Kaiserin Elisabeth von Oesterreich

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Kaiserin Elisabeth von Oesterreich
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 657–658
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[657]

Kaiserin Elisabeth von Oesterreich.

Der Lenz hatte seinen Einzug in die Lande gehalten. Um das blaue Band der Donau hatte er grüne Matten gezaubert und die Bäume auf den Uferhügeln und in den Thälern mit weißem Blütenschmuck überschüttet; unter dem klaren blauen Himmel tönte der Lerche Jubelsang und freudiges Treiben herrschte auch unter den Menschen längs des Donaustromes von Wien bis in das Bayernland hinein. Ehrenpforten wurden errichtet, mit Laubgewinden, Tannengrün und Fahnen die Häuser geschmückt und mitten in dieser frohen Arbeit erklang gar oft die Weise:

„Rose aus Bayernland,
Lieblich und traut,
Nun grüßt dich ganz Oest’reich
      Als hehre Braut.“

Das geschah in den Apriltagen des Jahres 1854, da Prinzessin Elisabeth von München Abschied nahm und von Passau an zu Schiff ihre Brautfahrt nach Wien antrat. Der schmucke Dampfer, der die jugendliche Fürstin der Kaiserstadt zuführte, glich einem Märchenschiff. Mit Rosengewinden, die bis an den Wasserspiegel reichten, waren seine Wände geschmückt, in einen Blumengarten war das Verdeck verwandelt worden und in seiner Mitte erhob sich, von einem prächtigen Zelt eingeschlossen, eine duftige Rosenlaube, und dazwischen Purpursammet und darüber Wimpel und Flaggen in bunten Farben! Mit lautem Jubel wurde überall das Schiff begrüßt. Tausendstimmige Hochrufe, Fanfaren und Glockengeläute hießen auf Oesterreichs Boden die Braut des jungen Kaisers Franz Joseph willkommen. Einem Triumphzug glich diese Brautfahrt; wo die künftige Kaiserin erschien, dort siegte sie, gewann alle Herzen durch die Lieblichkeit und Anmut ihrer Erscheinung.

Die Töchter des Herzogspaares Max und Ludowika in Bayern standen weit und breit im Rufe großer Schönheit. Herzog Max führte ein offenes Haus, Künstler und Litteraten waren bei ihm häufige Gäste; viele gingen aus und ein in dem herrlichen Schloß Possenhofen am Starnberger See und hatten Gelegenheit, die jungen Prinzessinnen zu beobachten, und alle hielten Prinzessin Elisabeth für die schönste; man nannte sie die „Rose von Possenhofen“. Hoch und schlank war sie gebaut, leicht und anmutig in ihren Bewegungen, die schönen Züge umrahmte ein dichtes kastanienbraunes Haar, von rosigem Hauch war das zarte Antlitz belebt, und aus ihm schaute ein Paar tiefblauer Augen voll schwärmerischen Glanzes. Herzog Max hatte seinen Töchtern eine freiere Erziehung gegeben als sie sonst an Fürstenhöfen üblich war. Die Prinzessinnen konnten rudern und schwimmen, und da ihr Vater ein passionierter Reiter war, so saßen auch sie frühzeitig fest im Sattel; aber diese Uebungen erhöhten nur die Anmut Elisabeths, und was an ihrer Erscheinung bestrickte, das war der Zauber der echten Weiblichkeit.

Kaiserin Elisabeth von Oesterreich in ihrem
33. Lebensjahre.

Nach einer Aufnahme von Hofphotograph V. Angerer in Wien.

Herzogin Ludowika in Bayern war eine Schwester der Erzherzogin Sophie, der Mutter Kaiser Franz Josephs, und so mögen wohl die beiden Mütter den Heiratsplan zuerst angeregt haben. Immerhin blieb die Wahl und Entscheidung dem jungen Kaiser überlassen. Im August des Jahres 1853 traf er in Ischl mit seiner Cousine zusammen und wurde von dem Liebreiz Elisabeths derart gefangen genommen, daß er sofort um ihre Hand warb und daß am 18. August, seinem 23. Geburtstag, die Verlobung stattfand. Elisabeth, die am 24. Dezember 1837 das Licht der Welt erblickt hatte, war damals noch nicht sechzehn Jahre alt. Daß der Bund, den das junge Paar miteinander schließen sollte, ein wahrer Herzensbund war, daran konnte niemand zweifeln, der es näher beobachten durfte. Im Winter 1853/54 reiste der Kaiser, so oft seine Regentenpflichten es erlaubten, nach München, um seine Braut zu besuchen. Doch der Brautstand dauerte nicht lange, denn schon für den 24. April 1854 war die Trauung festgesetzt.

Ein herrlicher Lenzabend war es, als das Rosenschiff mit der kaiserlichen Braut unter Kanonendonner, Glockengeläute und klingendem Spiel in Nußdorf anlangte, wo der Kaiser Elisabeth empfing, um sie in die Hauptstadt zu geleiten. So brausend war der Jubel, mit dem das Volk die junge Fürstin begrüßte, daß sie beim ersten Betreten Wiens an der Seite des Monarchen stehen blieb und mit Thränen in den Augen dem nimmer endenden Ruf „Hoch Elisabeth, die Kaiserbraut!“ lauschte. Das waren Thränen der Freude, die eine glückliche Braut vergoß.

Noch großartiger gestalteten sich die Kundgebungen des Volkes, als Elisabeth am anderen Morgen, einer alten Sitte zufolge, vom Theresianum den Einzug in die alte Burg der Habsburger hielt. Hunderte weißgekleideter Jungfrauen streuten ihr Rosen auf den Weg und glückstrahlend saß die anmutige Braut in dem sechsspännigen Wagen, in der dunklen Haarkrone ein funkelndes Diamantdiadem und einen Kranz von weißen und roten Rosen. Und von ferne hallte der Donner der Kanonen herüber und von Straße zu Straße brauste der Jubelruf „Hoch Elisabeth, die Kaiserbraut!“

*  *  *

Feierlich war die Trauung in der altberühmten Hofkirche zu St. Augustin vollzogen worden, rauschende Feste füllten die folgende Woche aus, dann zog sich das junge Ehepaar in die Stille von Laxenburg zurück. Nun war Elisabeth Kaiserin von Oesterreich und sogleich zeigten sich die schönen Züge ihres Charakters. Die reiche Morgengabe, die der kaiserliche Gemahl ihr verehrt hatte, überwies sie Wohlthätigkeitsanstalten des Landes. Im stillen hatte sie diese erste edle That als Landesmutter verrichtet und erst spät erfuhren die Beschenkten, wer die Geberin war. In derselben stillen Art hat sie auch in späteren Jahren unermüdlich für die Armen und Bedrängten gesorgt.

Es war ein Herzenswunsch der jungen Kaiserin, die Länder der habsburgischen Monarchie kennenzulernen. Der Kaiser führte sie zunächst nach Böhmen und Mähren, dann folgte eine Reise in die Alpen, an die sich köstliche Erinnerungen knüpften; in der Hochgebirgsnatur erlebte man reine Freuden, auf dem Großglockner hatte damals der Kaiser das erste Edelweiß gepflückt. Wunderschön gestaltete sich die Reise nach Triest und Venedig; in feenhaftem Glänze zeigte sich die Lagunenstadt den kaiserlichen Gästen und märchenhaft war das große zu ihren Ehren abgehaltene Maskenfest.

Das waren glückliche Jahre im Leben der Fürstin, der es nun auch vergönnt war, das Mutterglück zu empfinden. Im März des Jahres 1855 durfte sie ihr erstgeborenes Kind, die Erzherzogin Sophie, an ihr Herz drücken; im darauffolgenden Jahre schenkte sie der Erzherzogin Gisela das Leben und alle ihre Wünsche schienen erfüllt, als am 21. August 1858 hundertundein Kanonenschüsse den Wienern verkündeten, daß dem Lande Oesterreich ein Thronfolger geboren war. Damals erschien Elisabeth der Welt mit dem Füllhorn des Glückes überschüttet. Ihre Schönheit und Anmut waren sprichwörtlich geworden, das Volk rühmte ihre Liebenswürdigkeit und Güte; sie genoß die Freuden der Frau am häuslichen Herde, hatte einen liebenden Gatten zur Seite und [658] war von blühenden Kindern umringt. Als Fürstin durfte sie mit Stolz auf die Macht ihres Hauses blicken. Oesterreich stand festgefügt da unter dem Scepter von Habsburg und allmählich vernarbten die Wunden, die der Bürgerkrieg dem Lande geschlagen hatte. Wie beneidenswert erschien Elisabeth damals Tausenden und Millionen von Frauenherzen – die mächtige Kaiserin und glückliche Mutter!

*  *  *

Leicht gezimmert ist das Menschenglück, denn zuzeiten ist das Schicksal hart und unbarmherzig. Anmut und Unschuld halten es nicht auf in seinem Einherschreiten, und mit seinem wuchtigen Hammer trifft es gleich zerschmetternd die Hütten der Armen wie die kaiserlichen Burgen. Auch über Kaiserin Elisabeth verhängte es Prüfungen über Prüfungen.

Schon im Jahre 1857 war es ihr beschieden, den ersten tiefen Schmerz zu empfinden, da sie am Sterbebette ihres ältesten Töchterchens den letzten Atemzügen des Kindes lauschen mußte. Trübes brachte das Jahr 1859 mit sich. Das Auftreten Napoleons III machte den Krieg mit Frankreich und Piemont unvermeidlich; der Kaiser stand im Felde, aber das Glück war seinen Waffen nicht treu; die Schlachten bei Magenta und Solferino gingen verloren, und in dem Frieden von Villafranca mußte Oesterreich die Lombardei abtreten. Treu stand die Kaiserin in dieser herben Zeit ihrem Gemahl zur Seite, aber ihre Gesundheit war frühzeitig erschüttert. Ein schweres Lungenleiden hatte sich bei ihr eingestellt, die frischen Farben waren verschwunden und traurig schauten die blauen Augen aus dem bleichen Gesicht. Gebieterisch verlangten nun die Aerzte die Trennung von Wien und dem Gemahl, denn nur im warmen Süden winkte der Todkranken Rettung.

Nach langem Zögern trat die Kaiserin im November 1860 die Reise nach Madeira an. Das milde Klima des fernen Eilandes wirkte Wunder. Bereits im Mai des folgenden Jahres kehrte Elisabeth nach Wien zurück, scheinbar völlig genesen und neu aufgeblüht, aber plötzlich trat ein Rückfall des heimtückischen Leidens ein, und die Kranke mußte nach kaum einem Monat wieder den Süden aufsuchen. Diesmal begab sie sich nach Miramare und Korfu. Erst im August 1862 konnten die Wiener mit herzlicher Freude ihre heimkehrende genesene Kaiserin begrüßen.

In ihrem Wesen trat aber allmählich eine Aenderung ein. Niemals war sie eine Freundin lauter Festlichkeiten gewesen; jetzt begann sie mehr und mehr die Oeffentlichkeit zu meiden. Nur bei wichtigsten Anlässen trat sie mit ihrer Person hervor; so eilte sie nach Budapest, als es galt, nach den Ereignissen von 1866 die Magyaren mit der Krone zu versöhnen. Es gelang ihr auch leicht, die Sympathien der Ungarn zu gewinnen, die von nun an ihre Königin mit stürmischen Eljenrufen empfingen. Die Politik war jedoch nicht nach ihrem Sinn; sie gehörte zu jenen Fürstinnen, die in die Geschicke der Völker nicht eingreifen und ihre in der Welt bevorzugte Stellung nur zur Förderung gemeinnütziger Ziele benutzen. So floß ihr Leben still dahin; im Jahre 1868 schenkte sie noch ihrer jüngsten Tochter, der Erzherzogin Marie Valerie, das Leben, und als weitere freudige Ereignisse begrüßte sie die Vermählung des Kronprinzen Rudolf sowie ihre Silberne Hochzeit, die sie im Jahre 1879 feierte. So lange ihre Gesundheit es gestattete, fand sie am Reiten große Freude; die Neigung zu diesem Sport hatte sie von ihrem Vater geerbt, und aus dem Vaterhause nahm sie auf den Lebensweg auch das lebhafte Interesse für die Kunst. Namentlich die Dichtung zog sie an; sie hatte griechisch gelernt und trug sich mit der Absicht, die Werke Shakespeares ins Griechische zu übersetzen. Sie war in der magyarischen Sprache und Litteratur bewandert und eine Verehrerin Heines. So führte sie in der selbstgewählten Einsamkeit, auf den Schlössern Miramare bei Triest und Achilleion auf Korfu, auf ihren Reisen in die Alpen ein an geistigen Anregungen reiches Leben und wurde von Jahr zu Jahr mehr und mehr eine stille Schwärmerin. Aber der innere Frieden, die Ruhe, nach denen sie sich sehnte, sollten ihr nicht beschieden werden.

Rauh und gewaltsam griff das Schicksal in ihr Herz ein, als sie im Jahre 1889 das tragische Ende ihres einzigen Sohnes erleben mußte. Seit jenen düsteren Tagen war sie eine gebrochene Frau; sie hatte noch die Kraft gehabt, ihrem Manne in den schwersten Stunden über den Gram hinwegzuhelfen, doch die Trauer wich nicht mehr aus ihrer Seele. Sie ist noch bis in ihr spätes Alter schön geblieben, aber Schmerz und Leid hatten sich nun tief in ihr Antlitz eingegraben. Die Welt kennt aus den Bildern, die von ihr vorhanden sind, nur die frühere Kaiserin; aus den letzten Jahren hat man kein Bildnis von ihr, nur eine Büste der Kaiserin Elisabeth von Viktor Tilgner wird die gramdurchfurchten Züge der trauernden Mutter der Nachwelt überliefern.

Seit der furchtbaren Katastrophe im Schlosse Meyerling trug die Kaiserin stets schwarze Kleider; keine Festlichkeit konnte sie bewegen, die Trauerfarbe abzulegen, nur an einem Tage des Jahres, am 18. August, dem Geburtstag Kaiser Franz Josephs, vertauschte sie das düstere Gewand mit einem freundlicheren schwarz-weißen Kostüm. Mehr und mehr wurde die Kaiserin zu einem Schatten, der dahinwandelte und in die Einsamkeit des Hochgebirges sich flüchtete, um dort seinem Schmerz zu leben. Aber der so tief Gebeugten sollte noch eine weitere Prüfung auferlegt werden: sie mußte noch die Kunde von dem schauerlichen Flammentode ihrer Schwester, der Herzogin von Alençon, bei dem Bazarbrande in Paris erfahren. Nun war die Kraft der Kaiserin völlig gebrochen; ein Herzleiden stellte sich ein und die Kunst der Aerzte mußte alles aufbieten, um das Schlimmste zu verhüten. Die Ernährung ließ viel zu wünschen übrig, da die Kranke sich seit langer Zeit mit einer äußerst schmalen Kost begnügte, die gar nicht im Einklang stand mit den Anstrengungen, welche die von der Kaiserin mit Vorliebe ausgeführten weiten Fußtouren im Gebirge mit sich brachten. So trat zu der Herzerweiterung noch Blutarmut hinzu. Als die Kaiserin in diesem Frühjahr im Schlosse Lainz sich aufhielt, wurde der Schwächezustand so bedenklich, daß eine Badekur dringend nötig erschien. Auf deutschem Boden, in Bad Nauheim, fand die Leidende zuletzt eine Linderung, und gestärkt ging sie in die Schweiz, um an den Ufern des Genfersees im Angesicht der schneegekrönten Alpen eine Nachkur zu gebrauchen.

*  *  *

Oesterreich-Ungarn steht im Zeichen des Jubeljahres. Vor fünfzig Jahren hat Franz Joseph den Kaiserthron bestiegen. Die Völker huldigen ihm und frohe Feste lösten sich in der Kaiserstadt an der blauen Donau ab … Doch wie jäh und schrill wird der Jubel durch die Klage übertönt!

Der herrliche Sommer naht seinem Ende; noch prangt das Grün in Wald und Flur; goldene Lichter webt die Septembersonne über dem österreichischen Alpenland, aber von den hohen Zinnen der Berge wehen Trauerflaggen; von Buchs her über Feldkirch fährt ein düsterer Zug nach dem Osten, nach der Kaiserstadt Wien, und bei seiner Ankunft klagen die Glocken von den Kirchen der Dörfer und Städte und Scharen des Volkes schauen ihm mit thränenerfülltem Auge nach. Eine Missethat ist geschehen, wie sie das Jahrhundert nicht kannte! Ein entmenschter Bube hat gegen das wunde Herz der Dulderin den Mordstahl gezückt … nun kehrt die tote Kaiserin in ihr Land zurück.

Tiefe Trauer senkt sich über Oesterreich nieder, aber unbeschreiblich ist der Schmerz, mit dem der Kaiser der Toten harrt an der Stätte ihres einstigen Glückes.

Fürwahr, im Tiefinnersten erschüttert die Herzen dieses unheilvolle Schicksal; weit über Oesterreichs Grenzen dringt die Klage, und lange, lange noch wird die Welt mit Wehmut gedenken der stillen Dulderin, Kaiserin Elisabeth.