Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Corps kaiserlicher Botenreiter, zuerst erwähnt 319 n. Chr.
Band I,1 (1893) S. 776 (IA)–779 (IA)
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Agentes in rebus, griechisch ἀγγελιαφόροι (Liban. or. I 567 Reiske. Priscus frg. 7 p. 77), ein militärisch organisiertes Corps (schola) kaiserlicher Botenreiter, zuerst erwähnt 319 (Cod. Theod. VI 35, 3), aber wahrscheinlich schon von Diocletian an Stelle der frumentarii, welche er abschaffte, eingeführt. Vict. Caes. 39, 44. Sie standen gleich den übrigen scholae palatinae unter dem Magister officiorum (Not. Dign. Or. XI 11; Occ. IX 9. Prisc. a. O. Cod. Theod. I 9, 1–3. VI 27, 3. 4. 7–9. 11 und sonst) und wurden deshalb auch magisteriani genannt. Olymp. frg. 1, 31. Pallad. hist. Laus. 149 = Migne Gr. 34 1251. Act. SS. Febr. III 657; Iul. I 303. Die Zahl des Collegiums war anfangs unbeschränkt und die Aufnahme jedem gestattet, den der Magister officiorum zulassen wollte (C. Th. VI 27, 3); selbst wer von Geburt Decurione war, wurde nicht ausgeschlossen. C. Th. VI 27, 2. 16. Liban. or. I 567. Da der Zudrang sehr gross war (Liban. or. III 438), musste der Magister schon 359 mit einer Reinigung der Schola von unwürdigen Elementen beauftragt werden (C. Th. I 9, 1), was sich auch später wiederholte. C. Th. I 9, 3. VI 27, 17. 18. 23. Iulian setzte durch massenhafte Entlassungen die Zahl bis auf 17 herab und bediente sich als Boten meist seiner Sklaven, aber bald nach seinem Tode war sie wieder in’s Ungeheure angewachsen. Liban. or. I 190; vgl. 568. Amm. XXII 7, 5. Dies führte zu verschiedenen Erschwerungen des Eintritts. 382 wurde er von einer Prüfung des Candidaten durch das Collegium abhängig gemacht, der dann noch eine fünfjährige Probezeit folgen sollte (C. Th. VI 27, 4); 396 wurde das Vorschlagsrecht den höchsten Beamten bis zu einer bestimmten Rangstufe herab vorbehalten; zugleich aber auch den A. i. r., welche nach vollendeter Laufbahn ausschieden, das Recht gegeben, für ihre Brüder und Söhne eine Stelle zu beanspruchen (C. Th. VI 27, 8), wodurch auch dieser Stand eine Tendenz zur Erblichkeit erhielt; vgl. Adcrescens Nr. 2. Leo verlieh auch den Erben verstorbener A. i. r., sofern diese bei ihrem Tode der obersten Rangklasse angehörten, ein Recht auf Eintritt in die Schola. C. Iust. XII 20, 3 § 1. 399 wurde dafür die persönliche Erlaubnis des Kaisers gesetzlich vorgeschrieben (C. Th. VI 27, 11); doch war sie wohl schon vorher üblich gewesen. C. Th. I 9, 2. VI 27, 8 § 2. Die Urkunde darüber (probatoria sacra) musste später im scrinium memoriae niedergelegt werden. C. Iust. XII 20, 3 § 2. 59, 10 § 3. Anfangs blieb dem Magister officiorum noch das Recht der Zustimmung gewahrt, [777] doch kam auch dieses später ausser Gebrauch; vgl. C. Th. I 9, 2 mit C. Iust. I 31, 2. 430 wurde bestimmt, dass im Orient die Zahl des Collegiums 1174 nicht übersteigen dürfe (C. Th. VI 27, 23), Leo erhöhte sie auf 1248, was bis auf Iustinian in Gültigkeit blieb. C. Iust. XII 20, 3. Die Überzähligen thaten zwar als vacantes Dienste, mussten aber mit der Aufnahme in das Collegium warten, bis darin ein Platz frei wurde, in welchen sie nach dem Alter ihrer Meldung einrückten. C. Th. VI 27, 23. Dies geschah durch Einzeichnung in die Liste (matricula) der Schola, wie der Austritt durch Streichung aus derselben. C. Th. VI 27, 15. 23. VIII 8, 4; vgl. I 9, 1. 3. C. Iust. XII 20, 3.

Innerhalb der Schola gab es fünf Rangstufen, deren Zahlenverhältnis Leo (C. Iust. XII 20, 3) folgendermassen bestimmte: 48 ducenarii (vgl. XII 20, 4. 6 § 1. C. Th. I 9, 1. VI 2, 21. 27, 8. 20. 21. Not. Dign. ed. Seeck p. 304. CIL X 7200[1]), 200 centenarii (vgl. C. Iust. a. O. C. Th. I 9, 1. VI 27, 7), 250 biarchi (vgl. C. Th. I 9, 1), 300 circitores, 450 equites (vgl. C. Th. VI 27, 3). Vorher waren die Ziffern schwankend, da sich der Kaiser das Recht vorbehalten hatte, jährlich zwei für jede Stufe über die Zahl der Ausscheidenden zu ernennen. C. Th. VI 27, 3. Im übrigen erfolgte das Avancement nach der Reihenfolge der Liste (matricula decurrente C. Th. I 9, 1), d. h. nach dem Dienstalter (C. Th. VI 27, 4 § 1. 7. 9. 14. 20. 21. 29, 4. C. Iust. XII 20, 5), doch sollte dabei auch das Verdienst seine Berücksichtigung finden (C. Th. VI 27, 3), über welches einerseits der Magister (C. Th. I, 9, 3), andererseits die Abstimmung der Schola selbst entschied. C. Th. I 9, 1. VI 27, 4 § 1. 19. 28, 8 § 1. 29, 4. Dass die kaiserliche Willkür trotz entgegenstehender Gesetze (C. Th. I 9, 2. VI 27, 19) oft eingriff, versteht sich von selbst. C. Th. VI 27, 7. 9. Die Ältesten der Ducenarii, melloprincipes genannt (Act. SS. Iul. I 303), mussten alljährlich (C. Th. VI 27, 3) am Geburtstage des Kaisers (C. Th. VI 29, 6) ausscheiden, um in der Provinz die wichtige Stellung eines Princeps (s. d.) in dem Officium eines höheren Beamten zu übernehmen, womit ihre Laufbahn als A. i. r. abschloss (C. Th. VI 27, 13. 22. 28, 3; vgl. I 9, 1. VI 2, 21. 27, 5. 6. 8. 16. 19. 20. 21. 28, 6. C. Iust. XII 20, 5. Nov. Val. 27. Not. Dign. ed. Seeck p. 302); denn der Wiedereintritt in die Schola war so gut wie verboten. C. Th. VI 27, 3 § 1. Wer vorher seinen Abschied nahm, konnte Titel und Insignien des Princeps (honorarius principatus) ohne das Amt erhalten (C. Th. VI 27, 16 § 1); doch wurde dies 417 von einer 25jährigen Dienstzeit abhängig gemacht. C. Th. VI 27, 19; vgl. 28, 8. Die Absetzung eines A. i. r., welche früher der Magister officiornm hatte verfügen können (C. Th. I 9, 1. 3. VI 27, 17) , stand im Occident seit 399, im Orient seit 415 nur dem Kaiser zu. C. Th. VI 27, 11. 17.

Die A. i. r. besassen sowohl die Privilegien der Soldaten, als auch der Hofbeamten (C. Th. VI 35, 3 § 3. 14), wie Befreiung von manchen Steuern und Leistungen, nach einer gewissen Dienstzeit auch vom Decurionat, und dergleichen mehr. C. Th. I 9, 1. VI 2, 21. 27, 1. 2. 6. 12. 13. 16. 30, 20. 35 9. [778] XIII 5, 20. Nov. Val. 3 § 4. C. Iust. XII 20, 6. Die Ducenarii und Centenarii genossen seit Leo während ihres Aufenthalts in Constantinopel eines eximierten Gerichtsstandes vor dem Magister officiorum; nur in den Provinzen unterstanden sie den gewöhnlichen Gerichten. C. Iust. XII 20, 4. Ähnliche Exemptionen scheinen auch schon früher bestanden zu haben. C. Th. VI 29, 3. Nov. Theod. 7, 1. Die Principes pflegten nach Beendigung ihres Dienstes die Statthalterschaft einer Provinz zu erhalten (C. Th. VI 28, 2; vgl. 27, 13); aber auch wenn sie in den Ruhestand traten, standen sie seit 380 an Rang über den Rationales, waren also viri perfectissimi. C. Th. VI 28, 2. Schon 6 Jahre später verfügte Theodosius, dass sie mit der Consularwürde in den Senat aufgenommen werden sollten (C. Th. VI 27, 5; vgl. CIL VIII 8344[2]); 396 wurden sie den Consulares provinciae gleichgestellt (C. Th. VI 27, 10), 426 im Orient den Vicaren (C. Th. VI 27, 20–22), schon 410 im Occident gar den Proconsuln (C. Th. VI 28, 7), was unter Iustinian im ganzen Reiche Geltung hatte. C. Iust. XII, 21, 3. So wurden nicht nur die Principes (C. Iust. XII 20, 6 § 1), sondern auch die gewöhnlichen A. i. r. (CIL VIII 989[3]) während ihrer Dienstzeit viri clarissimi, d. h. sie hatten senatorischen Rang, beim Abschied viri spectabiles. CIL VIII 989.[3] Schon diese fortschreitende Steigerung ihres Ranges zeigt, welchen Einfluss sie besassen; die hohe Wichtigkeit ihres Amtes wird denn auch von den Kaisern mehrmals ausdrücklich anerkannt. Nov. Val. 27, 1. C. Th. VI 27, 12. 35, 7.

Ihre Pflichten waren folgende : a) die Besorgung kaiserlicher Briefe und Befehle (missionibus parere C. Th. VI 27, 4. Liban. or. I 190. III 439. Symm. epist. II 62. VI 36. VII 59. Ambros. de off. min. II 29, 150 = Migne L. 16, 144. Act. SS. Febr. III 657) und das Überbringen von Botschaften aus den Provinzen an den Kaiser (Liban. or. I 428. Symm. rel. 24, 2), wozu sie die Post (cursus publicus) benutzen durften. C. Th. VI 29, 6. VIII 5, 7. 9. 14 § 2. 49. b) Die Beaufsichtigung des Postwesens. Alljährlich wurden am Geburtstage des Kaisers aus den Ältesten der Schola (C. Th. VI 29, 6; vgl. I 9, 1) nach Auswahl des Magister officiorum (C. Th. VI 29, 10), welche durch Abstimmung des Collegiums bestätigt wurde (C. Th. VI 29, 4), A. i. r. in alle Provinzen geschickt, welche anfangs den Titel praepositi cursus publici (CIL X 7200[1]), später curagendarii oder curiosi, griech. πευθῆνες, führten. C. Th. VI 29, 1. Not. Dign. Or. XI 50. 51; Occ. IX 44. 45. Liban. or. I 567. II 133. 470. 471. Seit 357 waren es ausser dem Curiosus praesentalis (Not. Dign. a. O.), der wohl mit dem κουριωσσὸς τῆς πόλεως in Constantinopel (Pallad. dial. 2 = Migne Gr. 47, 9) identisch ist, je zwei für jede Provinz (C. Th. VI 29, 2 § 1), seit 395 je einer (C. Th. VI 29, 8), 412 wurde wieder, wie es ursprünglich gewesen war, nach Bedürfnis eine unbeschränkte Zahl zugelassen (C. Th. VI 29, 10), doch kam man später auf die Bestimmung von 395 zurück. C. Iust. XII 22, 4. Das Commando dauerte ein Jahr. C. Th. VI 29, 6. Die Hauptaufgabe der Curiosi bestand darin, darüber zu wachen, dass keiner ohne Erlaubnisschein [779] (evectio) die Post benutze oder mehr Tiere in Anspruch nehme, als ihm verstattet waren (VI 29, 2. 7. 8), wofür sie eine Sportel empfingen (VI 29, 5). Das Ansehen, in welchem die A. i. r. standen, schien dazu erforderlich, um auch den Übergriffen hochgestellter Reisender gegenüber die Bestimmungen des Postreglements aufrecht zu erhalten. C. Th. VI 29, 7. c) Die A. i. r. und namentlich die Curiosi hatten den Auftrag, von allem Bemerkenswerten, was sie bei ihren Bereisungen der Provinz erfuhren, dem Hofe Meldung zu machen (C. Th. VI 29, 4; vgl. Liban. or. I 428), vor allem jedes Verbrechen, dem sie auf die Spur kamen, anzuzeigen. Liban. or. I 567. 568. C. Th. VI 29, 1. VIII 5, 50. Hieraus entwickelte sich ein unerträgliches System der Spionage und Angeberei. Liban. a. O. Vict. Caes. 39, 45. Amm. XV 3, 8. XVI 8, 3. XXII 7, 5. Die Curiosi massten sich an, jeden Verdächtigen einzukerkern; dies wurde ihnen zwar untersagt (C. Th. VI 29, 1. 8) und ihnen auch sonst jeder Übergriff über ihre Competenz verboten (C. Th. VIII 8, 7. XI 7, 17), doch blieb diese gross genug, um ihnen die reichste Gelegenheit zu Erpressungen zu bieten (Liban. or. I 567ff. II 470. Vict. Caes. 39, 45. Amm. XVI 5, 11. C. Th. II 1, 3. VI 29, 3), so dass man sie zur Erleichterung der Provinzen zeitweilig ganz aus ihnen wegzog (C. Th. VI 29, 11. 12) und es der Stadt Rom als besonderes Privileg verliehen wurde, dass kein A. i. r. sie ohne besonderen Auftrag betreten dürfe. C. Th. XIV 11, 1. In ihrer Heimatprovinz durften sie ebenso wenig verwandt werden, wie die meisten übrigen Unterbeamten. C. Th. VIII 8, 4. d) Sie stellten dem Magister officiorum sein Officium, dessen Adiutor den Principes anderer Beamten an Rang gleichstand. Not. Dign. Or. XI 40; Occ. IX 40. CIL VIII 989.[3] C. Th. I, 9, 1. VI 27, 3. 20. C. Iust. XII 20, 4 § 1. 5. e) Endlich wurden sie noch zu allen möglichen Diensten benutzt, für welche dem Kaiser oder dem Magister officiorum oder den Statthaltern der Provinzen, in welche sie entsandt waren, ein Beamter höheren Ranges erforderlich schien. Sie führen Gesandtschaften (Olymp. frg. 1, 31), leiten Truppendislocationen (C. Th. VIII 5, 7), beaufsichtigen in den Häfen die Ein- und Ausfuhr (C. Th. VI 29, 10. 12), exsequieren Ketzergesetze (Const. Sirm. 12), vollziehen die Hinrichtung hochgestellter Verbrecher (Amm. XIV 11, 19. 23. XXII 3, 10), überwachen öffentliche Bauten (CIL X 7200[1]) und werden den kaiserlichen Kanzleien als chartularii zucommandiert (C. Iust. XII 20, 5 § 1. 6 § 1). Das Feld ihrer Thätigkeit, und damit ihr Einfluss, ist ganz unbegrenzt.

[Seeck. ]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum X, 7200
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 8344
  3. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 989