Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ameisenfresser“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 454
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Ameisenfresser. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 454. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ameisenfresser (Version vom 15.09.2022)

[454] Ameisenfresser (Myrmecophăga L.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Zahnlücker (Edentata) und der Familie der Ameisenfresser (Myrmecophagidae), gestreckt gebaute Tiere mit sehr stark verlängertem Kopf und Schwanz, zahnlosen Kiefern, langer, röhrenförmiger Schnauze, sehr enger Mundspalte, langer, runder, weit vorstreckbarer Zunge, deutlichen, abgerundeten Ohren und schlanken Hinterbeinen, welche schwächer sind als die Vorderbeine. Das Haarkleid ist lang, dicht, struppig. Einige Arten besitzen einen Greifschwanz und klettern; auf dem Boden bewegen sie sich langsam und ungeschickt und treten vorn mit dem äußern Fußrand auf, wobei die Krallen nach innen gebogen sind. Alle Arten leben in Südamerika von Guayana bis zum La Plata, nähren sich von Ameisen und bemächtigen sich derselben, indem sie mit ihren Klauen die Ameisenkolonien und Termitengebäude aufreißen und die lange, klebrige Zunge hineinstecken, an welcher die Ameisen kleben bleiben. Sie bekommen nur ein Junges, welches sie auf dem Rücken tragen. Der große A. (Yurumi, Ameisenbär, Myrmecophaga jubata L., s. Tafel „Zahnlücker“), 1,25–1,6 m lang, hat einen 60–94 cm langen, buschig behaarten Schwanz, aber nur 30 cm hohe Beine; der Kopf gleicht einem langen, schmächtigen, etwas nach unten gebogenen Kegel und endet mit einer kleinen, stumpfen Schnauze. Die Haare am Kopf sind kurz, am Hals und Leib sehr lang, zottig, auffallend trocken, grob und borstig, teils braunschwarz, teils lichtbraun; auf jeder Schulter verläuft ein schwarzer, weiß eingefaßter Streifen, über dem Rückgrat eine Mähne von 16–18 cm langen Haaren. Die Zunge ist so dehnbar, daß das Tier dieselbe bis auf 50 cm Länge hervorstrecken kann. Er findet sich im östlichen Südamerika vom La Plata bis zum Karibischen Meer, schweift bei Tage einsam in den Ebenen umher und ruht, wo ihn die Nacht überfällt. Es ist still, friedlich, träge, langsam und lebt von Ameisen und Termiten. Die scharfen, großen Krallen an den vier Zehen der Vorderfüße dienen ihm zum Aufreißen der Termitenhügel und zur Verteidigung. Das Weibchen wirft im Frühjahr ein einziges Junge und trägt dies einige Zeit lang mit sich auf dem Rücken herum. Fleisch und Fell des Yurumi werden nur von den wildesten Indianern benutzt. Der Tamandua (Caguare, M. tetradactyla L.) ist fast um die Hälfte kleiner als der vorige, hat an den Vorderfüßen fünf, an den Hinterfüßen vier Zehen und einen Greifschwanz. Er bewohnt dieselben Länder wie der vorige, reicht aber bis Peru hinüber und findet sich hauptsächlich am Rande der Urwälder. Er ist ebenfalls sehr träge, klettert auf Bäume, hängt sich mit dem Greifschwanz an Zweige und sucht daselbst Ameisen und Gewürm auf. Er verbreitet, besonders wenn er gereizt wird, einen starken Moschusgeruch, welcher auch das Fleisch durchdringt. Dennoch wird dasselbe von Indianern und Negern gegessen.