Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Patrizĭer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 780
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Patrizĭer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 780. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Patriz%C4%ADer (Version vom 26.01.2023)

[780] Patrizĭer (Patricii, v. lat. pater), in der ältesten Zeit des römischen Staats die ursprünglichen Bürger, welche als Gesamtheit das eigentliche Volk (populus) ausmachten. Sie zerfielen in 3 Stämme oder Tribus: Ramnes, Tities und Luceres. Jede Tribus bestand aus 10 Kurien oder Geschlechterkomplexen. Außer den Patriziern und ihren Sklaven gab es im ältesten Rom nur noch Klienten, d. h. Hörige, welche unter dem Schutz einzelner P. standen und diesen zu allerlei Diensten verpflichtet waren. Hierzu kamen aber besonders unter den Königen Tullus Hostilius und Ancus Marcius die Bürger der unterworfenen, meist latinischen Städte, die als Plebejer in das römische Bürgerrecht aufgenommen wurden, aber ohne das Jus honorum und suffragii, d. h. ohne das Recht, irgend ein Staatsamt zu bekleiden, und ohne Stimmrecht in den Volksversammlungen der P., den Comitia curiata. Hierdurch erst gewannen die P. die Stellung eines bevorrechteten Standes, eines Geburtsadels, im Gegensatz zu dem minder berechtigten Stande der Plebejer. Allmählich aber arbeiteten sich diese durch einen Kampf, der über zwei Jahrhunderte dauerte und wesentlich dazu beigetragen hat, der römischen Verfassung und der Sinnesweise der Römer ihren eigentümlichen Charakter zu verleihen, zu der gleichen Berechtigung mit den Patriziern empor (vgl. Römisches Reich, Geschichte). Die P. behaupteten nur für einige priesterliche Ämter ohne politische Bedeutung und für die selten vorkommende Wahl der Interregen ein ausschließliches Vorrecht. Im Lauf der Zeit schwand die Zahl der patrizischen Familien, hauptsächlich durch die Bürgerkriege, immer mehr zusammen (es soll deren zu Ende der Republik nicht mehr als 50 gegeben haben); deshalb vermehrten sie Cäsar und Augustus durch Aufnahme neuer Geschlechter, und es wurde seitdem üblich, daß die Kaiser das Patriziat als Auszeichnung verliehen. Als sodann Konstantin d. Gr. in dem römischen Reich eine künstlich abgestufte Rangordnung einführte, wurde Patricius als persönlicher Titel eingeführt, welcher den hohen Rang unmittelbar nach den Konsuln gewährte. In diesem Sinn wurde der Titel auch mehreren deutschen Fürsten verliehen und selbst von Karl d. Gr. vor dem Kaisertitel angenommen. Ein eignes Patriziertum entstand im 12. u. 13. Jahrh. in den deutschen Reichsstädten u. in der Schweiz aus den angesehensten Familien, die zu gewissen obrigkeitlichen Ämtern eine ausschließende Berechtigung in Anspruch nahmen. Vgl. Büdinger, Der Patriziat und das Fehderecht in den letzten Jahrzehnten der röm. Republik (Wien 1887).