Oberlandesgericht München – Bader oder Baderei ohne Approbation

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 22. April 1887
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1887, Nr. 18, Seite 184–188
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Kurzbeschreibung: Ausübung des Badergewerbes ohne Approbation
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[184]

Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 22. April 1887
in der Sache gegen den Droguenhändler F. X. H. von Sch. wegen Uebertretung nach Art. 127 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs.

Der Angeklagte F. X. H., welcher durch die gesetzlich bestellte Approbations-Prüfungskommission für Bader zu Landshut am 3. August 1868 nach bestandenem Unterrichtskurse der Approbationsprüfung für Bader unterworfen und mit der Note „befähigt“ approbirt, welchem aber durch rechtskräftigen Beschluß des k. Bezirksamts Bogen vom 23. Mai 1885 auf Grund des §. 9 Abs. 1 der allerhöchsten Verordnung vom 24. Juni 1884, die Verhältnisse der Bader betreffend, wegen nachgewiesener Überschreitung seiner Befugnisse die Berechtigung zur Führung des Titels „Bader“ wieder entzogen worden ist, hat in der Nr. 227 vom 5. Oktober 1886 des Straubinger Tagblattes folgende „Erklärung“ veröffentlicht: [185]

„Da gegen mich ein verläumderisches Gerücht verbreitet wird, als dürfte ich mein Geschäft nicht mehr ausüben, so erkläre ich hiemit, daß ich gerade jetzt mein Geschäft besser auszuüben in Stand gesetzt bin und zugleich auch in meiner Droguenhandlung viele Arzneien zum Verkaufe bereit habe, weßhalb ich mich der leidenden Menschheit bestens empfehle. Hochachtungsvollst F. X. H., Droguengeschäft und Badereibesitzer in Sch.“ In der hierin enthaltenen Beilegung des Titels „Badereibesitzer“ hat das Berufungsgericht eine Verfehlung gegen irgend eine strafgesetzliche Bestimmung nicht zu erblicken vermocht und deshalb die vom Amtsanwalte gegen das den Angeklagten von der Anklage wegen einer durch unbefugte Führung des Titels „Bader“ begangenen Uebertretung nach Art. 127 Abs. 1 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. freisprechende schöffengerichtliche Urtheil eingelegte Berufung verworfen. Die hiergegen vom Staatsanwalte eingelegte, auf Verletzung des Art. 127 Abs. 1 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. gestützte Revision ist begründet.

Das angefochtene Urtheil geht von der Annahme aus, daß der Art. 127 Abs. 1 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. gleich der analogen Strafbestimmung des §. 147 Ziff. 3 der Reichs-Gewerbeordnung nur denjenigen mit Strafe bedrohe, der, ohne hiezu approbirt zu sein, sich als Bader bezeichne oder sich einen ähnlichen Titel beilege, durch den der irrige Glaube, der Inhaber desselben sei eine geprüfte Medizinalperson, erweckt werde, und daß in der Handlungsweise des Angeklagten, nachdem dieser nach bestandener Prüfung approbirt worden und ihm durch den bezirksamtlichen Beschluß lediglich die Berechtigung zur Führung des Titels „Bader“, nicht aber die Berechtigung zur Ausübung der den approbirten Badern gesetzlich zustehenden Befugnisse entzogen worden sei, gemäß §. 1 der allerhöchsten Verordnung vom 24. Juni 1884 die dortselbst und in den folgenden Paragraphen aufgeführten Befugnisse, deren Gesammtinhalt mit Recht als „Baderei“ auch abgesehen von der persönlichen Titulatur des Trägers derselben als eines „Baders“ bezeichnet werden könne, wirklich besitze, nicht nur die strafbare Qualifikation seines Titels selbst, sondern auch die geforderte Prämisse fehle, daß derselbe in Folge der Führung der von ihm gewählten Bezeichnung für etwas Anderes gehalten werde oder gehalten werden könne als er wirklich sei, daß er als zu etwas Anderem befugt geglaubt werde oder werden könne als er wirklich befugt sei.

Hierin liegt jedoch eine Verkennung der Tragweite der im Art. 127 Abs. 1 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. enthaltenen Strafbestimmung und eine unrichtige Auffassung der allegirten Verordnung vom 24. Juni 1884.

Nach Art. 127 Abs. 1 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. vom 26. Dezember 1871, welcher mit Bezug auf das niederärztliche Personal [186] neben der Reichs-Gewerbeordnung noch in Wirksamkeit besteht (vergl. in dieser Beziehung das Urtheil des obersten Gerichtshofes für Bayern vom 14. August 1875. Sammlung Bd. V S. 401 ff.), wird an Geld bis zu fünfzig Thalern bestraft, wer, ohne hiezu approbirt zu sein, sich als Bader bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt, durch den der Glaube erweckt wird, der Inhaber desselben sei eine geprüfte Medizinalperson.

Im vorliegenden Falle stand nun die Frage zur Entscheidung, ob der vom Angeklagten gebrauchte Titel „Badereibesitzer“ ein dem Titel „Bader“ ähnlicher ist. Diese Frage ist nicht rein thatsächlicher Natur, denn die Bezeichnung „Bader“ wird im Polizeistrafgesetzbuche in der technischen Bedeutung gebraucht, welche den über die Verhältnisse der Bader bestehenden landesgesetzlichen Bestimmungen entspricht. Nach der früheren bayerischen Gesetzgebung konnte die Ausübung des Badergewerbes nur auf Grund förmlicher Konzessionsverleihung geschehen. (Gewerbsgesetz vom 11. September 1825 Art. 1 – Gesetz-Bl. 1825 S. 127 –; Baderordnung vom 21. Juni 1843 §. 10 – Reg.-Bl. S. 489 –; Baderordnung vom 15. März 1866 §. 9 – Reg.-Bl. S. 375.)

Nachdem aber durch das Gesetz vom 30. Januar 1868, das Gewerbswesen betr. (Gesetz-Bl. 1868 S. 309) die Konzessionspflicht in Wegfall gekommen war (cf. Art. 8 dieses Gesetzes), wurde mit Rücksicht auf die Vorschrift in Art. 32 Ziff. 10 dieses Gesetzes, wornach letzteres auf die Heilkunde einschließlich des Wundarzneidienstes keine Anwendung zu finden hatte, die Baderordnung vom 15. März 1866 einer Revision unterzogen und verordnet, daß zur selbständigen Ausübung der Befugnisse eines Baders diejenigen Inländer berechtigt sein sollen, welche nach Erfüllung der verordnungsmäßigen Voraussetzungen die Approbationsprüfung mit entsprechendem Erfolge bestanden und das 21. Lebensjahr zurückgelegt haben. (Verordg. vom 25. Juni 1868, die Verhältnisse der Bader betr., Reggs.-Bl. S. 1129.)

Endlich nach Einführung der Reichs-Gewerbeordnung, welche es, wie ihre Motive besagen (Verhandlungen des Reichstags für den Norddeutschen Bund 1869 Bd. III S. 112, 113), hinsichtlich der Bestellung des Hülfspersonals für die kleine Chirurgie (der Heilgehülfen) bei den Landesgesetzen bewenden läßt (vergl. auch die allegirte Reichstags-Verhandlungen 1869 Bd. I S. 346 und Bd. III S. 320 n. 86 Nr. 2, Streichung der Worte: „und Heilgehülfen“ aus dem §. 30 Abs. 2) und sich mit den zum sogenannten niederärztlichen Personale gehörigen Medizinalpersonen (abgesehen von den Hebammen) überhaupt nicht beschäftigt (cf. Urtheil des Reichsgerichts vom 25. Januar 1886, Entscheid. Bd. XIII S. 260). wurde auch die Verordnung vom 25. Juni 1868 einer Revision unterzogen und [187] wurden durch allerhöchste Verordnung vom 24. Juni 1884 (Ges.-u. Verord.-Bl. S. 419) die Verhältnisse der Bader neu geregelt. Es bestimmt nun der §. 1 Abs, 1 dieser Verordnung, daß die nach Maßgabe der Verordnungen vom 21. Juni 1843, vom 15. März 1866 und vom 25. Juni 1868 gebildeten, sowie die nach gegenwärtiger Verordnung künftig zu bildenden Personen berechtigt sind, den Titel „Bader“ zu führen. Zur selbständigen Ausübung der Befugnisse (§. 1 Abs. 2, §§. 3 und 4) eines Baders sind gemäß §. 10 jene Angehörigen des Deutschen Reiches berechtigt, welche nach Erfüllung der verordnungsmäßigen Voraussetzungen die Approbation erlangt haben, und die Ertheilung der Approbation als Bader ist gemäß §. 24 Abs. 1 durch das Bestehen der Approbationsprüfung bedingt.

Die technische Bedeutung des Wortes „Bader“ nach dem Stande der jetzigen Gesetzgebung und im Art. 127 Abs. 1 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs. von 1871 ist daher nicht die einer Person, welche die den Badern zugesprochenen Befugnisse oder überhaupt die niedere Heilkunde und niederärztliche Dienste auf Orund der Gewerbefreiheit ausübt und auszuüben das Recht hat, sondern die einer Person, welche solche Ausübung zu bethätigen auf Grund staatlicher Autorisation, als geprüfte und approbirte Medizinalperson, berechtigt ist (vergl. auch das Urtheil des Reichsgerichts vom 8. Mai 1882. Entscheid. Bd. VI S. 260).

Hieraus folgt, daß Derjenige, welcher die Befugnisse eines Baders, wie solche verordnungsmäßig festgesetzt sind, gewerbsmäßig ausübt, ohne approbirt zu sein, eben weil er kein Bader im technischen Sinne ist, auch keine „Baderei“ ausübt, daß daher der Gesammtinhalt seiner gewerblichen Thätigkeit – welche auch über die Befugnisse eines „Baders“ hinausgehen kann – als eine „Baderei“ in der technischen Bedeutung dieses Wortes nicht in Betracht kommen kann, und es wird hiernach wohl auch die Aehnlichkeit des Titels „Badereibesitzer“ mit dem Titel „Bader“ keinem Zweifel begegnen können.

Was nun das Thatbestandsmerkmal: „ohne hiezu approbirt zu sein“ anbelangt, so wurde allerdings dem Angeklagten, wie festgestellt ist, im Jahre 1868 nach bestandener Prüfung die Approbation ertheilt, und er war in Folge dessen in der Lage, eine Baderei in der technischen Bedeutung dieses Wortes auszuüben, er war ein Bader im Sinne des Gesetzes, eine geprüfte und approbirte Medizinalperson. Auf Grund des §. 9 Abs. 1 der alleg. Verordnung vom 24. Juni 1884 aber, wornach Badern, welche ihre Befugnisse überschreiten oder den ihnen obliegenden Verpflichtungen zuwiderhandeln, die Berechtigung zur Führung des Titels „Bader“ entzogen werden kann, ist dem Angeklagten, wie gleichfalls festgestellt ist, durch rechtskräftigen [188] bezirksamtlichen Beschluß vom 23. Mai 1885 diese Berechtigung wieder entzogen worden, und in Folge hievon hat er zugleich aufgehört, ein Bader im Sinne des Gesetzes, eine „geprüfte und approbirte Medizinalperson“ zu sein. Seine frühere Approbation erscheint thatsächlich als zurückgezogen, sie ist jedenfalls hinsichtlich der Anwendbarkeit des Art. 127 Abs. 1 des Pol.-Straf-Ges.-Bchs., welcher seinem Inhalte nach Denjenigen mit Strafe bedroht, der sich durch Selbstbezeichnung als Bader oder dergleichen den Anschein einer geprüften oder approbirten Medizinalperson gibt, ohne es zu sein, eine gleichgiltige Thatsache geworden. Diese Folge ergibt sich aus dem Unterschiede zwischen der nur gewerblichen und der staatlich autorisirten Ausübung der Befugnisse eines Baders, sowie aus der Zusammengehörigkeit der Worte „approbirt“ und „Medizinalperson“ und es kann daher kein Gewicht darauf gelegt werden, daß der §. 9 Abs. 1 der Verordnung von 1884 nur von der Entziehung des Titels, und nicht auch von Entziehung der Approbation spricht.

Die weitere Frage, ob durch die Beilegung des Titels „Badereibesitzer“ von Seite des Angeklagten der Glaube, es sei dessen Träger eine geprüfte Medizinalperson, d. h. ein Bader, erweckt werde, mit anderen Worten, ob die Annahme jenes Titels geeignet sei, diese Täuschung des Publikums oder eines Theiles desselben hervorzurufen, bemißt sich nach den die Titelführung begleitenden Umständen und ist sohin vom Thatrichter zu entscheiden. Hiebei kann selbstverständlich der im angefochtenen Urtheil aufgestellte Gesichtspunkt, daß der Angeklagte durch Beilegung des Titels „Badereibesitzer“ aus dem Grunde keinen irrigen Glauben erweckt habe, weil er die Berechtigung zur Ausübung der Befugnisse der geprüften und approbirten Bader besitze, als ein nach dem oben Gesagten auf Rechtsirrthum beruhender nicht mehr verwerthet werden.

Dem Allem zufolge mußte dem Antrage des diesgerichtlichen Staatsanwalts entsprechend in Anwendung der §§. 393 und 394 Abs. 2 der Straf-Proz.-Ordng. das angefochtene Urtheil nebst den ihm zu Grunde liegenden, von der Gesetzesverletzung betroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, welche sich auch auf die Kosten der Revisionsinstanz zu erstrecken hat, an die landgerichtliche Strafkammer zurückverwiesen werden.