Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Buch“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 540542
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Buch. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 540–542. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Buch (Version vom 11.10.2021)

[540] Buch (mittelhochd. buoch, althochd. puoh, angelsächs. bôc), im allgemeinen mehrere zu einem Ganzen verbundene Blätter oder Bogen Papier, Pergament etc., mögen diese beschrieben sein oder nicht; meistenteils versteht man jedoch heutzutage unter B. einen Band von bedruckten Blättern. Der Name B. hängt jedenfalls mit Buche zusammen (die im Angelsächsischen mit B. denselben Namen hat) und ist wohl davon herzuleiten, daß bei den Germanen in alter Zeit neben Metall und Stein vorzugsweise Buchenholz als Schreibmaterial benutzt wurde, auf das man die Schriftzeichen einritzte (daher noch im Englischen to write, „schreiben“, eigentlich „ritzen“); nach andern davon, daß man Tafeln von Buchenholz zum Einband wählte. Der lateinische Name für B., liber, bedeutet Baumbast; der griechische, byblos oder biblos, die Papyrusstaude, aus deren feinem Baste das gewöhnlichste Schreibmaterial der Alten bereitet wurde. Indem man eine größere Quantität solcher Papyrusblätter zu einem langen Streifen aneinander klebte, der zur bequemern Aufbewahrung zusammengerollt wurde, entstand die Rolle (kylindros, volumen), die ursprünglichste und auch lange Zeit hindurch gewöhnlichste Form des antiken Buches. Das Ende des Streifens, der bekanntlich nur auf einer Seite beschrieben war, wurde an ein dünnes Holzstäbchen befestigt, um welches man die Rolle aufwickelte. Als äußere Hülle derselben diente ein Futteral aus Pergament, mit einem hochrot gefärbten Pergamentstreifen, welcher die Inhaltsangabe der Rolle trug. Neben dem Papyrus kam, namentlich in der spätern Zeit, auch Pergament, Holz, Metall etc. als Schreibmaterial vor, und zwar wurde das Pergament vorzugsweise zusammengebrochen und ähnlich den jetzigen Büchern gebunden oder wenigstens übereinander gelegt, wodurch die sogen. Codices entstanden (weiteres über das antike B. s. Handschrift). Das Bücherwesen war bei den Griechen und Römern sehr entwickelt. Die Vervielfältigung eines Buches wurde durch Sklaven fabrikmäßig betrieben, bedeutende öffentliche und Privatbibliotheken bestanden in großer Anzahl, und selbst der Buchhandel (s. d.) stand schon in Blüte. Dagegen wurden im Mittelalter infolge der geringen Verbreitung litterarischer Interessen, noch mehr des hohen Preises des Pergaments wegen, das infolge des Aufhörens der Papyruszufuhr (seit der Eroberung Ägyptens durch die Araber) neben dem Leinenpapier das einzige Schreibmaterial war, Bücher teuer und selten. Es kam vor, daß Städte und selbst reiche Klöster höchstens mit einem Meßbuch versehen waren. Ja, noch 1471, nachdem schon das Lumpenpapier erfunden war, mußte [541] Ludwig XI. der medizinischen Fakultät zu Paris für die geliehenen Werke des arab. Arztes Rhasis eine beträchtliche Anzahl Goldplatten als Pfand und einen Edelmann mit dessen sämtlichem Vermögen als Bürgen stellen. Daher kam es auch, daß die Mönche manche alte Handschrift auf Pergamentblättern übertünchten, um ihre Schrift darauf anzubringen (Codex palimpsestus, s. Palimpsest). In Bezug auf das Format ist dem frühsten Mittelalter vorzüglich eine breite Quartform eigen, die Seite zu vier oder drei Kolumnen; in späterer Zeit (nach dem 6. Jahrh.) kommt die Dreiteilung nur noch selten vor. Nach Erfindung des Lumpenpapiers, noch mehr nach Erfindung der Buchdruckerkunst gingen nicht nur zweckmäßige Veränderungen in der äußern Gestalt der Bücher vor, sondern die Bücher wurden auch bald so wohlfeil, daß sie allmählich allen Klassen des Volkes zugänglich wurden. Vgl. Egger, Histoire du livre (Par. 1880); Birt, Das antike Buchwesen (Berl. 1882); Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter (2. Aufl., Leipz. 1876); „Le livre“ (Monatsschrift, Par. 1880 ff.).

Fig. 2.
Deckel des lateinischen Horariums in durchbrochener Goldarbeit und mit 27 Diamanten besetzt.
Fig. 1.
Lateinisches Horarium (Gebetbuch), aufgeschlagen, aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts.
Die Miniatur stellt die Flucht nach Ägypten dar. Naturgröße (Berlin, Hamilton-Sammlung.)

Das B. im modernen Sinn (als aus zusammengefalteten Blättern bestehend) wurde, seinem Wert oder seiner Bedeutung entsprechend, schon frühzeitig Gegenstand künstlerischer Behandlung. Dieselbe erstreckte sich einerseits auf das Äußere, d. h. den Einband (s. Buchbinden), anderseits auf das Innere, d. h. auf Pergament und Papier, Schrift und Druck. Die Abschriften der heiligen, d. h. für den christlichen Gottesdienst bestimmten, Bücher (Evangelienbücher, Chorbücher, Psalterien etc.) wurden mit besonderer Sorgfalt, bisweilen mit farbiger oder Goldtinte auf weißem oder gefärbtem Pergament ausgeführt. Die Anfangsbuchstaben erhielten durch Schnörkel, dann durch Vergoldung, Malerei etc. besondere Verzierungen, und allmählich entwickelte sich eine Schreibekunst, aus der schließlich die Miniaturmalerei hervorging (s. Miniatur). Das Beispiel eines durch hervorragende künstlerische Ausstattung ausgezeichneten geschriebenen Gebetbuches liefern die obenstehenden Abbildungen (Fig. 1 u. 2). Auch nach der Erfindung der Buchdruckerkunst wurde auf die künstlerische Ausstattung der Bücher anfangs durch Handmalerei, dann durch eingedruckte Kupferstiche und Holzschnitte Wert gelegt (s. Illustration), und diese Sitte erhielt sich bis Ende des 18. Jahrh. Seit dem Beginn des 19. Jahrh. hörte man in Deutschland wenigstens auf, das B. als ein Kunstwerk im ganzen zu behandeln, und legte nur einigen Wert auf den Einband. Mit dem allgemeinen Aufschwung des Kunstgewerbes zu Anfang der 70er Jahre ist auch die künstlerische Ausstattung des Buches wieder in den Vordergrund getreten. Papier, Druck, Druckverzierung, Illustration und Einband sind jetzt wieder gleichmäßig das Ziel künstlerischer Bestrebungen.

B. heißt auch ein größerer Teil einer zusammenhängenden Schrift, welcher wohl auch für sich als abgeschlossenes Ganze gelten kann, z. B. in der Bibel die Bücher Mosis, B. Josua etc.

Buch (franz. Main, engl. Quire), im deutschen Papierhandel früher eine Lage von 24 Bogen Schreibpapier oder 25 Druckpapier; 20 B. = 1 Ries. Seit 1877 versteht man unter Neubuch eine Lage von 100 Bogen für beide Papiersorten. Im Handel mit Blattgold und Blattsilber bedeutet B. eine Anzahl von 12–25 Blättern.

Buch, Christian Leopold von, Freiherr von Gelmersdorf, Schöneberg etc., Geognost, geb. 26. April 1774 auf Schloß Stolpe in der Ukermark, studierte gleichzeitig mit A. v. Humboldt auf der Bergakademie zu Freiberg und gehörte zu Werners bedeutendsten Schülern. Nachdem er Norddeutschland vom Standpunkt des von Werner vertretenen Neptunismus aus geognostisch untersucht hatte, wandte er sich den Alpen zu, wurde 1805 gemeinschaftlich mit Humboldt und Gay-Lussac Zeuge eines großartigen Ausbruchs des Vesuvs und sah sich dadurch veranlaßt, manche der bisher allgemein angenommenen Ansichten über die Wirksamkeit und die Ausbrüche der Vulkane zu berichtigen. Schon 1802, auf einer Reise durch das erloschene Vulkangebiet der Auvergne, [542] war er durch die Beobachtung, daß die Trachyte und Laven dort direkt aus dem Granit hervorbrechen, an der Lehre Werners, der die Vulkane nur als untergeordnete, durch Erdbrände veranlaßte Erscheinungen gelten lassen wollte, irre geworden. Als Frucht seiner Forschungen erschienen die „Geognostischen Beobachtungen auf Reisen durch Deutschland und Italien“ (Berl. 1802–1809, 2 Bde.). Sodann verlebte B. zwei Jahre, von 1806 bis 1808, in Skandinavien, wo er die Thatsache feststellte, daß diese Halbinsel noch gegenwärtig sehr langsam in die Höhe steige (vgl. seine „Reise durch Norwegen und Lappland“, Berl. 1810, 2 Bde.). In Gemeinschaft mit dem Botaniker Smith machte er darauf von England aus (1815) eine Reise nach den Kanarischen Inseln und schrieb „Physikalische Beschreibung der Kanarischen Inseln“ (Berl. 1825; französisch von Boulanger, Par. u. Straßb. 1836). Auf dieser Reise vornehmlich und nach seiner Rückkehr entwickelte B. seine Ideen über die Bildung der Vulkane. Er stellte die Lehre von den Erhebungskratern auf und suchte im Gegensatz zu Werner extreme vulkanistische Anschauungen zur Geltung zu bringen. Von A. v. Humboldt, Elie de Beaumont, Dufresnoy und andern Autoritäten gestützt und in Deutschland und Frankreich zur Herrschaft gebracht, ward die Theorie in England, namentlich durch Poullet Scrope und Lyell, mit der größten Ausdauer bestritten, und gegenwärtig ist dieselbe auch von allen deutschen Geologen vollständig aufgegeben. Später wandte sich B. wieder der Erforschung der Alpen zu und suchte nun auch die Dolomitbildung auf vulkanische Einwirkungen zurückzuführen. Auch diese Theorie hat sich nicht erhalten, aber sie wurde doch für den Fortschritt der Wissenschaft von großer Bedeutung, indem sie zu gründlichen gegenteiligen Untersuchungen angeregt und zu der engern Verknüpfung der Geologie mit der Chemie sehr wesentlich beigetragen hat. Noch im vorgerückten Alter ging er abermals nach Norwegen, um einige auf die Umwandlung der Urgebirgsarten bezügliche Thatsachen zu beobachten. Auch für die Paläontologie wirkte er höchst anregend. Mit dem größten Erfolg wies er auf die Notwendigkeit einer gründlichen Systematik der äußerlichen Merkmale der Petrefakten zum Zweck einer genauern Gliederung der Formationen hin, und seine geistvollen Abhandlungen über Terebrateln (Berl. 1834), über Delthyris oder Spirifer und Ortis (das. 1838), über Productus oder Leptäna (das. 1842), über Cystideen (das. 1845), über Ceratiten (das. 1849) werden in dieser Beziehung stets als bahnbrechende Arbeiten anerkannt werden. Nicht geringeres Verdienst erwarb er sich auch um die Förderung der systematischen Geologie durch eine vortreffliche geognostische Karte von Deutschland (42 Blätter, 2. Aufl., Berl. 1832). Seit Jahren als Mitglied der Akademie und preußischer Kammerherr in Berlin lebend, starb er 4. März 1853 daselbst. Er schrieb noch: „Über den Jura in Deutschland“ (Berl. 1839); „Beiträge zur Bestimmung der Gebirgsformationen in Rußland“ (das. 1840); „Die Bäreninsel nach B. M. Keilhau geognostisch beschrieben“ (das. 1847); „Betrachtungen über die Verbreitung und die Grenzen der Kreidebildungen“ (Bonn 1849). Eine Gesamtausgabe seiner Werke besorgten Ewald, Roth und Eck (Berl. 1867–85, Bd. 1–4).