Heinrich v. Treitschke †

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Titel: Heinrich v. Treitschke †
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 340a
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[340a] Heinrich v. Treitschke †. In dem am 28. April in Berlin verstorbenen Historiker Heinrich v. Treitschke hat die deutsche Geschichtswissenschaft einen ihrer namhaftesten Vertreter verloren. Von den Historikern großen Stils, die, wie Ranke und Sybel, die Entstehung und Gründung des Deutschen Reichs als die Erfüllung der eigenen patriotischen Wünsche miterlebt und dann vom Standpunkt eines weiten historischen Ueberblicks dargestellt haben, ist der nun auch dem Tod Verfallene am meisten von patriotischer Begeisterung und politischem Ueberzeugungseifer erfüllt gewesen. Das gab seiner Rede, vom Katheder des Universitätslehrers wie von der Tribüne in politischer Versammlung herab, ihren feurigen, namentlich in früheren Zeiten hinreißenden Schwung; das gab seinen historischen Schriften den großen Vorzug innerer Wärme und Frische, packender Darstellungsform und aus tiefster Ueberzeugung schöpfender Vortragsweise. Das schmälerte aber andererseits den objektiven wissenschaftlichen Wert seiner Werke; der Trieb, für seine persönlichen Ansichten kämpfend einzutreten, machte sich oft auch da geltend, wo es das Amt des Historikers ist, das abgeklärte Urteil leidenschaftsloser Wahrheitserforschung zu fällen.

Heinrich v. Treitschke.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph W. Höffert in Berlin.

Das Ideal einer Wiederherstellung der deutschen Reichseinheit unter starker preußischer Führung besaß in ihm bereits einen leidenschaftlichen Vorkämpfer, als das Bekenntnis zu ihm Mut und Opfer verlangte. Am 15. September 1834 zu Dresden als Sohn eines sächsischen Generals geboren, ließ er sich nach Abschluß seiner Studien zwar in Leipzig als Dozent nieder, fühlte sich aber im inneren Gegensatz zu den in der engeren Heimat geltenden politischen Anschauungen. Seine erste Professur erhielt er 1863 im badischen Freiburg, gab sie jedoch bereits im Juni 1866 wieder auf infolge der Stellung Badens zur deutschen Frage. Er ging nun auf kurze Zeit nach Berlin, übernahm dort die Redaktion der „Preußischen Jahrbücher“, deren eifriger Mitarbeiter er bereits war, und folgte bald danach einem Rufe an die Universität Kiel. Hier (1867), in Heidelberg (bis 1874) und dann in Berlin hat er in der Zeit der Gründung des Reichs und seines inneren Ausbaus im nationalen Sinne ungemein begeisternd auf viele Tausende damals Studierender gewirkt; von 1871 an hat er auch als Mitglied des Reichstags an diesem inneren Ausbau thätigen Anteil genommen. Trugen seine älteren Schriften, wie das Buch „Zehn Jahre deutscher Kämpfe 1865–74“ und die glänzend geschriebenen „Historisch-politischen Aufsätze“, einen mehr publizistischen Charakter, so raffte er gegen Ende der siebziger Jahre seine Kräfte zur Ausführung seines groß angelegten, rein historischen Lebenswerkes zusammen, das 1879 unter dem Titel „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“ zu erscheinen begann und von welchem bisher 5 Bände, der letzte erschien 1894, vorliegen. 1886 wurde er als Nachfolger Rankes zum Historiographen des preußischen Staates ernannt. Seine parlamentarische Laufbahn fand 1888 ihr Ende. Zunehmende Schwerhörigkeit verkümmerte ihm die Freude am öffentlichen Auftreten als Redner. Sein Berliner akademisches Lehramt hat er jedoch bis zu der Erkrankung nicht aufgegeben, die seinen Tod herbeiführte.