Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wittgenstein“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 703
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Wittgenstein. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 703. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wittgenstein (Version vom 14.04.2021)

[703] Wittgenstein, ehemals reichsunmittelbare Grafschaft im oberrheinischen Kreis, von den hessen-darmstädtischen Ämtern Battenberg und Biedenkopf, dem Fürstentum Nassau Dillenburg und dem Herzogtum Westfalen begrenzt, umfasst 487 qkm (8,8 QM.) mit 16,000 Einw. und bildet jetzt die beiden Standesherrschaften W.-Wittgenstein und W.-Berleburg. Die Grafen von W. und Battenberg werden zuerst 1174 genannt und scheinen gleichen Ursprungs wie die von Solms zu sein. Seit 1223 sind sie Lehnsleute des Erzstifts Mainz. Bei der Teilung der Besitzungen zu Ende des 13. Jahrh. entstand die eigentliche Linie W., welche 1359 im Mannesstamm erlosch, worauf die Grafschaft an den Grafen Salentin von Sayn fiel (s. Sayn und Wittgenstein).

Wittgenstein, Ludwig Adolf Peter, Fürst, geb. 5. Jan. 1769 zu Njeshin, widmete sich, wie sein Vater Graf W., welcher unter der Kaiserin Elisabeth nach Rußland eingewandert war und sich bis zur Stellung eines Generalleutnants hinaufgedient hatte, dem Kriegsdienst. Er nahm teil an den militärischen Operationen in Polen 1795, wo er bei Dubenka, Chelm und Otwlenka mit Auszeichnung kämpfte. Hierauf war er im Kaukasus thätig und that sich bei der Einnahme von Derbent hervor. 1805 kämpfte er bei Austerlitz in der Avantgarde. 1806 nahm er am türkischen Krieg teil; hierauf focht er bei Friedland. Nach dem Frieden von Tilsit wurde ihm die Verteidigung der von den Russen in Finnland besetzten Gebiete aufgetragen. 1812 erhielt W. den Auftrag, die Ufer der Düna gegen die Franzosen zu verteidigen. Er nötigte bei Kljastizy und bei Golowtschizy die Franzosen zurückzuweichen (Juli); in der letztern Schlacht wurde er verwundet. Seine Erfolge sicherten St. Petersburg vor einem etwanigen Angriff der Franzosen. Im Oktober verdrängte er Saint-Cyr aus Polozk und siegte hierauf 30. Okt. bei Tschaschniki. W. besetzte 6. Jan. 1813 Königsberg, 10. März Berlin, welches er durch den Sieg bei Möckern vor einem Angriff Murats schützte, und übernahm nach Kutusows Tode den Oberbefehl über die verbündete Armee, wurde aber bei Großgörschen und Bautzen besiegt. Er legte daher den Oberbefehl nieder, befehligte fortan das russische Korps in der böhmischen Armee, nahm energischen Anteil an den Schlachten bei Dresden und Leipzig und an der Verfolgung der Franzosen; bei Bar sur Aube (27. Dez. 1814) wurde er schwer verwundet. W. genoß in Rußland eine sehr große Popularität und war Gegenstand unzähliger Ovationen. 1818 ward er Mitglied des Reichsrats, 1823 Feldmarschall. Zu Anfang des türkischen Feldzugs 1828 nahm er an den Operationen teil, mußte aber 1829 wegen zerrütteter Gesundheit seinen Abschied nehmen. 1834 verlieh ihm der König von Preußen den Fürstentitel. Er starb 11. Juni 1843 in der Nähe von Lemberg.