Oberlandesgericht München – Doppelbestrafung 2

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 22. August 1884
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1884, Nr. 31, Seite 250–252
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Kurzbeschreibung: Doppelbestrafung ist verboten
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 22. August 1884.

in der Sache gegen den Wagner Joseph S. in N. wegen Uebertretung baupolizeilicher Vorschriften.

Der Wagner Joseph S. in N. erhielt im Juli 1882 die baupolizeiliche Bewilligung zur Vergrößerung seines Stadels, welche er im genannten Jahre noch ausführte, jedoch mit der Abweichung vom genehmigten Baupläne, daß er die Brandmauer zwischen Wohnhaus und Stadel nur 0,15 statt 0,30 Meter stark und Langwand und Giebelwand im Dachraum aus Holz statt aus Steinfachwerk herstellen ließ.

In Folge dessen wurde Joseph S. wegen Uebertretung nach §. 367 Ziffer 15 des Straf-Ges.-Buchs durch rechtskräftig gewordenen [251] Strafbefehl des k. Amtsgerichts N. vom 28. Oktober 1882 in eine Geldstrafe von 10 Mark verurtheilt.

Am 5. Mai 1884 beantragte der Amtsanwalt am genannten Gerichte wegen derselben Uebertretung eine Verhandlung, um nachträglich einen richterlichen Ausspruch gemäß Art. 105 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 2 des Pol.-Straf-Ges.-Buchs zu erwirken.

Die Verhandlung fand am 16. Mai 1884 vor dem Schöffengerichte N. statt und endete mit der Verkündung des Urtheils: „der Polizeibehörde werde in Anbetracht, daß Joseph S. eigenmächtig vom genehmigten Bauplan abgewichen, nachträglich die Ermächtigung zuerkannt, den bauordnungswidrigen Zustand zu beseitigen, die Kosten des Verfahrens habe Joseph S. zu tragen.“

Auf die hiegegen von Joseph S. ergriffene Berufung erkannte aber die Strafkammer des k. Landgerichts W. durch Urtheil vom 28. Juni 1884 zu Recht:

Das Urtheil vom 16. Mai 1884 werde aufgehoben und die Kosten des Verfahrens I. und II. Instanz habe das k. Aerar zu tragen.

Hiegegen hat der landgerichtliche Staatsanwalt Revision eingelegt. In der Revisionsbegründung wird behauptet, das angefochtene Urtheil enthalte eine Verletzung der Art. 18 und 105 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. durch Nichtanwendung, und beantragt:

das Urtheil vom 28. Juni 1884 aufzuheben und entweder die betreffende Ermächtigung der Polizeibehörde sofort auszusprechen oder die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Strafkammer zurückzuverweisen.

Die eingelegte Revision ist jedoch nicht begründet.

Sie hält die bezeichneten Gesetzesartikel für verletzt deshalb, weil nicht dem gegen Joseph S. erlassenen und rechtskräftig gewordenen Strafbefehle vom 28. Oktober 1882 nachgängig und unabhängig von demselben der Polizeibehörde die Ermächtigung zur Beseitigung des Bauwerkes ertheilt wurde, wegen dessen planwidriger Errichtung Joseph S. durch den erwähnten Strafbefehl bestraft worden ist.

Diese Ermächtigung konnte indessen, nachdem Joseph S. wegen der planwidrigen Herstellung des Stadels auf Grund des §. 367 Ziffer 15 des Straf-Ges.-Buchs durch Strafbefehl vom 28. Oktober 1882 rechtskräftig verurtheilt worden war, nicht mehr in einem gesonderten Verfahren ausgesprochen werden, weder auf Grund des Art. 105, noch auf Grund des Art. 18 des Pol.-Straf-Ges.-Buchs. Erstere Gesetzesbestimmung setzt voraus, daß ein Strafurtheil erlassen wird, und ordnet für diesen Fall an, daß der Ausspruch, durch welchen die Polizeibehörde zur Beseitigung des ordnungswidrigen [252] Zustandes für berechtigt erklärt wird, mit dem Strafurtheil – als Nebenstrafe – verbunden werde.

Letztere Gesetzesbestimmung hat zur ausdrücklichen Voraussetzung, daß die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist, und berechtigt nur unter dieser Voraussetzung den Richter, selbstständig – ohne Strafurtheil –, den besagten Ausspruch zu erlassen.

Die Voraussetzungen weder der einen noch der andern Gesetzesbestimmung sind im vorliegenden Falle gegeben.

In dem durch den amtsanwaltschaftlichen Antrag vom 5. Mai 1884 hervorgerufenen Verfahren erging gegen Joseph S. kein Strafurtheil und konnte nach dem Grundsatze ne bis in idem kein Strafurtheil ergehen, da Joseph S. wegen der den Gegenstand auch dieses Verfahrens bildenden Uebertretung bereits zu einer Strafe verurtheilt worden war. Bei dem ebenangeführten Umstande läßt sich anderseits aber auch nicht sagen, daß die Verfolgung oder Verurtheilung des Joseph S. sich als nicht ausführbar darstelle: seine Verfolgung hat stattgefunden und seine Verurtheilung – durch den Strafbefehl – erzielt.

Die Strafkammer hat daher mit Recht die Art. 18 und 105 des Pol.-Straf-Ges.-Buchs als auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar erklärt.