Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Amórph“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Amórph“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 497
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Amórph. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 497. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Am%C3%B3rph (Version vom 03.10.2022)

[497] Amórph (griech., „formlos, ungestaltet“) heißt ein Körper, welcher auch in seinen kleinsten Teilen keine kristallinische Gestalt oder Textur zeigt. Manche Körper kennen wir nur im amorphen Zustand, andre nur im kristallinischen, viele in beiden Zuständen. Letztere erscheinen besonders dann amorph, wenn sie so schnell in die starre Aggregatform übergehen, daß die Moleküle nicht Zeit finden, sich regelmäßig zu ordnen. Indes können amorphe Körper, ohne den Aggregatzustand zu ändern, kristallinisch werden, und dieser Übergang in den kristallinischen Zustand ist stets von Wärmeentwickelung begleitet. Erwärmt man amorphes Selen auf 100°, so kristallisiert es, und dabei steigt das Thermometer auf 210–215°. Bisweilen wird hierbei Licht entwickelt, so z. B., wenn sich in einer Lösung von amorpher arseniger Säure Kristalle bilden. Amorphe Körper zeigen nach allen Richtungen hin gleiche Eigenschaften, z. B. Kohäsion, Härte, Wärmeleitungsfähigkeit, Lichtgeschwindigkeit, während kristallinische sich in diesen Beziehungen nach verschiedenen Richtungen ungleich verhalten, etc.; auch sind die kristallinischen Körper meist härter, spezifisch schwerer, widerstandsfähiger gegen chemische Einflüsse und schwerer schmelzbar. Dabei gehen sie bei einer bestimmten Temperatur plötzlich in den flüssigen Aggregatzustand über, während amorphe Körper häufig erweichen und allmählich flüssig werden. Nicht selten sind die Körper im amorphen Zustand anders gefärbt als im kristallinischen: amorphes Schwefelquecksilber ist schwarz, kristallinisches rot, amorpher Phosphor rot, kristallinischer gelb etc.