Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Hoher kaiserlicher Hofbeamter
Band III,2 (1899) S. 17741775
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Castrensis, griechisch καστρήσιος (Marc. diac. vit. S. Porphyr. Gaz. 40 = Abh. Akad. Berl. 1874, 190), mit vollem Titel Comes et castrensis sacri palatii (Cod. Theod. VI 30, 12. 32, 1. 2. X 14, 1. Not. Dign. Occ. XV 1), ein hoher kaiserlicher Hofbeamter, zuerst nachweisbar im J. 319 (Cod. Theod. VI 35, 3; die Datierung von Cod. Theod. X 14, 1 ist falsch), aber jedenfalls schon durch Diocletian eingesetzt. Denn seit dieser an Stelle der festen Residenz in Rom ein immer umherziehendes Hoflager gesetzt hatte (Seeck Gesch. d. Untergangs d. antiken Welt I 21), bedurfte er eines ständigen Quartiermachers, um an den vielen kleinen Ortschaften, die zeitweilig berührt werden mussten, für die Unterkunft des Herrschers und seines Gefolges zu sorgen. Dies ist die Aufgabe des C., der daher auch von dem Lager seinen Namen führt. Die Obliegenheiten seiner Subalternen, der Castrensiani (Cod. Theod. VI 32. Cod. Iust. XII 25), beziehen sich ausschliesslich auf Wohnung und Nahrung des Kaisers (Coripp. laud. Iust. III 215–218), weshalb sie auch von Ammianus Marcellinus (XXVI 8, 5) ventris ministri et gutturis genannt werden. Dem entsprechend zeigen die Insignien des C. in der Notitia dignitatum (Or. 17; Occ. 15) Weinkrüge und Tische, die mit Broten bedeckt sind. Als seine Untergebenen werden hier aufgezählt:

1) Die Paedagogia, d. h. Abteilungen jugendlicher Diener (paedagogianus puer Amm. XXVI 6, 15; adultus quidam ex iis, quos paedagogianos appellant Amm. XXIX 3, 3; vgl. Cod. Theod. VIII 7, 5), wie man sie zum Weinschenken, zum Auftragen der Speisen u. dergl. verwendete (Dig. XXXIII 7. 12 § 32) [1775]

2) Ministeriales dominici (vgl. Cod. Theod. VIII 7, 5), worunter wohl die Köche, Bäcker, Tafeldecker, Vorschneider u. s. w. zu verstehen sind (Amm. XV 3, 4: minister triclinii. Hist. Aug. Alex, 41, 3: pistores et pincernae et omnes castrenses ministri).

3) Curae palatiorum, die Bau und Reparaturen der kaiserlichen Wohnungen zu leiten hatten (s. Cura palatii). Wegen seiner Aufsicht über die Paläste gehört der C. zu denjenigen, welche kaiserliche Schenkungen zur Ausführung bringen (Cod. Theod. X 14, 1). Denn soweit diese Immobilien umfassen, können sie auch die Palatia mitbetreffen.

Sein Officium bilden ausser den üblichen Apparitoren namentlich ein Tabularius des Kaisers und einer der Kaiserin, die wahrscheinlich die Rechnungen des Haushaltes zu führen hatten.

Da der C. in nahe Berührung mit den kaiserlichen Frauen kam, wurden für dieses Amt mitunter, wenn nicht gar vorzugsweise, Eunuchen verwendet; z. B. bekleidete es Amantius (s. Bd. I S. 1725 Nr. 3) am Hofe des Arcadius (Marc. diac. vit. S. Porphyr. Gaz. 40 = Abh. Akad. Berl. 1874, 190). Gleichwohl besitzt der C. proconsularischen Rang und führt dem entsprechend, seit Valentinian I. die Rangklassen geschaffen hatte, den Titel vir spectabilis (Cod. Theod. VI 32, 1. 2. Not. dign. Or. 17; Occ. 15, wo er den Proconsuln vorangeht). Von dem grossen Einfluss, den er zu besitzen pflegte, geben sowohl die Rolle, welche Amantius gespielt hat, als auch die Briefe des Libanios an den C. Mygdonios (ep. 471. 518; vgl. Cod. Theod. X 14, 1) deutlich Kunde.

Die Castrensiani wurden anfangs vielleicht durch den C. selbst erwählt; aber da der Zudrang ein so grosser war, dass immer eine Anzahl supernumerarii darauf wartete, unter die fest Angestellten (statuti) einzurücken (Cod. Theod. VI 32, 2), so machte 390 der Kaiser die Aufnahme in die Officia von einem allerhöchsten Anstellungsdecret abhängig (Cod. Theod. VI 30, 12). Bald darauf (416) wurde verfügt, dass, wer in diesem Dienst die höchste Staffel erreicht habe, nach zwei Jahren abdanken müsse, um den Nachrückenden Platz zu machen (Cod. Theod. VI 32, 1). Innerhalb der Castrensiani gab es drei Rangstufen, die prima, secunda und tertia forma, in deren unterste man eintrat, um dann nach dem Dienstalter aufzurücken (Cod. Theod. VI 32, 2). Die Untergebenen des C. werden zu den officia palatina gerechnet (Cod. Theod. XII 1, 38) und nahmen an den Privilegien derselben teil (Cod. Theod. VI 35. 3. 7. VIII 7. 5). Nach einem Gesetze Leos soll nicht, wie es früher wohl der Fall war, der C., sondern nur der Magister officiorum die Gerichtsbarkeit über sie ausüben. Cod. Iust. XII 25, 3. 4.

[Seeck. ]