Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Christlicher Dichter
Band IV,1 (1900) S. 773774
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2) Christlicher Dichter, in älterer Zeit nur zweimal erwähnt, von Gennad. de vir. ill. 15 und im Decretum Gelasii, das (wohl im J. 496, also höchstens im Anschluss an Gennadius, nicht umgekehrt!) die opuscula Commodi als apocrypha aufführt. Was der Verfasser des Decrets über C. gewusst hat, kann nicht bestimmt werden, Gennadius schöpft sein Wissen lediglich aus der einen ihm bekannt gewordenen Schrift des C. Nach dieser war er erst im reiferen Alter vom Heidentum zum Christentum übergetreten und fühlt sich nun berufen auf Grund seiner Kenntnis der Schrift die unwissende civica turba in der Wahrheit zu unterweisen. Er thut das in zwei libri Instructionum, die aus zusammen 80 Gedichten von verschiedenem Umfang (zwischen 6 und 48 Zeilen schwankend) bestehen. Sie sind akrostichisch angelegt, so dass die Anfangsbuchstaben von oben nach unten oder umgekehrt gelesen die Überschrift ergeben, zwei abecedarii sind darunter I 35. II 19; die Verse sind Hexameter, aber ohne Rücksicht auf die Quantität nach dem Accent gebaut. Die Sprache ist Vulgärlatein, voller Unregelmässigkeiten; von poetischem Schwung keine Spur. Nicht viel günstiger wird über das Carmen Apologeticum zu urteilen sein, das J. B. Pitra zuerst 1852 aus einem Codex Phillippsianus herausgab und das, obwohl in der Hs. ohne Angabe des Verfassers, mit Recht allgemein demselben Autor wie die Instructiones zugeschrieben wird. In beiden Werken herrscht die apologetische Tendenz vor, gegenüber Heiden und Juden die Thorheit ihrer Religionen zu erweisen und die christliche zu empfehlen; nur in Instructiones II wendet sich C. mehr an die einzelnen Stände innerhalb der Christenheit und giebt eine Art christlicher Sittenlehre in einzelnen Stücken. Wie formell, so tragen auch inhaltlich C.s Belehrungen einen etwas vulgären Charakter; es ist nur ein Durchschnittschristentum, das er vertritt, und von gelehrter Bildung kann bei ihm nicht die Rede sein, ebendeshalb aber darf man auf seinen groben Chiliasmus, seine doketischen und monarchianisierenden Neigungen in der Christologie nicht zu viel Gewicht bei der Bestimmung seines Zeitalters legen. Bei einem geschulten Theologen würden wir die Verbindung dieser Eigenheiten nach 300 freilich nicht mehr glaublich finden; bei einem Laien brauchen sie noch bis 400 hin nicht zu überraschen. Nun soll zwar C. Bischof gewesen sein. Auch das würde im 4. Jhdt. laienhafte Bildung [774] nicht ausschliessen; aber ihm diesen Titel zu verleihen blos auf die Subscription in dem Codex Phillippsianus hin, der doch den Namen des Autors nicht kennt, scheint sehr gewagt; ich glaube, dass der väterlich seelsorgerliche Ton der Instructiones uns nicht einmal berechtigt, ihn für einen Presbyter zu erklären. Die vulgäre Haltung seiner Dichtungen wird zum Teil vom Verfasser beabsichtigt sein, vgl. Augustinus Retract. I 20 und Art. Abecedarii Bd. I S. 27. Er ist nämlich mit classischen Dichtern, mit Vergil und Horaz z. B., bekannt; an einigen Stellen des Carmen Apologeticum, wo die Fessel des Akrostichs gefallen ist, erhebt er sich auch zu einer gewissen Vornehmheit. Offenbar hätte er Eleganteres schreiben können, er wollte es nicht, weil die neue Religion ihm den classischen Flitter auszuschliessen schien. Daraus folgt wohl, dass er von einer christlichen Kunstdichtung noch nichts wusste; der erste christliche Dichter braucht er, da seine Belesenheit in der christlichen Litteratur nicht eben weit reicht, deshalb doch nicht gewesen zu sein. Fast allgemein setzt man ihn bald nach 251 an; da aber manches für das 4. Jhdt. spricht, muss die Zeit bis etwa 350 für ihn offen gehalten werden. In das Abendland gehört er, wenn auch vielleicht des Griechischen oberflächlich kundig, jedenfalls, je früher man ihn ansetzt, um so wahrscheinlicher wird seine africanische Herkunft; ihn mit Gaza in Verbindung zu bringen, bietet die Überschrift von Instructiones II 39 nomen Gasei in ihrer Rätselhaftigkeit nicht genügenden Anhalt; das Akrostich ergiebt hier den Namen des Verfassers Commodianus mendicus Christi. Text: Commodiani carmina rec. B. Dombart in Corp. script. ecclesiast. lat. Vindob. XV 1887. Aus der reichen Litteratur über C., besonders seine Verskunst, vgl. W. Meyer Abh. Akad. München, Cl. I Bd. XVII 2,1885. G. Boissier Commodien, Paris 1886. L. Vernier La versification lat. populaire en Afrique. Commodien et Verecundus, Revue de philol. XV 1891, 14–33.