Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wald“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 341342
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Wald. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 341–342. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wald (Version vom 02.05.2024)

[341] Wald, diejenigen Teile der Erdoberfläche, welche mit einer Vegetation gesellig wachsender Baumgewächse bedeckt sind. W. ist der allgemeinere Begriff, Forst (s. d.) der engere. Letzteres Wort bezeichnet einen für einen regelmäßigen Betrieb eingerichteten W. Der W. gehört zu den ursprünglichen Vegetationsformen, welche aller menschlichen Kultur vorangehen (s. Urwald). In ihm gelangt der Kampf der Baumindividuen um Luft und Licht sowie um den erforderlichen Wurzelraum, d. h. um ihr Dasein, zur vollen, ungehemmten Geltung. Ohne Regel und in buntestem Wechsel baut sich hier Altersklasse über Altersklasse, stellt sich Holzart neben Holzart, und es ringen nur solche Stämme sich durch, welche die kraftvollste Entwickelung haben. Überall über den emporstrebenden Jungwüchsen steht breitkronig und reich entwickelt der alte Mutterstamm, dessen Same jene erzeugt hat. Zusammenbrechend in morsche Trümmer oder vom Sturm geworfen, weicht endlich der Oberbaum, und in die Lücke wachsen die jüngern. Überall im Naturwald stehen alle Waldformen, Holzarten, Altersstufen übereinander, während im Kulturwald (Forst) Waldformen und Altersklassen in der Regel (bei der Schlagwirtschaft) in gleichartigen Massen (horizontal) nebeneinander geordnet erscheinen. Der W. erscheint auf den niedrigsten Kulturstufen überall als ein Kulturhindernis. Zerstörung desselben, um ackerbares und Weideland zu gewinnen, ist Vorbedingung fester Niederlassungen, des Ackerbaues, sozialer und wirtschaftlicher Gestaltungen. Diese durch die Hand des Menschen bewirkten Veränderungen der Vegetation der Erdoberfläche gehen dann in der Geschichte aller Völker neben den sozialen und politischen sowie den allgemein wirtschaftlichen Entwickelungen einher, wenig beachtet von der Geschichtsforschung, dennoch von tief eingreifender Bedeutung für die Geschicke der Völker. Denn nur bis zu einer gewissen Grenze ist die Waldzerstörung vernünftig und wirtschaftlich; über diese Grenze hinaus wird sie unvernünftig und gemeinschädlich. Die Bewaldung eines Landes hat nicht nur eine privatwirtschaftliche Bedeutung, indem wir im W. Bau-, Nutz- und Brennholz gewinnen sowie nutzbare Rinden, Früchte, Futter- und Streustoffe finden, sondern es ist die Kulturfähigkeit der Länder im ganzen von einer angemessenen Bewaldung derselben abhängig. Unverständige Entwaldung der Berge führt Abschwemmungen des fruchtbaren Erdreichs von den Höhen und Gehängen durch Regengüsse, Abrutschungen, welche die Thalgelände mit Gerölle, Kies und Sand überdecken, stark wechselnden Wasserabfluß von den Höhen herbei, so daß heftige Überflutungen der Thäler mit gänzlicher Trockenheit wechseln, mindert den Quellenreichtum und die Bodenfrische etc. Auch in den Flachländern spielt der W. eine wichtige Rolle. Dauernde Bedeckung des Bodens mit wurzelstarken Baumgewächsen allein ist im stande, den Flugsand zu festigen und das Überwehen ackerbarer Grundstücke mit demselben zu hindern. An den Meeresufern bindet der W. die Dünen und schützt die Küstenstriche einigermaßen gegen die kulturschädlichen Wirkungen jener heftigen Luftströmungen, welche dem Litorale eigen sind. In ethischer Beziehung bedingen Waldungen in hohem Grade die landschaftliche Schönheit einer Gegend und stehen in einer tiefen und ernsten Beziehung zu dem geistigen und gemütlichen Leben des Volkes. Die oben angeführte Grenze, jenseit deren die Waldzerstörung unwirtschaftlich ist, wird nicht leicht erkannt und ist unter dem Einfluß starker privatwirtschaftlicher Motive, welche dazu drängten, die Fläche des ackerbaren Bodens zu mehren, fast in allen Ländern höherer Kulturentwickelung überschritten worden. Zur Zeit findet sich in Europa folgender Waldbestand der einzelnen Länder. Es betrug:

  die Ge-
samtfläche
1000 Hektar
der Bestand
an Forsten
u. Holzungen
1000 Hektar
Proz.
bewal-
det
Hektar
auf 1
Einw.
in Belgien auf
2496 489 19,6 0,09
„ Dänemark
3957 190 4,8 0,10
„ Deutschland
54060 13900 25,7 0,30
„ England
31495 1261 4,0 0,04
„ Frankreich
52840 9388 17,7 0,25
„ Griechenland
6469 850 13,1 0,43
„ Holland
3297 230 7,0 0,06
„ Italien
29632 3656 12,3 0,13
„ Norwegen
31820 7806 24,5 4,32
„ Österreich
30002 9777 32,5 0,44
„ Ungarn
32311 9168 28,4 0,58
„ Portugal
8962 471 5,3 0,11
„ Rumänien
13140 2000 15,2 0,37
im eur. Rußland  „
541964 200000 36,9 2,37
in Schweden
44282 17569 39,7 3,85
„ der Schweiz
4139 781 18,9 0,27
„ Serbien
4859 969 19,9 0,58
„ Spanien
49724 8484 17,0 0,52

Im ganzen ist in Europa mehr als ein Viertel (27–28 Proz.) der Bodenfläche mit W. bedeckt. Die oben angegebenen mittlern Bewaldungsziffern jedoch geben nur ein unvollkommenes Bild des Waldbestandes der einzelnen Länder, weil innerhalb derselben sehr große Schwankungen der Bewaldung hervortreten. Nordfrankreich z. B. ist ziemlich stark bewaldet, während größere Teile von Südfrankreich ganz waldleer sind. In Deutschland schwankt das Bewaldungsverhältnis zwischen 0 Proz. (Bremen) und 45 Proz. (Schwarzburg-Rudolstadt). Selbst in dem [342] waldreichen europäischen Rußland treten große Schwankungen hervor. Es betragen nämlich die Waldungen in Prozenten der Gesamtfläche:

in den Nordgouvernements (nördl. v. 60. Breitengrad) 61 Proz.
Ostgouvernements (50–60° nördl. Br., 42–56° östl. L.) 44
zentralen nördlichen Gouvernements (55–60° nördl. Br., 30–43° östl. L.) 50
zentralen südlichen Gouvernements (50–55° nördl. Br., 30–43° östl. L.) 19
Westgouvernements (50–60° nördl. Br., 20–30° östl. L.) 36
im Königreich Polen 27
in den Südgouvernements (45–50° nördl. Br.) 05

Auch hier sind also die zuletzt genannten Teile des weiten Reichs sehr waldarm. Eine Normal-Bewaldungsziffer für die einzelnen Länder festzustellen, ist sehr schwierig, ja nach dem heutigen Stand unsrer Forschung unmöglich. Die Lage eines Landes in einer wärmern oder kältern klimatischen Zone, in der Nähe großer Meere oder im Innern weiter Kontinente, der gesamte Bodenkulturzustand desselben, das Vorhandensein oder Fehlen zahlreicher Baumpflanzungen (Fruchtbäume) außerhalb der Waldungen, der größere oder geringere Reichtum an fossilen Brennstoffen u. a. m. sind für die Frage der Normalbewaldung maßgebend, und es ist eine Aufgabe der Zukunft, diese gesamten Verhältnisse in einem klaren statistischen Bild zusammenzustellen. Die traurigen Folgen der Entwaldung sind inzwischen in vielen Ländern bereits hervorgetreten, so z. B. im mittägigen Frankreich, in Spanien, Griechenland, im Küstengebiet von Triest, auch in vielen Gegenden von Deutschland (Westerwald, Flachland von Hannover, Schleswig-Holstein, auf der pommerschen Platte, in Westpreußen, am Niederrhein etc.). In vielen europäischen Staaten hat die Gesetzgebung diesen Verhältnissen ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Insbesondere wurden gesetzliche Bestimmungen zum Zweck der Erhaltung von Schutzwaldungen (s. d.) oder auch der Neubegründung von solchen erlassen in Bayern 1852, Österreich 1853 und 1884, Frankreich 1860, 1864 und 1882, in Preußen 1875, in der Schweiz 1876, in Italien 1877, Ungarn und Württemberg 1879.

Jedenfalls ist es notwendig, die Bewirtschaftung derjenigen Waldungen, deren Erhaltung und pflegliche Benutzung im öffentlichen Interesse liegt, gesetzlichen Beschränkungen zu unterziehen. Und um in dieser Beziehung weit genug gehen zu können, sollte man nicht alle Waldungen gleich behandeln. Manche könnten vollständig frei gelassen werden, andre wären einem um so strengern Schutz zu unterstellen. Und wo auch dieser nicht ausreicht oder zu lästig sein sollte und die zu erhaltenden Waldungen nicht auf dem Weg freier Vereinbarung von Staat oder Gemeinde erworben werden können, sollte die Möglichkeit der Enteignung vorgesehen werden. Selbst in den waldreichen Unionsstaaten von Nordamerika hat der Kongreß infolge der Waldverwüstung eine Enquete über die Waldverhältnisse veranlaßt, um eine Grundlage für gesetzliche Maßregeln zu gewinnen.

Vgl. Roßmäßler, Der W. (3. Aufl., Leipz. 1880); Ebermayer, Die physikalischen Einwirkungen des Waldes (Aschaffenb. 1873); Liburnau, W., Klima und Wasser (Münch. 1879); T. Nördlinger, Der Einfluß des Waldes auf die Luft- und Bodenwärme (Berl. 1885); Geyer, Der W. im nationalen Wirtschaftsleben (Leipz. 1879); Lehr, Forstpolitik, in Loreys „Handbuch der Forstwissenschaft“ (Tübing. 1887); Semler, Tropische und amerikanische Waldwirtschaft (Berl. 1888); Seidensticker, Waldgeschichte des Altertums (Frankf. a. O. 1886, 2 Bde.); „Die Bodenkultur des Deutschen Reichs“ (hrsg. vom kaiserl. Statist. Amt, Berl. 1881, mit 15 Karten); „Übersichtskarte von den Waldungen Preußens“ (amtlich; das. 1887, 8 Blatt) und Litteratur bei den Artikeln: Forsthoheit, Forstwissenschaft, Waldbau etc.

Wald, 1) Stadt im preuß. Regierungsbezirk Düsseldorf, Kreis Solingen, Knotenpunkt (Station Ohligs-W.) der Linien Haan-Mülheim-Deutz und Ohligs-Solingen der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, eine höhere Knabenschule, zahlreiche Eisen- und Stahlwarenfabriken, Hammerwerke, Dampfschleiferei, Regenschirmfabrikation und (1885) 9882 meist evang. Einwohner. – 2) (Klosterwald) Flecken im preuß. Regierungsbezirk und Oberamt Sigmaringen, hat eine kath. Kirche, ein Amtsgericht und (1885) 513 Einw. – 3) Pfarrdorf im schweizer. Kanton Zürich, Bezirk Hinweil, Knotenpunkt der Bahnlinien Winterthur-W. und Rüti-W., mit mehreren mechanischen Spinnereien und Webereien und (Gemeinde) (1888) 6370 Ew.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 815816
korrigiert
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[815] Wald. Die Frage, ob und in welchem Grade der W. einen Einfluß auf die atmosphärischen Niederschläge ausübt, ist ebensowohl für die Meteorologie wie auch für das praktische Leben (Land- und Forstwirtschaft) von großer Bedeutung. Eine Reihe von darauf bezüglichen Untersuchungen hat viel Material zusammengebracht, doch ist dasselbe noch nicht ausreichend, um schon jetzt eine endgültige Antwort auf diese wichtige Frage geben zu können. Nach verheerenden Überschwemmungen, wie sie z. B. im Spätherbst und im Dezember 1882 in Österreich und im südwestlichen Deutschland aufgetreten sind, ist die allgemeine Aufmerksamkeit immer wieder von neuem darauf gerichtet, ob derartige Wasserschäden nicht wenigstens zum Teil durch starkes Abholzen der Wälder, besonders in den Gebirgen, hervorgebracht sind. Die Ansichten hierüber sind verschieden, und die sich dabei ergebenden Gegensätze haben ihren Grund darin, daß Beobachtungen, durch welche der Einfluß des Waldes derart bestimmt werden könnte, schwer anzustellen sind, weil die erforderlichen äußern Verhältnisse selten vorhanden sind. Es ist nämlich nötig, den mittlern Regenfall in einer und derselben Gegend von nicht zu kleiner Ausdehnung im bewaldeten und nichtbewaldeten Zustand, also etwa vor und nach ihrer Entwaldung oder vor und nach ihrer Bewaldung, festzustellen. Die ältern Kulturstaaten bieten dazu selten Gelegenheit, doch finden sich zuweilen außerhalb Europas Verhältnisse, welche solche Beobachtungen möglich machen, und sind auch in der That dazu benutzt worden, um darauf bezügliche Untersuchungen anzustellen. Die dabei erhaltenen Resultate sind aber wegen der fremdartigen Einflüsse, welche sich nicht leicht in Rechnung ziehen lassen, bis jetzt nicht entscheidend gewesen.

Hervorzuheben sind zum Teil die Arbeiten über die Regenbeobachtungen von Gannet, welche sich auf Gebiete der Vereinigten Staaten von Nordamerika beziehen, in denen eine wesentliche Änderung ihrer Vegetation, sei es durch Aufforstung oder Entwaldung, sei es durch Kultivierung des Bodens, eingetreten ist. Hat eine kontinuierliche Änderung der Vegetation stattgefunden, und wird dadurch ein Einfluß auf die Regenmenge ausgeübt, so müßte dieser sich in den gemessenen Niederschlägen offenbaren. Die Prärieregion, welche Iowa sowie die größten Teile von Missouri, Minnesota und Illinois umfaßt, hat in den letzten 30 Jahren durch Aufforstung einen Waldbestand erhalten, der dieser Gegend früher fehlte; dagegen hat Ohio gegenwärtig nur etwa noch den zehnten Teil seines frühern Waldreichtums, und ebenso ist Massachusetts, Connecticut, New York und andre Gebiete allmählich fast ganz entwaldet. Andre Veränderungen sind im Westen der Vereinigten Staaten eingetreten, wo sich Kulturländereien außerordentlich ausgedehnt haben, und wo von den Bewohnern allgemein angenommen wird, daß durch die Kultur des Bodens die jährliche Niederschlagsmenge eine wesentliche Zunahme erfahren habe. Die direkten Regenbeobachtungen in allen den Gebieten, in welchen diese Veränderungen stattgefunden, führen nach Gannet zu dem Resultat, daß Abholzung, Aufforstung oder Kultivierung eines Landes keinen merklichen Einfluß auf die Menge des Niederschlags haben. Zu demselben Schluß führen auch die Beobachtungen, welche in der algerischen Provinz Konstantine, in welcher in einzelnen Gegenden bedeutende Entwaldungen, in andern wieder Aufforstungen stattgefunden haben, von 1850 bis 1875 angestellt sind, und aus denen sich ergibt, daß die Größe der Niederschläge vor und nach der Entwaldung sowie vor und nach der Aufforstung keinen wesentlichen Unterschied zeigen.

Das gerade entgegengesetzte Resultat ergaben die Beobachtungen von Blanford in den südlichen Zentralprovinzen Indiens, wo auf einem Gebiet von ca. 61,000 engl. QMeilen, das früher entwaldet wurde, und das sich allmählich wieder größtenteils mit W. bedeckt hat, sowohl während der Zeit seiner Entwaldung als auch später eine größere Anzahl von Regenstationen in Thätigkeit waren. Vor 1875 wurden die Wälder von den Eingebornen vernichtet, und das Land war, soweit es unkultiviert war, eine steinige Fläche. Seit 1875 ist der Vernichtung der Wälder durch die Regierung Einhalt gethan, und seitdem haben sich etwa fünf Sechstel der Fläche wieder mit W. bedeckt. Da sowohl für die Zeit, in welcher dieses Gebiet vom W. entblößt, wie auch später, als wieder Bewaldung eingetreten war, Regenbeobachtungen vorliegen, so konnte ermittelt werden, ob eine Zunahme der Regenmenge mit der Zunahme der Bewaldung eingetreten war oder nicht. Um dabei von einer event. Änderung in der Größe des Regenfalles während der verschiedenen Zeitperioden unabhängig zu sein, wurde die während der Entwaldung und während der Wiederbewaldung gefallene Regenmenge, mit der außerhalb dieses Gebiets in derselben Zeit beobachteten verglichen, und es ergab sich, daß, während die Wälder wieder geschützt waren, in der Waldregion eine Zunahme von 12 Proz. der mittlern Regenmenge eingetreten war. Außerdem ergab es sich, daß seit 1875, dem Beginn der Wiederbewaldung, eine fortschreitende Zunahme des Regenfalles vorhanden war, während sich derselbe über ganz Indien sehr konstant hielt. Infolgedessen würden die Beobachtungen in Indien zu dem Schluß führen, daß der W. wenigstens in dem Klima eines heißen Landes wie Indien eine Zunahme des Regenfalles bewirkt.

Welches von diesen beiden verschiedenen Resultaten die allgemeinen Verhältnisse über den Einfluß des Waldes auf die Größe der Niederschläge richtig darstellt, muß vorläufig dahingestellt bleiben. Gegen die Beobachtungen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in Algerien kann ein Einwand erhoben werden, welcher bei den von Blanford in Indien [816] angestellten nicht zutrifft. Weil nämlich die Größe des Regenfalles, wie Brückner für Deutschland und Latham für England nachgewiesen haben, gewisse Perioden von Regenarmut und Regenreichtum aufweist, so ist es wohl möglich, daß, wenn eine regenarme Zeit mit der Zeit der größern Bewaldung zusammenfällt, ein geringerer Niederschlag beobachtet wird, als in frühern Zeiten einer geringern Bewaldung, derselbe aber trotzdem größer gewesen sein könnte, als er gewesen wäre, wenn keine Bewaldung stattgefunden hätte.

Außer den oben genannten Untersuchungen liegen auch noch eine Reihe von Beobachtungen aus Europa vor, welche zur Entscheidung der Frage über den Einfluß des Waldes auf die Größe des Niederschlags angestellt sind. Die ältesten rühren von Matthieu her, welcher 1866 in der Umgebung von Nancy drei Stationen errichtete, von denen zwei in einem ausgesprochenen Waldgebiet lagen, die eine im Innern eines Waldplateaus 380 m ü. M., die andre am Rand eines Waldes 240 m ü. M., während die dritte im vollständig freien Land 380 m ü. M. errichtet war. Bei den ersten beiden waren mehrere Regenmesser aufgestellt und zwar sowohl unter dem Schutz der Baumkronen als auch auf Waldblößen, die dritte hatte nur einen Regenmesser, in welchen die atmosphärischen Niederschläge ungehindert gelangen konnten. Bei diesem Arrangement ergab es sich, daß die Niederschlagsmengen auf den Waldblößen im Mittel aus 11 Jahren (1867–77) durchweg größer waren als die auf freiem Feld. Später sind auch in Deutschland Beobachtungen über die Größe der Niederschläge im W. und auf freiem Feld angestellt, aus denen sich ergeben hat, daß im W. etwa 3/4 der Niederschläge direkt auf den Boden gelangen, während 1/4 teils am Stamm herunterfließt und so auf den Boden gelangt, teils aber von den Kronen der Bäume wieder verdunstet. Ob durch den W. eine Vermehrung der Niederschläge verursacht wird oder nicht, kann freilich aus diesen Beobachtungen nicht abgeleitet werden. Wie sich ein Waldgebirge im Verhältnis zu einem unbewaldeten in Bezug auf die Niederschläge verhält, wird sich in Deutschland überhaupt schwer entscheiden lassen, weil hier unbewaldete Gebirge fehlen. Eine darauf bezügliche Untersuchung, welche von Anderling für Palästina durchgeführt ist, läßt es wahrscheinlich erscheinen, daß die Gebirgswaldungen Nordpalästinas die Regenmengen wahrscheinlich nicht unerheblich vermehren. Die Gegend von Jerusalem ist weit und breit so gut wie waldkahl, während ein großer Teil der Gebirge bei Nazareth mit bedeutenden Waldungen bedeckt ist. Die Regenhöhe in Jerusalem ist nach den Beobachtungen von Chaplins und Vartans entschieden kleiner als die von Nazareth, und zwar beträgt sie im Jahresmittel für einen zehnjährigen Zeitraum in Jerusalem 570 und in Nazareth 612 mm, so daß also in Nazareth im zehnjährigen Mittel 42 mm mehr Regen gefallen sind als in Jerusalem.

Trotzdem, daß es nach den vorstehenden Ausführungen noch nicht möglich ist, im allgemeinen zu entscheiden, ob der W. die Größe des jährlichen Niederschlags vermehrt oder nicht, so ist sein Einfluß in verschiedenen Beziehungen doch nicht zu leugnen. Zunächst wird im Winter durch den W. eine Anhäufung des in fester Form fallenden Niederschlags hervorgerufen. Dadurch, daß der W. die Kraft des Windes bricht, erfolgt eine ruhigere Ablagerung des Schnees, als es auf freiem Feld möglich ist, und daher wird die Wirkung des Waldes bei Schneestürmen dieselbe sein wie die eines Schneefängers. Auch ist die Bildung von Rauhreif, die namentlich in den Nadelwäldern besonders stark auftritt, nicht zu unterschätzen, indem dieser allmählich zu Boden sinkt und die im Frühjahr zu schmelzende Schneemenge wesentlich vermehrt. Anders stellt sich die Frage, wenn nicht nur ermittelt werden soll, ob eine etwanige Vermehrung des Niederschlags stattfindet, sondern wenn überhaupt der Einfluß des Waldes auf die Wasserverhältnisse eines Landes untersucht werden soll. Bei der Schneeschmelze im Frühjahr wird der W. unzweifelhaft von wesentlichem Einfluß sein, besonders wenn es sich um Gebirgswaldungen am obern Lauf der Flüsse handelt, indem dann durch den W. eine Verlangsamung des Abschmelzens und auf diese Weise eine Verringerung von Überschwemmungsgefahren bewirkt werden kann. Die mechanischen Hindernisse, welche die Wurzeln sowie die Moos- und Laubdecke des Waldbodens dem abfließenden Wasser entgegensetzen, die Beschattung der Schneefläche, welche das Schmelzen verlangsamt, können das Abfließen des Wassers oft verzögern, werden aber freilich nicht ausreichend sein, um unter ungünstigen Verhältnissen, wie bei plötzlich eintretendem und längere Zeit anhaltendem Tauwetter oder warmen Regengüssen, die verheerenden Wirkungen des Wassers zu verhindern. Außerdem wird auch der W. im Sommer das Wasser dem Boden in größerer Menge erhalten, als es auf freiem Feld möglich ist. Der Regen wird teilweise durch die Kronen der Bäume zurückgehalten und gelangt von diesen tropfenweise auf den Boden. Die Wurzeln und die Streudecke der Erdbodenoberfläche verlangsamen ebenfalls das Eindringen des Wassers in den Boden und verhindern das rasche Abfließen desselben, so daß das Wasser langsamer in den Waldboden eindringen und sich zu unterirdischen Quellen ansammeln kann. Die Nachhaltigkeit und vermehrte Regelmäßigkeit des Wasserablaufs sind abhängig von dem Vorhandensein des Waldes, ein Resultat, welches in den oben erwähnten Beobachtungen von Parquet in Algier seine Bestätigung findet.