Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Nero“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 56
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Nero. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 56. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Nero (Version vom 04.09.2021)

[56] Nero, Lucius Domitius, nach der Adoption N. Claudius Drusus, röm. Kaiser von 54 bis 68 n. Chr., geb. 15. Dez. 37 zu Antium, war der Sohn des Lucius Domitius Ahenobarbus und der Agrippina, der Tochter des Germanicus, verlor seinen Vater im dritten Jahr und wuchs, nachdem seine Mutter von ihrem Bruder, dem Kaiser Caligula, verbannt worden war, bis zur Zurückberufung derselben durch Claudius bei seiner Tante Lepida auf. Nach ihrer Verheiratung mit Claudius bot Agrippina alles auf, um durch ihren Einfluß auf den schwachen Kaiser, obgleich dieser einen eignen Sohn, Britannicus, hatte, die Nachfolge auf dem Thron ihrem Sohn zu verschaffen, unter dem sie selbst die Herrschaft zu führen gedachte. Sie bewirkte daher, daß N. 50 von Claudius adoptiert, 51 mit Octavia, der Tochter des Claudius, verlobt und 53 mit ihr verheiratet und durch alle möglichen Auszeichnungen in den Augen des Volkes vor Britannicus hervorgehoben wurde; auch wußte sie sich des Beistandes der Prätorianer zu vergewissern. Als sie dies alles erreicht hatte, wurde Claudius von ihr vergiftet und N. von den Prätorianern als Kaiser ausgerufen, worauf auch der Senat nicht säumte, ihn als solchen anzuerkennen. Anfangs nun ließ sich N. ganz von seinem Lehrer, dem Philosophen Seneca, und dem Befehlshaber der Prätorianer, Burrus, leiten; die ersten Jahre seiner Regierung waren daher im ganzen löblich und für das Reich wohlthätig[WS 1], obwohl er bereits 55 den Britannicus vergiften ließ; er wurde dazu durch Agrippina angereizt, welche sich durch Seneca und Burrus von der Herrschaft verdrängt sah und daher in leidenschaftlicher Aufregung drohte, Britannicus statt seiner auf den Thron zu heben. Von 59 an beginnt aber die ununterbrochene Reihe seiner Grausamkeiten und Ausschweifungen. Von jenen mag nur erwähnt werden, daß er 59 seine Mutter, 62 seine Gemahlin Octavia ermorden ließ, daß er 64, nach dem großen Brande, durch den ein großer Teil der Stadt zerstört wurde, die in Rom anwesenden Christen als angebliche Urheber desselben unter den grausamsten Martern töten ließ, und daß er 65, als eine Verschwörung gegen ihn an den Tag kam, unter denen, die der Teilnahme an derselben, ob mit oder ohne Grund, beschuldigt wurden, ein furchtbares Blutbad anrichtete, in welchem auch sein Lehrer Seneca umkam. Seine Ausschweifungen umfaßten alles, was zur Befriedigung der niedrigsten Lüste und Begierden dienen kann; er pflegte zu sagen: seine Vorgänger auf dem Thron hätten nicht gewußt, was ihnen erlaubt sei, und demgemäß schonte er weder seine eigne Ehre noch die eines andern Menschen, um alles zu thun, was ihm irgend einen Genuß für seine überreizten Sinne zu versprechen schien. Dabei war er nicht ohne eine gewisse Eitelkeit. Er machte Verse, freilich, wie es heißt, mit Beihilfe seiner Freunde, malte, meißelte; am meisten aber suchte er als Sieger im Wettrennen und als Sänger und Schauspieler zu glänzen. Er trat daher mit diesen Künsten zuerst in geschlossenen Kreisen, dann aber auch öffentlich auf, stiftete 59 die Juvenalien und 60 die Neronien, regelmäßig wiederkehrende Festspiele, welche ihm zur Schaustellung seiner Künste Gelegenheit gaben, und begab sich 66 nach Griechenland, um auch dort überall als Wettkämpfer im Wagenrennen und Gesang aufzutreten. Es war ferner hauptsächlich seine Eitelkeit, die ihn bewog, sich in Rom ein Haus (die sogen. aurea domus, „das goldene Haus“) zu bauen, welches einen großen Teil des Grundes und Bodens der Stadt einnahm, und welches er in der verschwenderischten Weise, hauptsächlich durch Beraubung der Provinzen, ausstattete, und aus gleichem Grund unternahm er es auch, den Isthmus von Korinth durchstechen zu lassen: beides jedoch Werke, die nicht zur Vollendung gebracht wurden. Die nicht unrühmlichen Kriege, welche unter seiner Regierung in Armenien, Britannien, Deutschland und in Judäa gegen die Juden geführt wurden, waren nicht sein Verdienst, sondern lediglich das einiger ausgezeichneter Feldherren der Zeit, insbesondere des Suetonius Paulinus und des Corbulo. Nach seiner Rückkehr aus Griechenland kam endlich 68 die allgemeine Unzufriedenheit in Gallia Narbonensis zum Ausbruch. Die dortigen Legionen riefen Galba zum Imperator aus. N., sich auch von den Prätorianern verlassen sehend, floh auf das Landgut des Freigelassenen Phaon und ließ sich hier auf die Nachricht, daß ihn der Senat als Feind des Vaterlandes des Todes schuldig erklärt habe, 11. Juni durch einen Freigelassenen töten. Seine letzten Worte waren: „Welch ein Künstler stirbt in mir!“ Mit ihm erlosch das Julisch-Claudische Geschlecht der Cäsaren. Sein Leben beschrieb Sueton. Die beste Quelle für seine Geschichte sind die „Annalen“ des Tacitus. Vgl. H. Schiller, Geschichte des römischen Kaiserreichs unter N. (Berl. 1872). Wilbrandt machte ihn zum Helden einer Tragödie (1876).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wohthätig