Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tierhandel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 17 (Supplement, 1890), Seite 798
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Tierhandel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 17, Seite 798. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tierhandel (Version vom 30.03.2024)

[798]  Tierhandel. Die Tierliebhaberei läßt sich bis in die ältesten Zeiten verfolgen; überall trifft man Tiere, die nur aus Freude an ihrer Schönheit oder ihrem Wesen gezüchtet wurden. Vor vielen Jahrhunderten gelangten Papageien nach Europa, und die Spanier fanden Schmuckvögel schon bei den Urbewohnern Amerikas. Bis zur neuern Zeit herauf war aber der Handel, bez. die Einfuhr fremdländischer Tiere nach Europa lediglich dem Zufall preisgegeben. Reisende, Kaufleute, Seefahrer und gelegentlich auch Krieger brachten merkwürdige Tiere mit und verkauften sie zunächst an Liebhaber, aus denen dann hier und da Händler erstanden. Etwa mit dem Anfang, dann lebhafter zu Mitte des vorigen Jahrhunderts begann ein besonderer Tier-, namentlich aber Vogelhandel sich zu entwickeln. Fürsten, große Handelsherren u. a., späterhin die Besitzer umherwandernder Menagerien und wiederum später die Vorsteher der zoologischen Gärten waren die hauptsächlichsten Abnehmer. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, lebhafter aber erst seit der Mitte des gegenwärtigen, veränderten sich die Verhältnisse, namentlich durch Erleichterung des Verkehrs, durchaus. Die wandernden Menagerien, welche doch nur verhältnismäßig wenige Tiere und meistens in kläglichem Zustand aufzuweisen hatten, gingen bald ihrem Untergang entgegen, während immer zahlreicher zoologische Gärten sich großartig entwickelten und die Liebhaberei für die Luxustiere, besonders für die Stubenvögel, begünstigten. Die Seefahrer fanden es lohnend, für große Händler, namentlich in London und Hamburg, Tiere mitzubringen, und als die Direktionen der großartigen Naturanstalten, die Besitzer von Vogelstuben u. a. ganz besondere Anforderungen stellten, die gelegentliche Einfuhr auch das Bedürfnis bei weitem nicht befriedigte, begannen die Großhändler eigens für den Zweck des Tierfangs Expeditionen auszurüsten, welche nach allen Weltteilen, vorzugsweise aber nach Afrika, ausziehen. Dieser T. gewährt nicht zu unterschätzende Vorteile in wissenschaftlicher Hinsicht und fördert die Interessen zahlreicher Liebhaber, leider aber fallen demselben sehr viele Tiere nutzlos zum Opfer, weil sie auf dem Transport nicht die entsprechende Pflege finden.

Eine Übersicht des gesamten Tierhandels ergibt folgende Zweige: 1) Tiergroßhandel in den Hafenstädten, der sich über alle Gebiete der höhern Tierwelt mit Einschluß der Reptilien erstreckt. Diese Großhändler senden eigne Expeditionen aus, oder sie kaufen die Tiere unmittelbar bei der Ankunft der Schiffe in den Hafenstädten. Meistens sind sie auch im Besitz von Handelstiergärten, Tierparken oder andern derartigen Anlagen. 2) Die Händler zweiter Hand, welche in den Binnenstädten ansässig sind, offene Läden haben, meistens aber nur fremdländische und einheimische Sing- und Schmuckvögel verkaufen, allenfalls auch einige Affen und sodann Aquarien- und Terrarientiere. Auch unter ihnen haben neuerdings mehrere sogen. Handelstiergärten eingerichtet. 3) Die eigentlichen Kleinhändler, welche mit Kanarien-, seltener mit kleinen fremdländischen Vögeln hausierend von Stadt zu Stadt reisen. 4) Ausschließelich Kanarienvogelhändler, welche größtenteils zugleich Selbstzüchter sind. 5) Geflügelhändler, welche vorzugsweise mit Luxusgeflügel handeln und die alljährlich über ganz Deutschland in großer Regsamkeit veranstalteten Geflügelausstellungen besuchen. 6) Die zoologischen Gärten, deren Verwaltungen fast sämtlich, wenigstens an Freunde und Bekannte, teils selbstgezüchtete, teils gekaufte u. bereits eingewöhnte Tiere abgeben. 7) Die große Zahl der Liebhaber, namentlich der Stubenvögelzüchter, welche einen überaus regsamen Kauf- und Tauschverkehr entwickelt haben. Die bedeutendsten Handlungen bestehen in Hamburg (Hagenbeck) und London (Jamrach, Abrahams), eins der interessantesten Geschäfte in Alfeld bei Hannover (Reiche). Deutschland exportiert sehr viele selbstgezüchtete Kanarienvögel, besonders nach New York, Südafrika und Australien, außerdem auch Stieglitze, Dompfaffen (wilde und abgerichtete), Hänflinge, Zeisige, weniger Nachtigallen, Mönche, Rotkehlchen, Grasmücken, Drosseln und Lerchen. Von großer Bedeutung für den T. sind die alljährlich stattfindenden Tierversteigerungen der Akklimatisationsgesellschaft von Antwerpen und für Frankreich die Thätigkeit des Akklimatisationsgartens in Paris.