Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Büchner“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 579580
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Büchner. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 579–580. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:B%C3%BCchner (Version vom 03.08.2022)

[579] Büchner, 1) Georg, talentvoller Dichter, geb. 17. Okt. 1813 zu Goddelau unweit Darmstadt, besuchte das Gymnasium zu Darmstadt und studierte in Straßburg Naturwissenschaften, namentlich Zoologie und vergleichende Anatomie, mit welchem Studium er seit 1833 in Gießen das der Medizin verband. Bei den politischen Umtrieben und Geheimbünden jener Jahre beteiligt und als Verfasser einer Flugschrift, betitelt: „Der hessische Landbote“, mit dem der französischen Revolution von 1789 entlehnten Motto: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ verdächtig, wußte er sich der Untersuchung 1835 durch die Flucht zu entziehen und widmete sich darauf in Straßburg dem Studium der neuern Philosophie, besonders der des Cartesius und Spinoza. Im Oktober 1836 begab er sich nach Zürich, wo er sich als Privatdozent an der Universität habilitierte, aber bereits 19. Febr. 1837 von einem Nervenfieber dahingerafft wurde. Herwegh widmete ihm in den „Gedichten eines Lebendigen“ einen schwungvollen poetischen Nachruf. Noch in Darmstadt hatte er sein dramatisches Gedicht „Dantons Tod, dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“ in wenigen Wochen vollendet. Es erschien, von K. Gutzkow warm empfohlen, zu Frankfurt a. M. 1835 und bildet einen Torso voller Phantasie, charakteristischer Kraft und gewaltiger historischer Wahrheit, um der letztern willen auch voll Cynismen und Greuelszenen. In Straßburg übersetzte er Victor Hugos Dramen: „Lucrèce Borgia“ und „Marie Tudor“. Als Manuskript hinterließ er ein zum Teil im „Telegraphen“ abgedrucktes Lustspiel, [580] „Leonce und Lena“, voll Geist, Witz und kecker Laune; ferner eine „Geschichte der philosophischen Systeme von Cartesius bis Spinoza“ und eine „Geschichte der ältern griechischen Philosophie“. Eine kritische Gesamtausgabe von Büchners „Werken nebst dem handschriftlichen Nachlaß“ wurde von K. F. Franzos (Frankf. a. M. 1879) veranstaltet.

2) Luise, bekannte Schriftstellerin, Schwester des vorigen, geb. 12. Juni 1823 zu Darmstadt, lebte in Darmstadt, wo sie 28. Nov. 1877 starb. Ihr erstes Schriftchen: „Die Frauen und ihr Beruf“ (Frankf. a. M. 1855; 5. Aufl., Leipz. 1883), erregte um seiner gesunden Anschauungen willen ein gewisses Aufsehen. Demnächst erschienen von ihr: Novellen („Aus dem Leben“, Leipz. 1861); „Dichterstimmen aus Heimat und Fremde“ (Anthologie, 5. Aufl., Halle 1876); der Roman „Das Schloß zu Wimmis“ (Leipz. 1864); ein Band eigner Gedichte: „Frauenherz“ (2. Aufl., Berl. 1866); „Weihnachtsmärchen“ (2. Aufl., Glogau 1882); „Klara Dettin, erzählendes Gedicht“ (das. 1874) u. a. In der sogen. Frauenfrage zeigte sich Luise B. höchst thätig. Sie war Vizepräsidentin des Alice-Vereins (s. d.), Mitbegründerin des Alice-Lyceums in Darmstadt, an welchem sie sich selbst durch fortlaufende Vorträge beteiligte, aus denen ihre „Deutsche Geschichte von 1815 bis 1870“ (Leipz. 1875) hervorging. Von ihren übrigen Schriften sind anzuführen: „Praktische Versuche zur Lösung der Frauenfrage“ (Berl. 1870); „Über weibliche Berufsarten“ (Darmst. 1872); „Die Frau. Hinterlassene Aufsätze, Abhandlungen und Berichte zur Frauenfrage“ (Halle 1878) und „Nachgelassene belletristische und vermischte Schriften“ (Frankf. a. M. 1878, 2 Bde.).

3) Louis, naturwissenschaftlicher Schriftsteller, Bruder der vorigen, geb. 29. März 1824, studierte in Gießen Medizin, lebte dann einige Zeit als Arzt in seiner Vaterstadt und habilitierte sich 1852 als Privatdozent zu Tübingen. Hier rief er indessen durch seine im Geiste des modernen Materialismus gehaltene und für dessen Popularisierung mit Erfolg wirkende Schrift „Kraft und Stoff“ (Frankf. a. M. 1855, 15. Aufl. 1883) einen so heftigen litterarischen Kampf hervor, daß er seine akademische Stellung aufgeben mußte und nach Darmstadt zurückkehrte, wo er seine ärztliche Praxis wieder aufnahm. Er veröffentlichte noch: „Natur und Geist“ (3. Aufl., Leipz. 1876); „Physiologische Bilder“ (2. Aufl., das. 1872); „Aus Natur und Wissenschaft“ (3. Aufl. 1874, 2. Bd. 1884); „Sechs Vorlesungen über die Darwinsche Theorie etc.“ (4. Aufl., das. 1876); „Der Mensch und seine Stellung in der Natur“ (2. Aufl., das. 1872); „Der Gottesbegriff und seine Bedeutung in der Gegenwart“ (2. Aufl., das. 1874); „Aus dem Geistesleben der Tiere“ (3. Aufl., Berl. 1880); „Liebe und Liebesleben in der Tierwelt“ (das. 1879); „Licht und Leben“ (Leipz. 1881); „Die Macht der Vererbung“ (das. 1882). Auch übersetzte er Lyells Werk „Das Alter des Menschengeschlechts“ (2. Aufl., Leipz. 1873).

4) Alexander, Schriftsteller, Bruder der vorigen, geb. 25. Okt. 1827, habilitierte sich 1852 als Privatdozent an der philosophischen Fakultät zu Zürich, trat 1857 in den französischen Staatsdienst und ist seit 1862 Professor der fremden Litteraturen zu Caen. Er schrieb: „Geschichte der englischen Poesie“ (Darmst. 1855, 2 Bde.); „Französische Litteraturbilder“ (Frankf. a. M. 1858, 2 Bde.); „Lautverschiebung und Lautverwechselung, Abhandlung über deutsche Phonologie“ (Darmst. 1863); „Jean Paul in Frankreich“ (Stuttg. 1863); „Der Wunderknabe von Bristol“ (Leipz. 1861); „Chatterton“, „Lord Byrons letzte Liebe“ (Novellen, das. 1862) etc.; ferner in französischer Sprache: „L’école romantique et la jeune Allemagne“; „Le roman réaliste en Allemagne“; „Les comédies de Shakespeare“ (Caen 1864); „Hamlet le Danois“ (Par. 1878) u. a. Mit L. Dumont übersetzte er Jean Pauls „Vorschule der Ästhetik“ (1862).