Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Vorhang
Band II,2 (1896) S. 23982400
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Aulaeum, der Vorhang, der Hängeteppich, im engeren Sinne der Theatervorhang. Das griechische Wort ἡ αὐλαία, von dem das lateinische a. abzuleiten ist, bezeichnet vorzugsweise den Vorhang oder Teppich, der einen Innenraum gegen das Freie zu abschliesst, indem er (als παραπέτασμα) die Stelle einer festen Wand oder einer Thür vertritt. Vgl. Hyper. frg. 142 Blass. Poll. IV 122. Polyb. XXXIII 3. Le Bas-Foucart 326a Z. 38 (μήτε περιτιθέμεν ταῖς σκηναῖς μήτε δέρρεις μήτε αὐλείας). Nach orientalischem Vorbild sind seit Alexander solche gefärbte, gestickte oder mit eingewebten Figuren verzierte Decken auch in [2399] Griechenland sehr geschätzt und verbreitet; vgl. Athen. XII 538d. V 196c. Theophr. Char. 5 (21). Buchholtz De aulaeorum velorumque usu et in vita veterum cotidiana et in anaglyphis eorum atque picturis I. II, Göttingen 1876. Von den hellenistischen Königshöfen, in erster Linie von Pergamon, auf dessen letzten König Attalos sogar die Erfindung goldeingewebter Teppiche zurückgeführt wurde (Plin. n. h. VIII 196), sind diese kostbaren Stoffe nach Rom gelangt (Attalica aulaea Prop. II 23, 46 [32, 11], Attalicae vestes u. ä.). Als sich in den Theatern die Notwendigkeit einstellte, den Schauspielplatz (die Bühne) zeitweise den Augen der Zuschauer zu entziehen, mussten derartige Vorhänge besonders geeignet erscheinen, den Schauspielraum gegen den Zuschauerraum abzuschliessen. So bekommt a. in Rom die Bedeutung ‚Theatervorhang‘.

Die altgriechische Skene der klassischen Zeit verfügte noch über keinen Vorhang, was freilich den Modernen (vgl. Lohde Skene der Alten 13) unglaublich erscheinen will, da sie sich die aeschyleischen Trilogien mit allen Hilfsmitteln unserer Illusionskünste aufgeführt denken. In einzelnen prunkvollen Theatern der hellenistischen Residenzen, in denen man dem Wunsche nach unmittelbarer Illusion mit einer reicheren Scenerie und Maschinen aller Art zu entsprechen suchte, wird man zuerst Vorhänge angewendet haben, insbesondere bei den Ausstattungsstücken, den Balleten und Pantomimen; bestimmte Zeugnisse fehlen allerdings. Wenn späte Grammatiker (Hesych. Suid. Etym. M. Bekker Anecd. 463) die Definition geben αὐλαία τὸ τῆς σκηνῆς παραπέτασμα, so haben wohl sie selbst, aber schwerlich ihr erster Gewährsmann, an den Vorhang des Schauspielhauses gedacht. Die Nachricht des Duris bei Athen. XII 536 a lässt verschiedene Deutungen zu, s. Προσκήνιον. Donat. de com. p. 12 R. berichtet: aulaea quoque in scena intexta sternuntur, quod pictus ornatus ex Attalica regia Romam usque perlatus est, pro quibus siparia aetas posterior accepit: est autem mimicum (Reifferscheid schreibt mit den schlechteren Hss. minutum) velum, quod populo obsistit, dum fabularum actus commutantur. Hier scheint verschiedenes durcheinander geworfen zu sein; es ist zunächst nur gesagt, dass die eingewebten Teppiche vom Hofe des Attalos nach Rom gelangt sind, vgl. Serv. Georg. III 25; ob in des Donatus Vorlage etwa auch behauptet war, dass die Sitte, diese Teppiche als Theatervorhänge zu verwenden, von Pergamon herüberkam, lässt sich aus dem gegenwärtigen Wortlaut nicht entnehmen. In den Stücken des Plautus und Terenz findet sich noch kein ausdrücklicher Hinweis auf einen Theatervorhang; die älteste sichere Erwähnung begegnet bei Cicero pro Caelio 65; da das A. hier als etwas Gewöhnliches erscheint, wird man eine Verwendung in Rom wenigstens bis in die zweite Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. zurückdatieren dürfen.

In der Kaiserzeit wird das A. mehrfach erwähnt; wir hören, dass in Rom der Vorhang zu Anfang des Stückes auf den Boden herabgelassen wurde, wo er vermutlich in einer Versenkung oder einer offenen Spalte der Bühne verschwand, und am Ende des Stückes wieder hinaufgezogen wurde, vgl. Cic. pro Cael. 65: a. tollitur (Schluss des [2400] Mimus). Verg. Georg. III 25. Ovid. metam. III 111. Hor. ep. II 1, 189 quattuor aut plures aulaea premuntur in horas (bei der scenischen Darstellung einer Schlacht und eines Triumphzuges). Hor. ad Pison. 154: si plausoris eges aulaea manentis (‚der bis zum Schlusse bleibt‘). Phaedr. V 7, 23 aulaeo misso) (Beginn der Vorstellung). Vgl. auch Schol. Cic. Sest. 126 (s. Ἀναπίεσμα).

Im grossen Theater zu Pompeii glaubt man in einem Unterraum unter der Bühne, der von der Vorderwand des Logeion und einer ihr parallelen Mauer begrenzt wird, den Raum erkennen zu dürfen, der den von oben herabgelassenen, zusammengeschobenen Vorhang aufzunehmen bestimmt war, wobei der Mechanismus im einzelnen noch unaufgeklärt bleibt; vgl. Overbeck-Mau Pompeii⁴ 167. Einen ähnlichen Hohlraum unter dem vorderen Teil der Bühne hat man in den Theatern von Arles, Orange, Fiesole, Verona (Dütschke Arch. Zeitg. XXXIV 98. 99, 41), Ostia (Mélanges d'archéol. et d'histoire XI 478) und in einigen anderen Orten nachgewiesen. Doch bedarf die Bestimmung dieser Räume noch sehr einer genaueren Untersuchung, die sich auf alle bei den römischen Bühnen nachweisbaren Unterräume zu erstrecken hätte. Bei der grösseren Zahl der Theater aus römischer Zeit, insbesondere bei jenen der griechischen Länder, scheint eine derartige Vorrichtung zu fehlen. Man wird daraus nicht ohne weiteres einen Schluss auf das Fehlen eines Vorhanges ziehen dürfen, da ja das Auf- und Zuziehen des A. auch in anderer Weise bewerkstelligt werden konnte, vgl. Paus. V 12, 2 (über die Vorhänge vor den Götterbildern); so könnte der Ausdruck des Apuleius metam. X 29 aulaeum subducere (am Beginn des Pantomimus, vgl. I 8: aulaeum dimovere) auch vom Hinaufziehen eines Vorhangs nach der heute geläufigen Art verstanden werden.

Dass bei mehractigen Stücken der Vorhang nach jedem Act emporgezogen worden sei, ist nirgends überliefert. Notwendig war dies nur dann, wenn mit dem Actwechsel ein Wechsel der Scenerie verbunden war. Vermutlich herrschte in dieser Hinsicht an verschiedenen Orten eine verschiedene Praxis; in vielen Theatern hat wohl auch in der Kaiserzeit ein Vorhang ganz gefehlt, s. Theater. Dass man in Rom auch den Vorhang mit in die glanzvolle Ausstattung der Festaufführungen einbezog, ist selbstverständlich. Einen purpurnen Vorhang, in den Figuren besiegter Britannen eingewebt waren, erwähnt Verg. Georg. III 25. Nach Servius (z. d. St.) soll er von Augustus selbst nach seinem Sieg über Britannien geschenkt worden sein. Einen ähnlichen figurengeschmückten Vorhang hat Ovid metam. III 111f. vor Augen.

Neben dem A. werden mehrfach auch siparia genannt (Apul. metam. I 8. X 29), kleinere und leichtere Vorhänge, die, wie es scheint, nur einzelne[WS 1] Teile des Bühnenraums verdecken sollen und vorzugsweise im Mimus und Pantomimus verwendet werden, s. Siparium. Arnold Das altrömische Theatergebäude (Leipzig 1873) 19f.

[Reisch. ]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. korrigiert, im Original fälschlich: ein-einzelne.