Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Säen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 165166
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Säen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 165–166. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:S%C3%A4en (Version vom 16.05.2024)

[165] Säen, Ausstreuen und Unterbringen von Sämereien auf Feldern, Wiesen, Waldboden und in Gärten. Eingeleitet wird das S. durch die Bodenvorbereitung mittels des Spatens und Rechens oder des Pflugs, der Egge und Walze (Exstirpatoren, Skarifikatoren etc.). Während der Gärtner seine Beete immer saatfertig erhalten muß und unmittelbar nach der Ernte wieder säen kann, bedürfen die Felder des Landwirts immer einer mehr oder minder langen Vorbereitung nach der Ernte, ehe die neue Saat vorgenommen werden darf. Diese Vorbereitung muß zum Teil die Vorfrucht übernehmen (s. Fruchtfolge); Felder, welche im Frühjahr besäet werden sollen, werden schon im Herbst vorbereitet und bleiben über Winter „in rauher Furche“ liegen. Die Saatzeit fällt hauptsächlich in das Frühjahr und den Herbst, ist aber für jede Frucht verschieden. Für Frühjahrssaaten gibt die natürliche Vegetation die besten Winke, weil deren Erwachen der Jahreswitterung entspricht. Für Gerste hält man z. B. die Obstbaumblüte und die Entwickelung der Linde, für Hafer das Abblühen der Esche und das Hervorbrechen der Eichenblätter, für Sommerweizen das des Lindenlaubes, für Kartoffeln das des Buchenlaubes und die Apfelblüte, für Buchweizen das Röten der Erdbeere maßgebend. Frühe Saat zieht man vor, besonders für Brauergerste und Lein; doch muß auch auf die Spätfröste Rücksicht genommen werden. Soweit möglich, ist für die Aussaat auch der vorhandene und mutmaßliche Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu berücksichtigen; bei uns ist z. B. der trocknende Ostwind zu vermeiden; anderseits aber muß auf Erhaltung der Winterfeuchtigkeit (Walzen) oder auf tüchtiges Abtrocknen (Lockern) je nach Boden, Lage, Witterung und Saatzeit gesehen werden. Der Boden muß frisch, aber weder naß oder feucht noch trocken sein. Die Auswahl des Saatgutes ist die wichtigste Fürsorge. Vollständige Reife, volles Gewicht, Erhaltung der Keimfähigkeit, Unverletztsein der Schale und Reinheit von Unkraut sind die wesentlichsten Anforderungen. Man verwendet nur den besten Samen (die schwersten Körner) zur Saat und hat für gute Aufbewahrung zu sorgen. Auch ist zeitweiser Samenwechsel zu empfehlen. Mancher Same kann sofort, andrer am besten erst nach ein paar Jahren gesäet werden. Man gewinnt das Saatgut entweder, was sich am besten bewährt, auf besondern Feldern (Saatgutbau) oder durch Auswahl der besten Körner (Saatzucht) und sorgsamstes Reinigen von minder gutem Samen und Unkraut auf den Saatreinigungsmaschinen. Leider spielt auch hier der Betrug eine große Rolle. Es gibt jetzt besondere Prüfungsanstalten für Marktgut, von welchen aus die Resultate der Untersuchungen veröffentlicht werden (s. Samenkontrollstationen). Zieht man von der Gewichtseinheit einer im Handel vorkommenden Samensorte das Gewicht der darin enthaltenen Verfälschungen und der nicht keimfähigen Samen ab, so erhält man den Gebrauchswert der Samensorte. Zu Kartoffeln soll man nur gut gereifte und ungeteilte oder nicht mehr als halb geteilte Knollen verwenden; am sichersten gegen den Kartoffelpilz schützt das Aufbewahren der Knollen über Winter in Asche. Über das Aussaatquantum der einzelnen Früchte s. d. Die Aussaat erfolgt mit der Hand, in neuerer Zeit aber vielfach mit Maschinen (s. Säemaschinen), und zwar unterscheidet man breitwürfige Saat, bei welcher das Saatgut ganz gleichmäßig über den Acker verteilt wird, und Reihensaat. Bei letzterer, in der Landwirtschaft nur mit Maschinen ausführbar, wird der Same kontinuierlich in die Reihen eingestreut (Drillsaat), während bei der Dibbelsaat eine regelmäßige Unterbrechung des Saatstroms stattfindet. Es hat dies zur Folge, daß die Pflanzen in Horsten, also vereinzelt, aufgehen, wie dies beim Anbau vieler Kulturgewächse, z. B. der Rüben, Zichorie, des Maises, Krapps etc., verlangt wird. Bei der Drillsaat ist es demnach oft erforderlich, nach dem Emporkommen der jungen Pflanzen ein Vereinzeln derselben (Verziehen) vorzunehmen, wobei innerhalb einer festgesetzten Entfernung (der Horstweite) je eine und zwar die am vorzüglichsten entwickelte Pflanze in dem Boden verbleibt, während die übrigen herausgenommen werden. Vgl. Nobbe, Handbuch der Samenkunde (Berl. 1876); Harz, Landwirtschaftliche Samenkunde (das. 1885); Wollny, Saat und Pflanze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen (das. 1885). – Das S. in der Gärtnerei [166] gestaltet sich je nach den betreffenden Pflanzen sehr verschieden. In der Baumschule säet man das ganze Jahr hindurch stets alsbald nach der Reife der Samen (s. Saatschule) und schützt die im Herbst ausgelegten Samen durch Steinkohlenteer, den man mittels eines Trichters auf das Saatland bringt, vor Ungeziefer. Bei Sämereien, die länger als ein Jahr liegen, kann man das Land inzwischen zum Anbau wenig tief wurzelnder Pflanzen verwenden. Man mischt aber auch solche Sämereien mit Sand, Erde etc. und bewahrt sie feucht an frostfreiem Ort ein Jahr auf (Stratifizieren). Die Gehölzsamen müssen von ihren Hülsen befreit werden, die von Koniferen, indem man sie einer starken Hitze aussetzt. Feine Gehölzsamen werden obenauf gesäet, mit gehacktem Moos, Nadelstreu u. dgl. bedeckt, im Frühjahr und Sommer (im Herbst nicht) festgeschlagen und gleichmäßig feucht gehalten; nur lang liegende Samen dürfen nicht gegossen werden, weil sie faulen könnten, ehe sie keimen. Man säet entweder in Reihen, oder breit, oder stellenweise, letzteres bei besonders großen Samen. Die Reihen- (Furchen- oder Drill-) Saat ist die gebräuchlichste. Bei der Saat von Gemüse und Blumen kommt es ganz besonders auf sorgfältige Vorbereitung des Bodens an. Man säet das ganze Jahr hindurch im Gewächshaus, warmen Zimmer, Mistbeet und freien Land, streut die Samen möglichst dünn aus, schlägt sie fest (nur die im Herbst im Freien gesäeten nicht), bedeckt sie je nach ihrer Größe verschieden hoch mit Erde und schützt sie gegen Tiere. Feine Blumensamen werden in Töpfen oder Näpfen ausgesäet, d. h. nur auf die Erde gestreut, worauf man die Töpfe mit einer Glasplatte bedeckt. Palmensamen werden von ihrer Hülle befreit, in Sand oder Sägespäne gelegt und im Warmhaus zum Keimen gebracht. Farnsporen säet man auf Torf, den man durch Einlegen in Wasser feucht erhält und mit einer Glasglocke bedeckt.

In der Forstwirtschaft unterscheidet man nach der räumlichen Ausdehnung der Saat: Vollsaat, Streifensaat (in Beeten über 1 m breit, Riefen 0,15 bis 1 m breit, Rillen unter 0,15 m breit), Plätzsaat, Löchersaat. Die Bodenvorbereitung zur Saat erfolgt in der Regel durch Hacken, Graben, Rigolen oder Pflügen. Zum Pflügen im Walde dienen häufig kräftig gebaute, schwere Waldpflüge mit zwei Streichbrettern, welche die Erde zu beiden Seiten der Furchen auswerfen. Wenn es auf Lockerung der Furchensohle ankommt, wie z. B. bei Eicheln- und Buchelnsaaten, läßt man hinter dem Waldpflug einen Untergrundpflug (Wühlpflug) gehen, welcher bis zu 30 cm Tiefe arbeitet. Auf ausgedehnten Heideflächen wird in neuerer Zeit auch die Bodenvorbereitung mit Dampfpflügen bewirkt. Die Aussaat geschieht in der Regel mit der Hand, seltener durch Maschinen.