 die begonnenen Unternehmungen eilig abbrach, um das Heer teils dem Gracchus, teils der Heimat zuzuführen, überfielen ihn die Keltiberer in einer Gebirgsschlucht; nach hartem Kampfe verschaffte ihm seine Reiterei den Sieg, wofür er der Fortuna Equestris einen Tempel und dem Iuppiter Spiele gelobte (39, 1–40, 15). Abweichend lautet der Bericht Appians Ib. 42, mit dem ein Fragment Diodors XXIX 28 zwar nicht vollständig, aber doch mehr als mit Livius übereinstimmt; demnach fanden die Kämpfe hauptsächlich gegen die Lusonen am Ebro statt, beschränkten sich auf einen Sieg des F. und eine Unternehmung gegen die Stadt Komplega. Nissen (Kritische Untersuchungen 236f.) gibt diesem Bericht entschieden den Vorzug vor dem Livianischen; immerhin ist er nicht frei von Irrtümern (z. B. Bezeichnung des F. als ὕπατος) und hat die Vorlage wohl auch verkürzt; zudem sind vielleicht die Erfolge des F. durch die seines Nachfolgers Gracchus mehr in den Augen gewisser Historiker, als in denen der Zeitgenossen in Schatten gestellt worden. Jedenfalls kehrte er in ruhmvollem und beutereichem Triumphzuge nach Rom zurück (Liv. XL 43, 4–7. 59, 3. XLII 34, 9f.), und wie er von den Pontifices durch die Aufnahme in ihr Collegium ausgezeichnet wurde (Liv. XL 42, 11, vgl. XLII 28, 10. 13), so vom Volke durch die Wahl zum Consul für das nächste J. 575 = 179; sein Amtsgenosse wurde sein leiblicher Bruder L. Manlius Acidinus Fulvianus, was einzig in seiner Art war und blieb (Fasti Cap. mit dem Zusatz: hei fra[t]res germani fuerunt; ebenso Vell. II 8, 3; ferner Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. XL 43, 4. 44, 3. XLII 22, 5. XLV 9, 3. Obseq. 7. Cassiod. Plin. n. h. XXXV 14). Beiden Consuln wurde Ligurien als Provinz zugewiesen (Liv. XL 44, 3); F. feierte nach seinem Triumphe erst mit vielem Prunk die in Spanien gelobten Spiele (ebd. 44, 8–12. 45, 6), ging dann in die Provinz ab und erfocht, während sein Bruder und Amtsgenosse nichts ausrichtete, einen Sieg, der freilich unbedeutend war, aber ihm doch wieder einen Triumph eintrug (ebd. 53, 1–6. 59, 1–3, vgl. Flor. I 19. 5). Vielleicht gründete er Forum Fulvii und legte die Via Fulvia von Dertona nach Pollentia an (vgl. Nissen Ital. Landesk. II 156 und die betr. Art.). Im J. 580 = 174 wurde er Censor mit A. Postumius Albinus (Fasti Cap. Cic. Verr. I 106. Liv. XLI 27. 1. XLII 10, 1. XLIII 16, 2. Plin. n. h. VII 157). Bei der Lectio senatus stießen sie neun Männer aus dem Senat, darunter einen Bruder des F. (Liv. XLI 27, 2 u. a. vgl. Nr. 57); ebenso entzogen sie vielen das Ritterpferd (ebd. 13). Sehr bedeutend war ihre reformatorische Tätigkeit auf dem Gebiete des Bauwesens, zumal für die Entwicklung der Hauptstadt Rom (ebd. 5–10); F. persönlich sorgte aber auch in ähnlicher Weise für andere italische Städte, namentlich für die zehn Jahre zuvor von seinem Bruder Nr. 57 und einem andern F. Nr. 95 begründeten Kolonien Potentia und Pisaurum (ebd. 10–13). Er vollendete und weihte jetzt auch den im keltiberischen [248] Kriege gelobten Tempel der Fortuna Equestris und scheute sich nicht, zu dessen Ausschmückung das Marmordach des alten Heiligtums der Hera Lacinia abdecken zu lassen; infolge des allgemeinen Unwillens mußte er es wieder zurückbringen lassen (Liv. XLII 3, 1–11. 10, 5. Val. Max. I 1, 20. Varro de vita p. R. I bei Fest. 285 von unsicherer Ergänzung, vgl. Nissen a. O. II 944). Während der Zorn der beleidigten Göttin von dem Staate durch Sühnungen abgewendet wurde, traf er nach dem Volksglauben die Person des Frevlers aufs schwerste; F. starb nämlich schon im folgenden J. 582 = 172, nachdem er von seinen beiden im illyrischen Heere dienenden Söhnen den einen verloren hatte und den andern zu verlieren fürchtete; er soll in einem Anfall von Geistesstörung selbst Hand an sich gelegt haben (Liv. XLII 28, 10–12. Val. Max., vgl. Fest.).