Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Markscheidekunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Markscheidekunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 264265
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Markscheidewesen
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Markscheidekunst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 264–265. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Markscheidekunst (Version vom 16.12.2023)

[264] Markscheidekunst, von dem altdeutschen Wort Mark (Grenze) und scheiden (trennen), der Teil der Feldmeßkunst, welcher sich mit Vermessung (Abziehen) und bildlicher Darstellung der Grubenräume (Zulegen, Mappierung) auf sogen. Grubenrissen beschäftigt. Dabei hat der Markscheider noch mancherlei andre Aufgaben zu lösen, z. B. behufs Herstellung von Schächten die Bestimmung der Angriffspunkte derselben in verschiedenen Niveaus (Sohlen), zum Betrieb eines langen Stollens oder Tunnels die Angabe der Richtung, in welcher derselbe von zwei weit auseinander liegenden Betriebspunkten ab auszuhauen ist, die Bestimmung der Grenze (Markscheide) benachbarter Gruben, unterirdisch durch ein in Gestein, Mauerwerk etc. gehauenes Zeichen (Stuffe), auf der Erdoberfläche durch einen Stein (Mark- oder Lochstein) bezeichnet, u. a. Um bei der markscheiderischen Aufnahme von unterirdischen Grubenräumen dieselben demnächst bildlich darstellen zu können, kommt es auf das Messen von durch eine Schnur hergestellten Linien in denselben, auf die Ermittelung der Richtung derselben gegen eine Normallinie, also auf Winkelmessung, und der Neigung (Fallen oder Steigen) derselben gegen die Horizontalebene an. Hierbei spannt man nach der alten M. von einem unwandelbaren Punkt im Gestein, an der Zimmerung etc. aus ein dünnes Messingdrahtseil von 5–6 Lachter Länge, die Lachterkette (Markscheiderschnur), straff aus und befestigt das andre Ende derselben in einer Gebirgsspalte, an der Zimmerung, an einem eingekeilten Querholz (Spreize) oder auf einem tragbaren Holzgerüst (Ziehbock, Ziehschemel). Man mißt die Länge der ausgespannten Kette, bestimmt mittels des in ihrer Mitte oder an beiden Seiten aufgehängten Gradbogens das Auf- oder Abwärtssteigen (Steigen oder Fallen) der Schnur in Graden und Minuten und hängt in ähnlicher Weise den Hängekompaß so an die Schnur, daß die Nordsüdlinie seiner in Grade oder Stunden eingeteilten Kreisscheibe (Kompaßnapf) den verlangten Streichwinkel angibt, d. h. die Abweichung der Richtung (das Streichen) der Schnur von dem magnetischen Meridian, der vorläufig als eine unverrückbare Linie gilt. Nachdem noch die Weltgegend des Streichens beobachtet und die vier zusammen mit dem Namen Markscheiderwinkel belegten Stücke: Länge der Schnur, Neigung, Streichwinkel und Weltgegend in das Zug- oder Observationsbuch eingetragen worden sind, macht man die Schnur los, spannt sie von ihrem Endpunkt ab nach vorwärts weiter aus und wiederholt dieselbe Prozedur bis zum Schluß des mehrere Markscheiderwinkel umfassenden Markscheiderzugs. Behufs des Kartierens oder Mappierens berechnet man den Markscheiderzug, indem man aus der gemessenen Länge der Schnur als Hypotenuse und dem vermittelst des Gradbogens gefundenen Neigungswinkel ein rechtwinkeliges Dreieck konstruiert, in welchem dann die durch den tiefern Endpunkt der Schnur gelegte horizontale Kathete die Sohle darstellt, d. h. die wahre Länge der durch die verschieden geneigte Schnur dargestellten flachen Linie. Die vertikale Kathete, die Seigerteufe, entspricht der Höhe des einen Endpunktes der Schnur über dem andern. Mit Hilfe dieser beiden Linien, für deren rasche Ermittelung man Markscheidertabellen hat, sowie des Streichwinkels und der Weltgegend werden dann die Grubenräume in einem verkleinerten Maßstab auf einem Grubenriß bildlich dargestellt, indem man den für jede Schnur mit dem Zirkel aufzutragenden Sohllängen vermittelst des Zulegekompasses die Richtung gibt, welche in der Grube beobachtet worden ist, und von den so erhaltenen Linien aus behufs Entwerfung eines Grundrisses nach beiden Seiten hin die Maße für die Weite der Strecken, Stollen etc. aufträgt. Zur Herstellung eines Profilrisses müssen die Seigerteufen mit in Rücksicht gezogen werden.

Dieses Verfahren der alten M. kann für gewisse Zwecke, namentlich zur Angabe naheliegender Punkte, zur Aufnahme des kleinen Details, besonders in beschränktem Raum, und bei Abwesenheit von Eisenmassen oder magnetischem Gebirge gute Resultate geben. Dagegen gewähren die Instrumente für größere Aufnahmen nicht die genügende Sicherheit, und man wendet daher bei der neuen M. den Theodolit und ein Luftblasenniveau an, deren Genauigkeit mindestens 30mal so groß als die des Kompasses und Gradbogens ist. Man mißt mittels eines Meßgestänges größere Stationslängen, dann mittels des Theodolits von einem festen Punkt aus die Horizontalwinkel, welche die sich aneinander reihenden Linien der Stationslängen an ihren Scheitelpunkten miteinander einschließen, und mißt schließlich immer nach dem Anfangspunkt zurück (Methode des Peripherisierens). Das Luftblasenniveau enthält oberhalb eines auf einem Dreifuß befindlichen Fernrohrs eine Libelle (s. d.) mit Luftblase. Der Dreifuß wird in der Mitte von zwei Punkten aufgestellt, an denen sich mit Einteilungen versehene Maße (Nivellierlatten) in senkrechter Stellung erheben. Gegen diese wird das mittels der Libelle horizontal gestellte Fernrohr erst nach der einen, dann nach der andern Seite hin gerichtet. Man findet so den Höhenunterschied der beiden Punkte durch einfache Subtraktion der an den Nivellierlatten abgelesenen Höhen. Schließlich ist noch die von Borchers angewendete Methode zu erwähnen, mittels eines kräftigen Magnets die Durchschlagsrichtung zweier Gegenörter zu ermittteln.

[265] Das erste Werk über die M. schrieb 1556 Agricola. 1835 lieferte Breithaupt in Kassel die ersten vollkommnern Grubentheodolite, nachdem für markscheiderische Zwecke bereits 1798 H. C. W. Breithaupt eine Bussole, Giuliani in Klagenfurt einen Grubentheodolit von minderer Vollkommenheit angewandt hatte. Lehrbücher der M. schrieben unter andern: Hecht (Freiberg 1829), Beer (Prag 1856), Adriany (2. Aufl., Wien 1861), Weisbach („Die neue M.“, Braunschw. 1851–59, 2 Bde., und „Abriß der M.“, Freiberg 1873), Borchers („Die praktische M. unter Anwendung des Luftblasenniveaus und des Theodoliten“, Hannov. 1870), Liebenam (Leipz. 1876), Brathuhn (das. 1884).