Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Herr Wendriner kauft ein
Untertitel:
aus: Mit 5 PS Seite 37-39
Herausgeber:
Auflage: 10. – 14. Tausend
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Ernst Rowohlt
Drucker: Herrosé & Ziemsen
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Aus dem Zyklus:
EIN MANN AM WEGE: HERR WENDRINER
Erstdruck in: Weltbühne, 23. Oktober 1924
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Bild
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Bearbeitungsstand
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[37]
Herr Wendriner kauft ein

„… ’n Abend … ’ne schöne Fülle hier … Na, wollen mal sehen … Drängeln Se doch nich so … Nein, ich drängle gar nicht! … Ochse! … Unglaublich. Wir kommen ja gleich ran, wir waren zuerst hier. Warten Sie auch noch ’n bißchen? ’ne Goldgrube, diß Geschäft, was meinen Sie! Die verdienen hier, was se wolln. Ja – nun habe ich den Leuten geschrieben, wenn sie die Hypothek per 15. übernehmen, dann werde ich die Sache machen. Die Leute sind gut – aber bei der jetzigen Stagnation, kein Mensch hat Geld … Wem sagen Sie das! Ich hab den Leuten erklärt: Entweder ihr entschließt euch gleich, oder ich gehe raus – Frollein! Frollein, ja wir waren zuerst da. Padong! … Also zuerst mal von den Sardellen hier – sind se auch frisch? Na gut, ein halbes. Entweder ihr entschließt euch gleich, oder die Provision geht zu euern Lasten – nicht so kleine, Frollein, ja, mehr von unten! Und dann ein halbes Pfund Gemüsesalat … Wissen Se, in der Woche eß ich immer mit meiner Frau zu Hause, es ist billiger, und man weiß doch, was man hat. Ich hab heut abend noch ’ne Konferenz, und vorher will ich noch essen. Gefüllte Tomaten – nee. Aber ’n bißchen Aufschnitt können Sie mir geben. Haben Sie die gesehn? Erinnert ein bißchen an die Klara von Fritz. Die Frau ist schon fabelhaft. Wissen Se, wenn ich noch so wär wie früher – aber man hat ja so viel zu tun … Nu sehen Sie sich das Stück da hinten an! Eine dolle Angelegenheit! Schweinebraten, Frollein, aber nicht so fett. Ja, Schüh auch. Nein, die Sache ist noch nicht abgeschlossen – wissen [38] Sie, steuertechnisch ist das nicht ganz einfach – aber wir haben da einen sehr tüchtigen Syndikus … Jäck macht noch Schwierigkeiten – immer gibt er Konterorders. Ein Fläschchen englische Sauce, Frollein, aber recht scharf! Gott, ich hab ihn genommen, weil ich mir gesagt habe: Er hält mir wenigstens die Angestellten zusammen. Sie, Sie kennen doch auch den Lachmann? Kommt doch der Junge heute morgen zu Jäck und will Gehaltszulage haben! Wie finden Sie das? Von den Kallwill-Äpfeln, Frollein! Ich hab mir aber den Jungen vorgenommen! Jetzt, in dieser Zeit – was denkt sich so ein Bengel eigentlich …? Waren Sie schon in den neuen Revuen? Da soll sich ja was tun! Wir gehn Sonnabend. Ich will mal sehen, ob ich nicht durch Lachmann ermäßigte Billetts kriegen kann. Haben Se gelesen, heute im Achtuhrabendblatt, mit den Gespenstern? Okkultismus – ich weeß nich … Sie? Wer singt da auf der Straße? Kommunisten? Ich denke, das ist vorbei? Ach so, bloß Wandervögel! Sie – heute hab ich die Reichswehr vorbeiziehn sehn, die sind da an unserm Geschäft langgekommen – ich sage Ihnen: fabelhaft! Wie früher! Sehr gut. Na, der Hindenburg macht seine Sache schon ausgezeichnet, das muß man ihm lassen. Prozeß in Leipzig? … Ich weiß nicht – nu geben Sie schon den Zettel her! … Ich lese keine Politik. Nee, wissen Se, grundsätzlich nicht. Man hat ja nichts wie Ärger davon. Vierundzwanzig achtzig, wieso? Ach so – ja. Kommen Se, da kommt die Neun! Ich weiß nicht, ich hab wieder meine Leberbeschwerden beim Gehen – ich muß doch mal zum Spezialisten. Nein, wir haben einen sehr guten, einen Vetter von meiner Frau. Eine erste Kapazität. Er nimmt fünfzig Mark für eine Konsultation. Na – mir macht ers natürlich billiger. Wissen Sie, hier oben fangen die Schmerzen an, und da unten hören sie auf. Nachts gar nicht – bloß am Tage. Dabei leb ich schon Diät. Was [39] haben Sie? Neuralgie? Sollten Se mal ein heißes Bad nehm. Grüßen Sie Ihre Frau! Atchö.

Auch ’n Mensch. Wissen möcht ich: wovon lebt der eigentlich –?“