Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Hauptmann Jäger
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aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 73–76
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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42. Hauptmann Jäger.

1291 ist ein Stadthauptmann zu Lübeck gewesen mit Namen Jäger, ein wohlgeübter Kriegsmann. Bei seiner Zeit hat sich’s zugetragen, daß allenthalben um Lübeck herum viel Raubens auf den Landstraßen vorgefallen, also daß auch täglich von den Bürgern darüber geklagt worden.

Nun kömmt einmal von ungefähr vorgedachter Hauptmann einem Burgemeister auf der Gassen entgegen; der steht still, grüßet ihn und spricht: „Herr Hauptmann, Ihr heißet wohl Jäger, aber wann fangt Ihr einmal was? Habt Ihr denn nicht gehört, wie viel die Bürger klagen über diesen und jenen Raub, der täglich an ihren Kaufmannswaaren geübt wird: warum sitzt Ihr denn so stille dazu?“ – „Ja, Herr Burgemeister,“ spricht der Hauptmann, „wann mir was möchte befohlen werden, so wollt’ ich nicht allein jagen, sondern auch genugsam fangen.“ Spricht der Burgemeister wieder: „Ei, das ist Euer Amt, zu steuren und zu wehren wo Ihr könnt, und Ihr habt dessen gute Macht; darum thut dazu, damit des Raubens und Klagens ein Ende werde.“

Der Hauptmann sagt ja, er wolle seinen Kopf dran setzen, auf daß die bösen Sachen abgeschafft würden; nimmt darauf Abschied vom Burgemeister, geht nach [74] Hause und befiehlt seinen Leuten, die Pferde mit dem Rüstzeug fertig zu halten: er hätte einen sonderlichen Anschlag zu verrichten; auch sollten sie den Tag daheim bleiben, und Niemand offenbaren, daß er was vorhabe, bei ihrem Eide. – Gleichergestalt befiehlt er auch dem Marschalk, so und so viele Pferde fertig zu halten.

Wie es nun gegen den Abend kömmt, schicket er zum Frohnen, daß er zu ihm kommen möchte wegen eines Schadens, davon er mit ihm zu reden hätte. Als der kömmt, behält er ihn bei sich; schickt ferner hin und läßt einen Mönch zu sich fodern, daß er eilig kommen sollte. Als der kömmt, setzt er ihn auf den Wagen, wie auch den Frohn, giebt diesem auch ein Richtschwert zu verwahren; und läßt sie nachfolgen. Als er nun an’s Thor kömmt, da man schließen will, ist er mit seinen Leuten durchgeritten und hat dem Schließer befohlen, gleich hinter ihm zuzumachen: wie auch geschehen ist.

So geht der Zug in aller Stille und eilig dahin vor etliche straußenräuberische Junkerhöfe, die man wohl wußte. Dort sitzet der Hauptmann mit Wenigen ab, nimmt den Mönch und den Frohn zu sich, pocht gelind an die Pforte und sagt dem Thorwärter: daß er alsbald seinem Junker in der Stille anmelden solle, es sei Einer da, der habe nöthig mit ihm zu reden wegen einer frischen Beute. Der Thorwärter geht hin zu seinem Junker in die Kammer, weckt ihn auf und spricht: da vor der [75] Pforte sei der und der und habe nothwendig mit ihm zu reden wegen einer frischen Beute. Da ist der Junker flugs hinaus vor die Pforte; aber alsbald nehmen ihn die lübschen Diener, und führen ihn etwas an die Seite. Da spricht der Hauptmann: „siehe, das und das hast du gethan; hier ist nicht länger Zeit; da steht der Mönch, dem beichte.“ Wie das geschehn, hat der Frohn dem Junker den Kopf weggehauen und in einen ledernen Sack gesteckt. Damit sind sie weiter gefahren nach dem zweiten, dritten, vierten, fünften Hofe, wo sie eben dasselbe Spiel gespielt; gegen Morgen aber ist der Hauptmann mit seinen Leuten und dem Wagen wieder in die Stadt gekommen. Da reitet er mit allem seinem Gesinde in sein Haus und behält alle bei sich bis nach 8 Uhr, als er wohl wußte, daß Ein Rath versammelt war; dann geht auch er aufs Rathhaus und befiehlt dem Frohn mit dem ledernen Sack hintennachzufolgen. Auf dem Hause läßt er sich einwerben, und als die Thür eröffnet wird, tritt er vor den Stuhl des Raths mit gebührender Reverenz und spricht: „Gebietende liebe Herren! vorgestrigen Tages ist mir vom Herrn Burgemeister vorgerückt, als führe ich meinen Namen mit Unrecht; aber hieraus hab’ ich mich erboten, da ich Befehl haben möchte, wollte ich nicht allein jagen, sondern auch was fangen. Darauf hab’ ich in dieser Nacht mein Jagen ins Werk gestellt, und dieses Hochwild gefangen.“ [76] Damit wendet er sich um und befiehlt dem Frohn, herauszuschütten was er im Sack habe; der Frohn aber machet den Sack auf und schüttet die Junkerköpfe in den Stuhl des Raths; worüber die Herren alle erschrocken sind. Der Burgemeister aber fängt an sich zu entschuldigen und spricht: „ich habe zwar mit Euch geredet, Herr Hauptmann, aber das hab’ ich Euch nicht befohlen.“ Der Hauptmann sagt wieder: „großgünstige liebe Herrn, diesen Straßenschändern ist nichts anders widerfahren, als was sie gar wohl verdienet: und ich will Bürge sein, daß dieser Keiner es mehr thun soll.“

Solcher Rede hat zwar Jedermann Beifall gegeben; aber der enthaupteten Junker Freunde stellten dem Hauptmann nach; da also sein Leben nicht sicher gewesen, hat er bei dem Rath seine Entlassung gesucht und erhalten; und ist hernach in kaiserliche Dienste gegangen.

Ein Holsteinischer vom Adel aber hat sich vernehmen lassen: „In Lübeck ist nicht gut balbieren, denn man scheeret so scharf, daß auch der Kopf nicht auf dem Rumpfe bleibt.“