Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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seine Abendunterhaltung ausmachen. Zur Sommerszeit geht man gerne spatziren, und besucht an Sonn- und Feiertagen manchmal auch an Feierabenden, besonders was unsre Manufakturisten sind, die öffentliche Garten- und Kellerhäuser außer der Stadt, wo Bier und Wein geschenkt wird, und vergnügt sich da theils mit Kegelschieben, Billardspielen u. s. w., theils mit fröhlichen und kläglichen Gesprächen und andern gesellschaftlichen Unterhaltungen. Sonst war auch das gesellschaftliche Scheibenschiesen unter den Bürgern sehr üblich und beliebt, ist aber jetzt aus bekannten Gründen abgekommen; so wie auch die sonst hier übliche biblische Comödien, welche in den Fasten von den Bürgern aufgeführt wurden, als am Charfreitag die Vorstellung des Leiden Christi; am Palmtag dessen Einzug in Jerusalem u. a., dann die gewöhnlich lustig komische Possen zu Carnevalszeiten auf den öffentlichen Straßen bey Tagszeit in neuern Zeiten theils abgeschaft worden, theils von selbst außer Gebrauch gekommen sind. Der Tanz gehört auch vorzüglich unter die beliebten Ergötzungen, wozu es bey uns, in den Carnevalszeiten besonders, bey Hochzeiten und Jahrtägen der Handwerker gar manche Gelegenheit giebt, und worinn von vielen jungen Leuten beiderley Geschlechts zum Nachtheil ihrer Gesundheit oft ausgeschweift wird. Man tanzt gewöhnlich deutsche Tänze, und unter diesen am liebsten den Walzer, welcher aber gerade, weil er so wohl Leidenschaften rege macht, die in den Jahren, wo gerne getanzt wird, schwer in Schranken zu halten sind, als weil er den Körper, besonders durch das jetzt so beliebte Langaustanzen übermäßig erhitzt

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und ermüdet, gefährlich und oft für die Gesundheit höchst nachtheilig ist; und nicht selten sind Husten, Blutspeien, besonders bey Mädchen, die sich hierinn an keine Regel binden wollen, und manche andere, anfänglich unbedeutend scheinende Kränklichkeiten, die gerne mit der Lungensucht und Auszehrung sich enden, die traurigen Folgen dieses Tanzes. Auch schottische Tänze (Ecosois) sind seit einigen Jahren beliebt geworden, die aber nicht weniger erhitzen und ermüden, und wohl nach Umständen von gleichen üblen Folgen seyn können.

Das Tobackrauchen ist, besonders seitdem mehr braunes Bier getrunken wird, eine sehr übliche Sitte; und nicht selten sieht man schon Knaben von 14 Jahren mit Nachahmung dieser Gewohnheit groß thun, die noch dazu weder Maaß noch Ziel kennen, und daher sich häufig durch Verschwendung ihrer zum Wachsthum nöthigen Säfte an ihrer Gesundheit schaden, und schon frühzeitig den Grund zu mancherley Brustbeschwerden legen, die bey manchen die schon natürliche Anlage zur Lungensucht, welche so häufig bey uns vorkommt, zum wirklichen Ausbruch befördern.

Noch gebräuchlicher ist das Tobackschnupfen, welches nicht viele besser und in Hinsicht der Unreinlichkeit noch schlimmer ist; auch unter dem weiblichen Geschlecht herrscht diese Gewohnheit, dem sie wohl weniger ansteht, ziemlich häufig.

Der Luxus, welcher jetzt das Hauptprinzip der Menschen geworden zu seyn scheint, aber sicher auch das Grab des Wohlstandes so mancher Familien, und der Grund und die Erzeugungsquelle so mancher