Graf Hans von Holstein und seine Schwester Annchristine

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Titel: Graf Hans von Holstein und seine Schwester Annchristine
Untertitel:
aus: Deutscher Liederhort,
S. 155–157
Herausgeber: Ludwig Erk
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Th. Chr. Fr. Enslin
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Wikimedia Commons
Kurzbeschreibung:
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[155]
45a. Graf Hans von Holstein und seine Schwester Annchristine.
(Mündlich, aus Marne in Ditmarschen.)
1.
Es ritt ein Jägersmann über die Heid (den Rhein),

er wollte Graf Holsteins Schwester frein.

2.
„Meine Schwester Annchristine die kriegst du ja nicht,

denn sie ist von Adel, das bist du ja nicht.’“

3.
‚‚‚Und ist sie von Adel so hübsch und so fein,

so hat sie doch ein klein Kindelein.‘‘‘

4.
„Musje Jäger, das mustu gelogen sein,

meine Schwester Annchristine ist Jungfer fein.“

5.
‚‚‚Solln alle meine Worte gelogen sein,

so laßt die Christine mal kommen herein!‘‘‘

6.
Da schickte Graf Hans Annchristine ein Boten,

sie soll kommen zu Pferde und nicht zu Wagen.

7.
Und als der Annchristine die Botschaft kam,

sie soll gleich kommen zu Pferde heran:

8.
„„Was schickt mir mein Bruder ein so schlechten Boten?

ich soll gleich kommen zu Pferde heran?

9.
„„Sonst schickt er mir einen silbernen Wagen,

die Pferde die waren mit Golde beschlagen.

10.
„„So langt mir her mein seiden Wickelband,

darin ich will wickeln mein jungen Triafant (?).

11.
„„Ich wickel ihn heut und gar zu gern,

ich wickel ihn heut und nimmermehr.

12.
„„Und langt mir her mein Beutelein fein,

damit ich kann lohnen die Mägdelein mein.

13.
„„Ich lohne sie heut und gar zu gern,

ich lohne sie heut und nimmermehr.

14.
„„Und langt mir her mein weißen Rock,

drin will ich mich schnüren, als wär ich ein Pupp (Dock).““

[156]
15.
Annchristine wol zu Pferde sprang,

ihr gülden krauses Haar lang nieder hangt.

16.
Sie reit wol über Berg und Thal,

ihr Bruder schon aus dem Fenster sah.

17.
„Musje Jäger, das mustu gelogen sein,

meine Schwester Annchristine ist Jungfer fein.“

18.
‚‚‚Solln alle meine Worte gelogen sein,

so laßt die Annchristine auf den Tanzboden rein!‘‘‘

19.
Graf Hans der machte wol nun ein Tanz,

der Tanz der daurte sieben Stunden lang.

20.
„Musje Jäger, das mustu gelogen sein,

meine Schwester Annchristine ist Jungfer fein.“

21.
‚‚‚Solln alle meine Worte gelogen sein,

so laßt uns mal zücken den Schnürband fein!‘‘‘

22.
Und als sie nun den Schnürband zückten,

die weiße Milch sprang ihr aus den Brüsten.

23.
„„Ich habe getrunken den rheinischen Wein,

das zog mir in die Brüste hinein.““

24.
„Und hast du getrunken den rheinischen Wein,

das zieht doch nicht in die Brüste hinein.

25.
„Annchristine, willst du die Ruthe schmecken,

oder soll ich dich mit dem Schwerte durchstechen?“

26.
„„Viel lieber will ich die Ruthe schmecken,

eh du mich sollst mit dem Schwerte durchstechen.““

27.
Er schlug sie so sehre, er schlug sie so lang,

bis Lung und Leber aus dem Leib ihr sprang.

28.
„„Halt ein, halt ein, lieber Bruder mein!

Prinz Friedrich von Engelland ist Schwager dein.““

29.
„Ach Schwester, hättst du mir das eher gesagt,

so hätt ich dich nicht zu Tode geplagt.

[157]
30.
„Und kannst du noch bis morgen leben,

so will ich dir ganz Schweden geben.

31.
„Und kannst du leben noch einen Tag,

so will ich dich führen nach Engelland.“

32.
„„Ich kann nicht mehr leben eine halbe Stund,

wolltst du mich auch führen nach Engelland.

33.
„„Ich kann nicht mehr bis morgen leben,

wolltst du mir auch ganz Schweden geben.““ –

34.
Es dauerte wol bis an den dritten Tag,

Prinz Friedrich von Engelland geritten kam:

35.
‚‚‚Guten Tag, guten Tag, lieber Schwager mein!

wo hast du die Herzallerliebste mein?‘‘‘

36.
„Dein Herzallerliebste ist krank gewesen,

und sie wird nun und nimmer genesen.“

37.
‚‚‚Sie haben mir unterweges erzählt,

du hättest sie selber zu Tode gequält.‘‘‘

38.
„Setz dich nieder, setz dich nieder an diesen Tisch,

es sollen gleich kommen gebratene Fisch.“

39.
‚‚‚Gebratene Fisch die eß ich nicht gern,

noch früher sollst du den Tod schmecken lern!

40.
‚‚‚Lege dich, lege dich nur auf den Tisch,

wir wollen dich hauen wie gebratene Fisch,

41.
‚‚‚Daß jedes Stück nicht größer sei,

als wie ein kleiner Fisch mag sein.‘‘‘

42.
Sie legten den Grafen wol auf den Tisch,

sie hauten ihn klein wie einen Fisch.

43.
Annchristine die ward getragen zu Grabe,

Graf Hans den fraßen die Krähen und Raben.

(Karl Müllenhoff’s „Sagen Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig Holstein und Lauenburg. Kiel, 1845.“ S. 492.)