Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bürgermeister“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 659660
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Bürgermeister. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 659–660. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:B%C3%BCrgermeister (Version vom 20.10.2022)

[659] Bürgermeister (früher Burgemeister, v. mittelhochd. burc, d. h. Stadt), der oberste Verwaltungsbeamte einer städtischen, nach der Ausdrucksweise einer Anzahl neuerer Gemeindeordnungen auch einer ländlichen Gemeinde. B. entstanden (nach dem Vorbild der römischen Konsuln) im 13. Jahrh., als die Bewohner der Städte durch Waffengewalt oder friedliche Übereinkunft die Vogtei weltlicher und geistlicher Fürsten mehr und mehr beschränkten und durch Handel und Gewerbe den Kaisern und Landesherrn immer wichtiger wurden. Mit dem Recht, einen B. zu wählen, hatten die Städte ihre Verfassung vollendet; sie standen dadurch selbständig da, frei vom Einfluß landesherrlicher Behörden, bis mit der Ausbildung der Landeshoheit in neuerer Zeit die Landesregierungen wieder Einfluß gewannen und die Stadträte samt Bürgermeistern als Unterbehörden sich unterordneten. In den meisten Ländern gehen die B. aus einer freien, jedoch in der Regel mehr oder weniger indirekten Wahl der Gemeindeangehörigen hervor; doch kommt es auch vor, daß dieselben von der Regierung ernannt werden, wie dies in Frankreich von jeher die Regel gelesen ist. Nach den meisten neuern Gemeindegesetzgebungen erfolgt die Wahl der B. nur auf eine bestimmte Reihe von Jahren (3, 6, 12 Jahre), nach deren Ablauf sie sich einer Wiederwahl zu unterwerfen haben. Dieselben bedürfen der Bestätigung der Regierung. Zuweilen werden sie auf Lebenszeit gewählt, wie in Sachsen; anderwärts erfolgt die erste oder wenigstens eine abermalige Wiederwahl auf Lebenszeit. Wo die Gemeinde bloß durch ein einziges kollegiales Organ vertreten wird, ist der B. in der Regel Mitglied und Vorsitzender desselben; wo dagegen der Dualismus in der Gemeindevertretung herrscht, ist er nur Mitglied und Vorsitzender des für die ausübende Verwaltung bestimmten Organs (Gemeinderats, Stadtrats, Magistrats). Der Wirkungskreis des Bürgermeisters begreift der Hauptsache nach die Leitung und Beaufsichtigung des ganzen Geschäftsganges der städtischen Verwaltung in sich, insbesondere die Verteilung der Geschäfte unter die [660] Gemeindebeamten, den Vorsitz in den Sitzungen des Gemeinderats, nach Befinden auch der neben dem letztern bestehenden Gemeindevertretung, die Vorbereitung der an die Gemeindeorgane zu bringenden Vorlagen und die Ausführung der von denselben gefaßten Beschlüsse. Der B. führt die unmittelbare Aufsicht und übt Disziplin über die Gemeindebeamten. In den meisten Staaten ist er zugleich nach gewissen Richtungen hin Organ und Beauftragter der Staatsgewalt und insoweit nur von der letztern abhängig. Hierher gehört namentlich die Handhabung der Ortspolizei sowie die Besorgung aller örtlichen Geschäfte der Staatsverwaltung, für welche nicht besondere Behörden bestellt sind. Wo mehrere Bürgermeister vorhanden sind, pflegen dieselben entweder in der Geschäftsführung miteinander abzuwechseln, oder es ist der eine dem andern übergeordnet, in welchem Fall gewöhnlich der erstere den Titel Oberbürgermeister oder Erster B. führt. Einzelne Landesverfassungen räumen auch den Bürgermeistern gewisser Städte an sich oder auf Grund landesherrlicher Ernennung einen Sitz in der Landesvertretung ein.