Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Datumwechsel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 573574
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Datumwechsel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 573–574. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Datumwechsel (Version vom 28.12.2023)

[573] Datumwechsel. Alle Orte auf der Erde, welche unter demselben Meridian liegen, haben in demselben Moment Mittag, ihre Uhren stimmen völlig überein; dem Längenunterschied zweier Orte von 1° entspricht ein Mittagsunterschied von 4 Minuten in der Zeit, und Orte, deren Meridiandifferenz eine große ist, haben mithin Zeitunterschiede, welche sich auf viele Stunden belaufen können. In den Stunden, welche der Mitternacht naheliegen, betrifft der Unterschied also auch Wochentag und Datum und in der Neujahrsnacht das Jahr. Geht man in der Mitternachtsstunde des neuen Jahrs von einem Ort nach W., so stößt man auf Orte, bei denen der Jahreswechsel noch nicht eingetreten ist, und umgekehrt bei der Wanderung nach O. auf Orte, bei denen der Wechsel bereits eingetreten ist. Setzt man die Bewegung nach O. oder W. bis 180° fort, so beträgt der Zeitunterschied 12 Stunden, und wandert man nochmals um 180°, so gelangt man wieder zu dem Ausgangspunkt, gerät nun aber in Verlegenheit, nicht sowohl was die Tagesstunde, als vielmehr was Datum und Wochentag angeht. In dieser Lage befinden sich offenbar zwei Reisende, welche von demselben Orte, der eine nach W., der andre nach O. ausgehend, an einem um 180° entfernten Ort, also auf der Hälfte ihres Wegs um die Erde, zusammentreffen. Daher hängen Wochentag und Datum auf den Inseln im Großen Ozean, welche jetzt christliche Zeitrechnung haben, lediglich davon ab, ob die Christen von W. oder von O. her dorthin gelangt sind. Die Portugiesen und Holländer gingen um das Kap der Guten Hoffnung und kamen also zu ihren Entdeckungen und Besitznahmen von W. her; die Spanier dagegen segelten durch die Magelhaensstraße oder später von den westlichen amerikanischen

Scheidelinie für Wochentag und Datum.

Küsten gegen W., kamen also zu den von ihnen entdeckten und zum Teil besetzten Inseln von O. her, und so mußten letztere einen Tag weniger im Wochentag oder im Datum des Kalenders zählen als die erstern. Macao an der chinesischen Küste und Manila auf Luzon sind z. B. um etwa 7,5° in der Länge oder etwa 30 Minuten in der Zeit voneinander entfernt; aber Macao, von den Portugiesen besetzt, zählt im Datum einen Tag mehr als die Spanier in Manila. Ganz Amerika bekam von O. her, nur Alaska von W. den europäischen Wochentag; russische und englische Pelzhändler an der Grenze hatten also verschiedene Wochentage, und als die Vereinigten Staaten Alaska kauften, mußten Datum und Wochentag geändert werden. Obenstehende Kartenskizze zeigt die Linie, welche die Orte voneinander scheidet, die verschiedenen Wochentag und verschiedenes Datum haben; westwärts von derselben zählt man als Datum und Wochentag einen Tag mehr als ostwärts. Die Mitternachtsstunde des neuen Jahrs tritt auf der ganzen Erde zuerst auf der ostwärts von Neuseeland gelegenen Chathaminsel ein. Die Schiffer berücksichtigen jene Linie aber [574] nicht, sie lassen in ihrem Schiffsjournal bei jedesmaligem Überschreiten des 180.° v. Gr. einen Wechsel des Datums und Wochentags eintreten; bei der Fahrt von O. nach W. wird ein Wochentag und ein Datum überschlagen, bei der Fahrt von W. nach O. aber wird zwei Tage hintereinander dasselbe Datum und derselbe Wochentag geschrieben.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 181182
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[181] Datumwechsel. Geht man von einem Punkte Europas genau 180° nach O., so ergibt sich eine Zeitdifferenz von 12 Stunden. Ist es in Europa 1. Jan. 8 Uhr morgens, so ist es im O. 1. Jan. 8 Uhr abends. Geht man aber genau 180° nach W., so hat man hier zu derselben Zeit 31. Dez. 8 Uhr abends. Die Frage, welches Datum dem betreffenden Meridian zukommt, ist nach wissenschaftlichen Grundsätzen mit Bestimmtheit nicht zu beantworten. Offenbar ist für die Frage auch der Ausgangspunkt der Zeitzählung von Bedeutung, und bekanntlich haben wir mehrere erste Meridiane. Beschränkt man sich auf die Meridiane von Ferro, Greenwich und Paris, so ergibt sich ein schmales sphärisches Zweieck als Ausgangsregion der christlichen Zeitzählung, und diesem Zweieck steht, um 180° in der Länge entfernt, ein andres von gleicher geographischer Längenausdehnung gegenüber, in welchem die Zeitbestimmung auch durch die Bevorzugung eines der drei genannten Meridiane unsicher wird. Bei der überwiegenden Bedeutung des Meridians von Greenwich muß indes dieser auch als Datumgrenze den Vorzug erhalten, und die Schiffer respektieren ihn allgemein. Wer von W. nach O. segelt, zählt den Tag doppelt, [182] an welchem er diese Linie überschreitet, und wer von O. nach W. reist, läßt diesen Tag aus und springt beispielsweise sofort vom 30. März zum 1. April über.

Welches Datum man an den Orten in der Gegend des 180. Längengrades zählt, hängt davon ab, von welcher Seite diese Orte entdeckt wurden. Die Holländer kamen von W., die Spanier von O., und jeder folgte selbstverständlich seinen Schiffsjournalen. Es ist sehr begreiflich, daß dann auf jeder Insel und Inselgruppe des Großen Ozeans jenes Datum weiter gezählt wurde, welches die ersten Besiedler mitbrachten. Wie sonderbar sich die Sache gestaltete, zeigt unser Kärtchen Bd. 4, S. 573, auf welchem die Datumgrenze, anstatt dem Meridian zu folgen, eine weite Ausbiegung nach W. macht, weil die Philippinen von dem von O. herkommenden Magelhaens entdeckt und später auch von O. her durch Legaspi erobert und besiedelt wurden. Solange nun diese Inseln in ihrem auswärtigen Verkehr fast ausschließlich auf das spanische Amerika angewiesen waren, hatten sie keine Veranlassung, von ihrem ursprünglichen östlichen Datum abzuweichen. Als aber im Anfang dieses Jahrhunderts die spanische Herrschaft in Amerika zusammenbrach und sich die Beziehungen der Philippinen zur nahen asiatischen Küste immer lebhafter gestalteten, ergaben sich aus der Datumdifferenz zwischen den Inseln und dem Festland die unliebsamsten Störungen. Dies führte 1844 zu einer Änderung der Datumszählung, die in der Weise vorgenommen wurde, daß man den 31. Dez. 1844 gänzlich fallen ließ und nach dem 30. Dez. sofort den 1. Jan. 1845 zählte. Diese Änderung des Datums fand gleichzeitig auf den Marianen, die eine unmittelbare politische Dependenz der Philippinen bilden, Anwendung, und so ergibt sich also neben der nautischen Datumgrenze (180° von Greenwich) und der historischen noch eine thatsächliche oder wirtschaftliche, welche indes heute noch nicht mit Sicherheit gezogen werden kann, da die Datumzählung aller Inseln des Stillen Ozeans nicht hinlänglich bekannt ist. Dies gilt z. B. von den Karolinen, die indes wahrscheinlich dem Beispiel der Philippinen gefolgt sein werden. Die Samoa-Inseln und sehr wahrscheinlich auch die Tonga-Inseln führen, obwohl sie östlich von 180° v. Gr. liegen, doch dasselbe Datum wie Australien, weil ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu letzterm sehr viel regere sind als die zu Amerika. Genauere Untersuchungen würden wohl noch weitere Abweichungen in gleichem Sinne nachweisen lassen, und so ergibt sich, daß die heutige thatsächliche oder wirtschaftliche Datumgrenze unter dem Zwange der modernen Verkehrsgestaltung eine Ausbuchtung nach O. macht. Merkwürdigerweise ist die vor 46 Jahren auf den Philippinen vorgenommene Änderung der Datumzählung in der Litteratur fast unbeachtet geblieben, und es ist dem k. k. Fregattenkapitän Freiherrn v. Benko zu danken, daß er vor kurzem die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Verhältnisse lenkte, welche in unsrer Zeit des Weltverkehrs erhöhtes Interesse beanspruchen.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. die Karte zur Datumsgrenze im Korrespondenzblatt zum achtzehnten Band.