Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Milch! Milch! Milch!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 131–132
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Nahrungsmittel.

Milch! Milch! Milch!


Die Milch ist weißes Blut nicht mit Unrecht zu nennen, denn sie gleicht diesem in ihrer Zusammensetzung fast ganz und ist, außer dem Blute selbst, für uns der einzige Nahrungsstoff, welcher für sich allein, auch wenn wir daneben kein anderes Nahrungsmittel genießen, den Stoffwechsel (das Leben) in unserm Körper gehörig zu unterhalten vermag, und zwar deshalb, weil die Milch alle diejenigen Bestandtheile in sich enthält, aus welchen unser Körper zusammengesetzt ist (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 32 u. 39). Für den Säugling ist die Milch geradezu unentbehrlich; dem Erwachsenen kann sie aber ebenso wohl als Speise wie als Getränk gelten und deshalb wird sie auch beinahe von allen Völkern vorzugsweise gern genossen. Nur die Garrow’s und Nagah’s, halbwilde Stämme in Hinterindien, sowie die Cochinchinesen, sollen die Mich als ein unreines Nahrungsmittel verabscheuen.

Die Milch ist eine in den Brustdrüsen weiblicher Säugethiere abgesonderte Flüssigkeit, welche sich undurchsichtig und von weißer Farbe, bisweilen aber bläulich oder gelblich gefärbt, ohne Geruch und von schwach süßlichem Geschmacke zeigt. Am meisten wird von Menschen die Milch gezähmter, kräuterfressender Thiere, namentlich der Kühe, Ziegen und Schafe benutzt, jedoch genießen manche Völker auch die Milch der Stute und Eselin, des Kameels, Dromedars, Rennthiers und Lamas. Alle diese Thiermilchen unterscheiden sich nun aber ebensowohl unter einander, wie von der des Menschen dadurch, daß die verschiedenen Milchbestandtheile in verschiedener Menge darin vorhanden sind. – Bleibt die Milch einige Zeit in Ruhe stehen, so bildet sich auf ihrer Oberfläche eine dicke, gelbliche, fettige Schicht, der sogenannte Rahm oder die Sahne, während die darunter befindliche Flüssigkeit dünner und bläulich wird. Nach etwas längerem Stehen (besonders in der Wärme und bei Gewittern) wird die Milch sauer und gerinnt (wird zu einer dicken, fast breiigen Flüssigkeit); das Dünnflüssige zwischen und über den Gerinseln schmeckt sauer und wird Molken genannt, das Geronnene ist der Quark, Käse.

Die chemisch-mikroscopische Untersuchung der Milch ergibt, daß dieselbe vorzugsweise aus Wasser besteht, in welchem als die hervorstechendsten Substanzen eine eiweißartige Materie, nämlich der Käsestoff oder Casein (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 39) und der Milchzucker aufgelöst sind; neben welchen Stoffen sich dann noch die auch im Blute vorkommenden Salze (besonders phosphorsaurer Kalk und Kochsalz) und Eisen vorfinden. In dieser klaren Auflösung von Käsestoff, Milchzucker und Salzen schwimmen unzählige, nur durch das Mikroscop wahrnehmbare Kügelchen, welche Milch- oder Butterkügelchen genannt werden und der Milch ihre Weiße und Undurchsichtigkeit geben. Sie sind es, welche ihrer Leichtigkeit wegen beim Stehen der Milch sich oben auf als Rahm sammeln und die Butter geben, denn sie bestehen aus einem Bläschen, in dem sich Butter befindet. Sonach sind die Hauptbestandtheile der Milch: Käsestoff, Fett (Butter), Milchzucker, Salze und Eisen; das Mengenverhältniß dieser Stoffe zu einander ist in den verschiedenen Milcharten verschieden und ändert sich auch in Etwas nach dem Genusse von verschiedenen Nahrungsmitteln. Die Kuhmilch ist reich an Käsestoff, fester Butter und Salzen; die Schafmilch enthält etwas weniger Käsestoff und Butter, aber etwas mehr Milchzucker als die Kuhmilch; die Ziegenmilch gleicht fast ganz der Schafmilch; die Eselsmilch ist weit ärmer an Käsestoff und Butter als Kuhmilch, dagegen weit reicher an Milchzucker; die Stutenmilch enthält sehr wenig Käsestoff, dagegen sehr viel Fett und viel Milchzucker; die Kameelmilch soll ihres Fettreichthums wegen sehr dick sein, salzig-bitter schmecken und vor dem Genuß mit Wasser verdünnt werden; die Rennthiermilch ist sehr fetthaltig und soll im Winter einen unangenehmen talgigen Geschmack haben. Die Frauenmilch ist mehr bläulichweiß als die Kuhmilch und schmeckt süßer als dieselbe, sie säuert weniger leicht, als andere Milch und beim Gerinnen wird sie nicht so dicht und fest; sie ist weit reicher an Milchzucker, aber ärmer an Käsestoff, Butter und Salzen als die Kuhmilch. Der Frauenmilch am ähnlichsten ist die Eselsmilch. Will man Kuhmilch der Frauenmilch ähnlich machen, so muß erstere nicht blos mit Wasser verdünnt werden, sondern es ist dieser Verdünnung auch noch Rahm (Butter) und Milchzucker zuzusetzen (s. später bei Behandlung des Säuglings). Nach einigen Untersuchungen soll die Milch von Brünetten reicher an Käsestoff, Zucker und Butter sein als die von Blondinen.

Was den Einfluß der Nahrungsmittel auf die Beschaffenheit der Milch betrifft, so lehren Versuche, daß derselbe unläugbar ist, daß fettreiche Nahrung und Ruhe den Buttergehalt vermehren, daß bei vegetabilischer Kost die Milch reicher an Butter und Zucker, bei reichlicher, gemischter, besonders eiweißreicher Nahrung, reich an Käse und Butter wird. Bei stillenden Frauen fand sich, daß die Milch während der Dauer des Säugens allmälig Veränderungen erleidet; denn während der Buttergehalt sich ziemlich gleich bleibt, nimmt im Verlaufe des Stillens entsprechend dem Wachsthume des Säuglings der Käsegehalt zu, während der Milchzucker sich allmälig vermindert. Dies ist beim Aufziehen kleiner Kinder ohne Amme wohl zu berücksichtigen. – [132] In welcher Weise die Milch durch Krankheiten, Arzneistoffe und Gemüthsbewegungen verändert wird, ist noch nicht erforscht, doch darf eine kranke (besonders brustkranke) und Arznei nehmende Mutter oder Amme nie stillen und die Kuh, von welcher ein Säugling die Milch erhält, sollte stets genau untersucht werden (vorzüglich schwindsüchtiger Lungen wegen). Eine Thatsache ist, daß die Farbe der Milch nach dem Genusse gewisser Pflanzen eine besondere Färbung annehmen kann; so wird sie beim Füttern mit Safran gelb, mit Färberröthe roth, bei indigohaltigen Gewächsen blau; durch bittere Kräuter erhält auch die Milch einen bittern Geschmack, und würzige Kräuter machen den Geruch derselben aromatisch; Jod geht sehr schnell in die Milch über.

Das Sauerwerden und Gerinnen der Milch, welche längere Zeit an der Luft gestanden hat, beruht auf der Bildung von Milchsäure aus dem Milchzucker, in Folge der Verbindung des atmosphärischen Sauerstoffs mit dem Zucker. Diese neugebildete Milchsäure verbindet sich nämlich mit dem Natron (zu milchsaurem Natron), welches den Käsestoff aufgelöst erhielt, und so wird dieser nun als feste Substanz (Gerinnsel) ausgeschieden. Ein Theil des Käsestoffs bleibt aber in der sauren Milch gelöst und dieser hat dem Namen Zieger erhalten. Es läßt sich übrigens das Gerinnen der Milch (die Ausscheidung des Käsestoffs) auch dadurch künstlich bewerkstelligen, daß man derselben den sauern Laabmagen (des Kalbes) oder saure Stoffe (Weinstein, Tamarinden) zusetzt. Verhindert kann dagegen das Gerinnen auf die Weise werden, daß man die Milch soviel als möglich von der atmosphärischen Luft entfernt hält und öfters abkocht, wodurch die Luft aus der Milch herausgetrieben wird. Etwas wirkt auch die während des Kochens auf der Milch sich bildende Haut conservirend, insofern sie den Zutritt der Luft beschränkt. Solche oft abgekochte und lange aufbewahrte Milch ist durchaus nicht schlechter als andere und enthält nur etwas weniger Wasser als frische Milch, weil dieses zum Theil beim Kochen verdampft ist. Außerdem läßt sich das Sauerwerden der Milch verhüten und aufhalten durch Zusatz kleiner Mengen kohlensauren Natrons. Saure oder dicke Milch unterscheidet sich übrigens von frischer Milch nur dadurch, daß in jener ein Theil des Milchzuckers in Milchsäure verwandelt ist, in einen Stoff, der dem menschlichen Körper ebenso dienlich ist, wie der Milchzucker. – Molken oder Schotten nennt man diejenige Flüssigkeit, welche nach dem Abrahmen und Gerinnen der Milch zurückbleibt; man bezeichnet sie als natürliche oder künstliche Molken, je nachdem die Milch entweder beim längeren Stehen durch den Sauerstoff der Luft oder durch Zusatz von Saurem zur Gerinnung gebracht wurde. Es besitzen sonach die Molken von den nahrhaften Bestandtheilen der Milch (nämlich Käsestoff und Butter) äußerst wenig, wohl enthalten sie aber die Satze der Milch, die Milchsäure und noch etwas Milchzucker. Jedenfalls ist sonach Milch weit nahrhafter, als Molken. – Die blaue Milch der Kühe verdankt ihre Farbe Infusions-Thierchen oder niedern Pflanzen (Schimmel). – Buttermilch heißt der nach Entfernung des Fettes (nach dem Buttern) zurückbleibende und etwas säuerlich gewordene Theil der Milch, welcher noch aus Käsestoff, Milchzucker und Milchsäure, den Milch-Salzen und nur sehr wenig Fett besteht.

Die Nahrhaftigkeit und Verdaulichkeit der Milch ist nach ihrem verschiedenen Gehalte an Käsestoff und Butter etwas verschieden. Je mehr sie nämlich von diesen beiden Substanzen enthält, desto nahrhafter, aber um so weniger leicht verdaulich ist sie, während umgekehrt eine käsestoff- und butterarme Milch sehr leicht verdaut wird, aber nicht sehr nahrhaft ist. Auch kommt dabei noch sehr viel auf die Beschaffenheit des Käsestoffes und des Fettes (der Butter) an; es handelt sich darum, ob der erstere zu einer festeren oder lockerern Masse gerinnt und ob das Letztere ein flüssigeres oder ein festeres Fett ist. Sodann hat ferner noch die Beschaffenheit des Magens und Magensaftes großen Einfluß auf die Verdauung der Milch. Denn innerhalb des Magens gerinnt in Folge der Einwirkung des sauren Magensaftes die Milch und es bilden sich dabei nach der Menge und Gerinnbarkeit des Käsestoffs größere oder kleinere, festere oder weichere Käse, welche dann vom Magensafte durchzogen und allmälig, wenigstens theilweise wieder flüssig gemacht werden müssen. Sind diese Quarkstückchen groß, fest und von viel Butter umgeben oder durchzogen, so kann der wässerige Magensaft nicht gehörig in dieselben eindringen und eine richtige Auflösung bewerkstelligen. Der Zusatz von kohlensaurem Natron oder eines diese Substanz enthaltenden Mineralwassers zur Milch, scheint den Käsestoff derselben verdaulicher zu machen, sowie auch das Entfernen eines Theiles der Butter die Milch besser verdauen läßt. Um zu verhüten, daß sich zu große Käse im Magen bilden, muß man beim Milchtrinken zugleich Brot u. dgl. genießen, weil durch die Brotstückchen der gerinnende Käsestoff zertheilt wird und nur kleinere Gerinnsel bildet. Daß beim Milchgenuß häufig abnorme Säurebildung beobachtet wird, erklärt sich aus der Leichtigkeit, mit welcher der Milchzucker in Milchsäure übergehen kann, zumal wenn die Aufsaugung im Magen verlangsamt ist. – Sonach gehört die Kuhmilch nicht zu den sehr leicht zu verdauenden, wohl aber, wenn sie käse- und butterreich ist, zu den nahrhaftesten Nahrungsmitteln; deshalb ist auch einem schwachen, kranken Magen kräftige Fleischbrühe und flüssiges Ei (Eiweiß und Dotter) weit mehr zu empfehlen als Milch. Vorzüglich muß nun aber bei kleinen Kindern, welche mit Kuhmilch aufgezogen werden, auf die Beschaffenheit und Zubereitung dieses Nahrungsstoffes die gehörige Rücksicht genommen werden, so wie auch die Art der Ernährung stillender Mütter oder Ammen nicht ohne Bedeutung für die Milchabsonderung ist (wovon später).

NB. Wem der Geruch übergelaufener und verbrannter Milch so unangenehm wie dem Verfasser ist, der lasse sich einen schweren schüsselartigen Deckel auf seinen Milchtopf machen, aus dessen Mitte ein kleines trichterförmiges Rohr aufsteigt und in dessen Boden mehrere Löcher befindlich sind. Die nach dem Zerplatzen der Haut herauslaufende Milch steigt hier durch das Rohr in die Höhe, stürzt oben heraus und auf den schüsselförmigen Deckel herab, und kehrt durch die Oeffnungen desselben in den Topf zurück. So bleibt sie alsdann ungerochen, die Nachlässigkeit des Dienstmädchens beim Milchabkochen. B.