Geschichte des Illuminaten-Ordens/Massregelung und weiteres Schicksal des Professor Weishaupt

Die Ordensbeziehungen zur österreichischen Regierung Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Massregelung und weiteres Schicksal des Professor Weishaupt
Die Wurzeln der Illuminatenverfolgung


[206]
Massregelung und weiteres Schicksal des Professor Weishaupt.

Der Leser wolle sich jetzt der anfangs mitgeteilten päpstlichen Briefe (s. Seite 13) erinnern, in denen dem Bischof von Freysing ein so hervorragender Anteil und uneingeschränktes Lob eingeräumt wird, dafür, dass er der Sitte der Väter und [207] Bischöfe folgend, alle wichtigen Vorgänge dem apostolischen Stuhle meldete. Im zweiten Brief wird die Ingolstädter Universität als von Grund aus entartet dargestellt und der Bischof belobt, dass er dem Kurfürsten den Ernst des Übels mit Eifer darstellte. Diese vom Juni und November 1785 datierten Briefe beziehen sich folgerichtig auf vorhergegangene Tatsachen und sind einesteils der Freudenausdruck über die Verbote des Kurfürsten, andernteils über die endlich durchgesetzte Entlassung Weishaupts als Professor der Universität. Über die Gründe dieser Amtsenthebung Weishaupts lässt sich Dr. Carl Prantl in seiner amtlich verfassten Geschichte der Ludwig-Maximilian-Universität wie folgt aus:


»Die Veranlassung, welche die Regierung im Februar 1785 vom Zaune brach, um Weishaupt zu entfernen, ist wahrhaft lächerlich und zeigt, dass man im eigenen Schuldbewusstsein nicht wagen durfte, offene Farbe zu bekennen, welche nur von der dümmsten Sorte des Obscurantismus herbeigeschafft werden konnte. Weishaupt nämlich hatte wiederholt darauf gedrungen, dass für die Universitäts Bibliothek Pierre Bayles Dictionaire historique et critique, sowie die Werke des Richard Simon angeschafft werden sollen,[1] die Regierung aber forderte eine Verantwortung W.'s. über dies gewiss unsträfliche Begehren und nachdem dieselbe eingelaufen war, erfolgte die Entscheidung, dass an Stelle der gewünschten Werke Zabuesnigs Widerlegungsschrift anzuschaffen sei und Weishaupt vor versammelten Plenum bei geöffneten Türen das tridentinische Glaubensbekenntnis ablegen solle, im Übrigen aber mit Ende des Studienjahres von seiner Professur mit einem Gnadengehalte von 400 fl., welchen er weder in Ingolstadt noch in Münchens Nähe verzehren darf, entlassen sei.«[2]


Die kurfürstlichen Verfügungen hat Wekhrlin in seiner Zeitschrift »Das graue Ungeheuer«, im 4. Band ohne jeden [208] Commentar, nur mit der Überschrift versehen: Die Geschichte des Professor Weishaupt, veröffentlicht. Der Vorgang war aber dem schwedischen Gesandten Björnstjerna ebenfalls so wichtig, dass er dem schwedischen Könige am 14. März 1785 in seinem Berichte diese Verfügungen mitteilte, gleichsam als eine Bedrohung freier Denkungsart, die dem Protestantismus gefährlich sei. Im schwedischen Reichsarchiv zu Stockholm findet sich folgendes vor.


I      Serenissimus Elector.

Es kommt vor, dass der Professor Weishaupt von dem Universitäts Biblithekario schon wiederholtermalen und zwar jüngsthin sogar bey versammelten Senat die Beyschaffung des Bayle und Simon Richards in die universitaets Bibliothek anverlanget habe.

Da nun höchst befremdlich fallet, dass ein öffentlicher Lehrer zumal einer, welcher das Kirchenrecht docirt, solch gottlose Bücher, worinnen die christliche Religion in ihren ersten Grundwahrheiten angefochten, und der Saamen des Unglaubens zu weiterer Fortpflanzung mit voller Maass ausgestreuet wird, in einer der studirenden Jugend offenstehenden Bibliothek nicht ohne grosse Gefahr ihrer Verführ- und gänzlichen Verderbung eingeführt wissen will, so hat der Rector Universitatis ex commissione speciali von demselben allsogleich seine christliche Verantwortung hierüber begehren, sofort solche mit seinem Bericht, längst inner zweymal 24 Stunden a dato recepti ad intimum anher einzuschicken, annebens ermeldetem professor zu bedeuten, dass er sich selbst anher zu begeben, bey schwerster Ungnad nicht unterstehen, sondern die weitere kurfürstliche Resolution in Ingolstadt abwarten solle.

München, d. 1. Febr. 1785.
Carl Theodor

an den Rectoren der Universität Ingolstadt, den Professor Weishaupt betreffend.
  Freyherr von Kreitmayr
 ad mandatum Serenissimi
  Domini Electoris proprium
   gez. Domhoff.


II      Serenissimus Elector.

Das Baylische Dictionaire historique et critique dessen Beyschaffung in die Universitäts-Bibliothek von dem Professor [209] Weishaupt so sehr betrieben wird, ist bekanntermassen wegen des gegen die christliche Religion und guten Sitten laufenden abscheulichen Inhalts ein hochärgerlich und gefährliches Buch, welches in einer öffentlichen Bibliothek, worinn junge und unerfahrene Leute den Zutritt haben, nicht nur nicht geduldet, sondern auch in den übrigen indifferenten passagen gar leicht entbehrt werden kann.

Der von vermeldeten Professor in seiner ad Rectoratum abgegebenen Verantwortung gebrauchte Vorwand, dass er solches zu seinen collegien über die philosophische Geschichte bedarff, dient ihm zu keiner Entschuldigung, sondern zeigt vielmehr an, dass er dernehmlichen philosophischen Secte, wie der Urstifter Bayle selbst, ebenfalls beygethan sey und sein Werk in keiner andern Absicht beyzuschaffen verlangt habe, als damit solches auch den Schülern in die Hände gespielt und ihnen das Gift auf solche weise beygebracht werden möge.

Sr. Kurfürstl. Durchl. befehlen demnach, dass mehrberührter Professor Weishaupt zur kristkatholischen Glaubens profession Ablegung bey versammelten Academischen Senat appertis Januis angehalten und anstatt des Baylischen Werkes die in Zween Octav-Bänden bestehende Zabuesnickische Christ- und Historische Nachrichten in die Universität Bibliothek beygeschafft werden, damit man den Bayle, Voltaire, Rousseau und andere dergleichen neuen Afterphilosophen, welche von Zabuesnick in ihrer wahren Gestalt geschildert sind, recht kennen lernen, und sich von ihren Religionswidrig und ansteckenden Lehr Sätzen desto eher zu hüten wisse.

Man hat auch gegenwärtige Resolution alsofort in pleno Senatu ohne weitere Remonstration zu publiciren und sich hiernach gehorsamst zu achten.

Carl Theodor. A. V. Kreitmayr.


III Serenissimus Elector.

Demnach Seine churfürstliche Durchl. auf dero Universität zu Ingolstadt das Jus Canonicum wieder durch einen Geistlichen wie es vor diesem allezeit gewesen, dociren zu lassen entschlossen sind, so hat man solches dem professor Weishaupt anzudeuten, damit er seinen Antrag hiernach mache, und mit Ende des heurigen Schuhl Jahres seine professur niederlege, sofort sich um andere Dienste zu bewerben wisse, bis dahin man ihm eine pension von jährl. 400 fl. ex cassa Universitatis verreichen [210] lassen wird, welche er jedoch weder hier, noch in Ingolstadt oder selbiger Revier zu geniessen habe, auch die höchste Stelle bei ohnausbleiblicher Ahndung hierüber unbehelligt lassen solle.

Mit den von der Weishauptischen Besoldung ad Cassam zurückfallenden 600 fl. aber gedenken Sr. kurfl. Durchl. den künftigen Professoren Canonum zu salariren.

München, d. 11. Febr. 1785.
Carl Theodor, Kurfürst A. V. Kreitmayr.


Zu diesen drei in Stockholm befindlichen Abschriften der Originaldokumente veröffentlicht das »Graue Ungeheuer« noch eine vierte Verordnung des Kurfürsten. Dieselbe lautet:


Sereniss. Elector.

Seine churfürstliche Durchlaucht haben aus dem Universitäts Bericht vom 16ten Maj. und der beigefügten Erklärung des Professor Weishaupts mit mehreren ersehen, was gestalt derselbe das heurige Schuljahr nicht mehr ausgehalten, sondern seine Professur allschon wirklich niedergelegt, und die ihm verwilligte Pension schlechterdings ausgeschlagen, und sowohl die Stadt Ingolstadt als das Land längst inner 10 oder 12 Tagen zu räumen sich erklärt hat. Da man nun an diesem hochmüthigen Pocher weiter nichts als einen reduzirten Logenmeister verliert: so wird er auch hiermit sogleich verabschiedet; und hat man ihm von gegenwärtigem Rescript, so wie er es von den vorhergehenden verlangt, ebenfalls eine vidimirte Abschrift auf die Reise mitzugeben.

München, d. 19. Febr. 1785.
Carl Theodor, Churfürst.  
  A. V. von Kreitmayr
ad Mandatum
Sereniss. Domini Electoris proprium
Dumhof.[3]


Nach den kurfürstlichen Erlassen I—III sollte man meinen, dass Weishaupt wenigstens in allen Ehren entlassen worden [211] sei und in Ruhe seine weiteren Wege gehen konnte, das war keineswegs der Fall. Hinter den anscheinend so gleichgültigen Worten verbarg sich die Absicht, sich der Person Weishaupts zu bemächtigen, und das abfällige Urteil des 4. Erlasses, in dem Weishaupt ein reduzierter (?) Logenmeister genannt wird, an dem man weiter nichts verliert, verhüllt nur mühsam den Ärger, dass die oben erwähnte Absicht nicht gelang.

Herzog Ernst von Gotha.

Weishaupt hatte noch zuletzt eine Unterredung mit dem damaligen Rektor Kandler, die damit endete, dass ersterer sich schleunigst entfernte, um sofort am 16. Februar 1785 Ingolstadt zu verlassen. Nicht etwa, dass der Rektor Weishaupt warnte, sondern letzterer erkannte, dass ein längeres Verbleiben für ihn höchst gefährlich sei. Wie er seine Flucht, denn eine solche war es, bewerkstelligte, erzählt Joseph Hartmann in der Altbayrischen [212] Monatsschrift, herausgegeben vom Historischen Verein von Oberbayern, in Heft 2/3 vom Jahre 1900. Daselbst heisst es:


»Weishaupt würde einer glaubwürdigst vererbten Tradition zufolge, sicherlich nicht mehr entkommen sein, wäre er nicht im letzten Augenblick noch findig genug gewesen. Denn schon hatten die Wachen der vier Tore den Auftrag erhalten, den allgemein bekannten Professor Weishaupt nicht entwischen zu lassen, als dieser, von anderen zur Vorsicht gemahnt, auf folgenden Einfall kam. Er begab sich zu dem in der Ingolstädter Kupferstr. 10 ansässigen, ihm gut bekannten Schlossermeister Joseph Martin, der jedenfalls auch Illuminat war, und hielt sich in dessen Haus ein paar Tage verborgen. Dann steckte er sich in Handwerkerkleidung und fuhr mit einem ihm vom Schlossermeister zur Verfügung gestellten Gespann zum Harderthor hinaus. Er war entronnen und gelangte glücklich nach der freien Reichsstadt Regensburg, woselbst der Geächtete vor Gefangennahme sicher sein konnte.« — —


Bevor Weishaupt Regensburg zum Aufenthalt wählte, hat er sich kurze Zeit in Nürnberg aufgehalten. Welche Gründe ihn dazu bewogen, ist unbekannt.

Jetzt sollte bald der Augenblick für den Herzog Ernst von Gotha kommen, um tatkräftig für Weishaupt einzutreten. Er hatte der Welt bereits einen Beweis seiner Gesinnung zugunsten des Gemassregelten dadurch gegeben, dass er ihn 1783 zum Hofrat ernannte, nun sandte er ihm nachfolgenden Brief.[4]


Nehmen Sie, werthester Herr Hofrath!

gegenwärtig geringen Beweiss meiner wahren Achtung und Freundschaft als ein Zeichen meiner innig Theilnehmung an ihren widrig Schicksal auf, und sind sie überzeugt, dass die herzlichste Vorsorg für ihre künftige Ruhe und zufriedenheit thue.

Möchten doch diese Zeilen dazu beytragen können, Ihnen ihre izige lage zu erleichtern, und sie von der aufrichtigen zuneigung versichert zu machen, mit welcher ich lebenslängig verharre


Gotha,
d. 14. April 1785.
Ihr
 Wohlgeneigter
  Herzog Ernst.

[213] Als Herzoglich Gothaischer Hofrat lebte Weishaupt nunmehr in Regensburg, jedoch sollte seine Ruhe sehr bald daselbst gestört werden, infolge der eintretenden Ereignisse.

Am 20. Juli 1785 ging Weishaupt mit seinem Freund und Ordensbruder, dem Priester Lanz, vor den Toren von Regensburg spazieren. Ein Gewitter zog auf und Lanz wurde an Weishaupts Seite vom Blitze erschlagen, ersterer blieb unverletzt.

Laut den im sächsischen Hauptstaatsarchiv zu Dresden befindlichen Akten befindet sich im Akt 30150 Nr. 32 und 37 bezeichnet: Acta Chur Bayern, insonderheit dessen Irrungen, ein Bericht des kurfürstlichen Gesandten, der den Vorgang schildert und angibt, dass bezüglich der Effekten des vom Blitz erschlagenen Priesters Lanz ein Streit entstand, zwischen dem Consistorium des Stiftes Regensburg und der Churpfälzischen Gesandtschaft.

Ersteres wollte nämlich die Obsignation der Effekten des Verunglückten, unter Angabe wie dieser Fall sich in seinem Kirchsprengel zugetragen, ganz allein und ohne Konkurrenz vornehmen. Hierüber und dass das Consistorium die bereits aufgedrückten Churpfälzischen Siegel ganz ungescheut und eigenmächtig abgerissen, ausserdem auch die in seinem Quartier zum schwarzen Bären befindlichen Sachen wegbringen und nach Freysingen, unter welcher Diöcese P. Lanz gehörte, transportieren liess, berichtete der Churpfälzische Gesandte. Es entstand grosse Empörung über dieses anscheinend voreilige, unbefugte Tun und wurde infolgedessen die Sperre über die Temporal Gefälle der Diöcese ausgesprochen, jedoch bald aufgehoben, weil das Stift, in den Kleidern des Lanz eingenäht, Illuminaten-Papiere und namentlich eine Namensliste der Ordensmitglieder vorfand, die es sofort nach München sandte.

Eine wörtliche Abschrift der bei Lanz vorgefundenen Papiere befindet sich im Dresdener Hauptstaatsarchiv.

Von diesem Augenblicke an begann nun eine weitere Massregelung, die sich bis zum inquisitorischen Verfahren ausbildete. Namentlich suchte man sich der Person Weishaupts zu bemächtigen. In Regensburg, der damaligen freien Reichsstadt, war der neue Hofrat allerdings unantastbar. Regensburg war jedoch von bayrischem Gebiet umschlossen, sehr leicht konnte Weishaupt dasselbe bei seinen gewohnten Spaziergängen betreten und dieses hoffte man, um ihn sodann sofort gefangen zu nehmen.

[214] Ein diesbezüglicher Befehl[5] lautet:

Der Regierung Straubing wird hiermit anbefohlen, auf den gewesten Professor Weishaupt, welcher seinen Wohnsitz dermal in Regensburg aufgeschlagen hat, durch die benachbarte Gerichte gute Obacht bestellen zu lassen, damit er auf Betretten in dem Churfürstlichen Territoria arretirt und bis auf erfolgend höchste Resolution des Arrestes nicht entlassen werde.

München, d. 31. August 1785.


Es hatte der plötzliche Tod des Lanz, durch die damit verbundene Auffindung der Liste noch andere Folgen. Zunächst die Massregelung des Zwackh und die Oktob. 1786 darauffolgende Hausvisitation, auf beides kommen wir noch zurück, und weiterhin eine Haussuchung auf dem Schlosse des Baron Bassus, durch welche ebenfalls mannigfache Illuminaten-Schriften und Briefe gefunden wurden. Die bei Zwackh gefundenen wurden den ehemaligen Mitgliedern des Ordens: Utzschneider, Renner, Cossandey, Grünberger zur Anfertigung eines Auszuges übergeben, der dann nach Fertigstellung den beiden Oberlandesregierungsräten v. Eckartshausen und von Schneider laut Kurfürstlichen Befehls vom 2. Januar 1787 zur weiteren Begutachtung ausgehändigt wurde. Auch die bei Bassus gefundenen Briefe und Schriften gingen durch die Hände der letzteren.

Unter den Schriften fand sich nun ein Brief Weishaupts, oder soll sich darunter befunden haben, der Schreiber behauptet, er wäre jedenfalls auf andere Weise hinzugekommen,[6] der benutzt worden ist, um Weishaupt als ein Ungeheuer von Unmoral hinzustellen. Wir dürfen diese diskrete Angelegenheit nicht übergehen, um nicht den Vorwurf der Beschönigung und Verschweigens unangenehmer Tatsachen auf uns zu laden, bringen sie jedoch in korrekter Reihenfolge der Geschehnisse und überlassen das Endurteil dem Leser.

Die Tatsache ist sehr einfach. Weishaupt erzählt sie selbst in seiner Schrift: Kurze Rechtfertigung meiner Absichten, Frankfurt und Leipzig 1787, Seite 56 folgendermassen:


Gegen das Jahr 1777 wurde meine erste Frau von einer Krankheit überfallen; diese dauerte bis in das Jahr 1780, wo sie [215] endlich den 8. Febr. würklich verstorben. Sie nahm ihre Schwester zu sich, um sie in ihrer Krankheit zu pflegen, und die Hausgeschäfte zu besorgen. Kurz vor ihrem Ende, das sie

Totenmaske der ersten Frau Weishaupts.
(Ordensarchiv zu Dresden.)

vorhersahe, äusserte sie mir ihre Sorge, wie sehr ihr ihr Kind anliege, (denn sie sah von meiner Seite die Notwendigkeit einer zweyten Heyrath sehr gut ein). Ich suchte sie darüber zu beruhigen. Und um dieses noch besser zu bewürken: versprach [216] ich ihr im Monath October des Jahrs 1779 in Gegenwart ihrer Mutter, dass ich mich nach Kräften bestreben würde, die Erlaubniss zur Heyrath mit ihrer Schwester zu bewürken. Selbst den Tag vor ihrem Tod hab ich dieses Versprechen wiederholt. Sie war darüber ruhig und starb, und meine Schwägerin blieb bey mir, um meine Wirthschaft zu führen.

Sie lag noch im Hause, so geschahen mir besonders durch die Geistliche, verschiedene zum Theil sehr vortheilhafte Anträge zu einer neuen Verheyrathung. Aus der Hartnäckigkeit, mit welcher ich solche von mir gewiesen, schlossen viele schon damals, und das Gerücht verbreitete sich in der Stadt, dass meine Absichten auf meine Schwägerin gingen.

Indessen war die Trauerzeit vorbey. Ich ersuchte meinen geistlichen Schwager, er möchte durch die P. P. Franciscaner in Neuburg sich in Rom erkundigen lassen, welche Hoffnung ich hätte, mein Versprechen zu erfüllen. Eine geraume Zeit ging vorüber, endlich kam die Antwort: »Dieser Fall sey äusserst schwer, doch nicht ohne Beyspiel: Diese fänden sich allein in grossen Häusern; die Hofnung eines erwünschten Erfolgs[7] sey also äusserst schwach und gering.«

Nun sollten neue würksamere Wege ausgemacht werden, die ganze Sache beruhte also bis dahin. Ich hatte damahlen einen Schwager in Wien. Meine Schwiegereltern wandten sich durch ihren Sohn an die dortige Nuntiatur. Ich liess meine Gründe vorlegen: 1. dass ich genöthigt sey, mich wieder zu verheyrathen. 2. dass ich wünschte, dass solches auf die meinem Kind unschädlichste Art geschehen könnte. 3. dass ich glaubte, dass eine leibliche Schwester der verstorbenen Frau diese Absicht besser erfüllen würde. 4. dass ich meiner Frau schon bey ihren Lebzeiten zu ihrer Beruhigung, diese bedingte Versicherung gemacht. 5. dass ich zugleich durch diesen Weg eine Pflicht der Dankbarkeit erfüllen, und so gut, als ich es vermag, alle so grossen Dienste belohnen kann, die wir beyde von meiner Schwägerin erfahren. Liebe für mein Kind, ein gemachtes Versprechen, Achtung für meine verstorbene Frau, Dankbarkeit, selbst die Natur der Sache, alles sprach für mich und unterstützte mein Gesuch. Aber alle diese Gründe halfen nichts, [217] man fand sie zu schwach. Ich war der Meynung, dass es der Vernunft angemessener wäre, die Heyrath mit der verstorbenen Frau Schwester, im Fall Kinder vorhanden sind, eher zu fördern, als zu verbieten. Bey den geistlichen Gerichten hatte man diese Meynung nicht. Umsonst; diese Gründe schienen schwach. Sehr viele Zeit gieng über diesen Streit verlohren; und schon damahlen im Jahre 1782 versicherten mich viele angesehene Männer, welche die Praxis curiae besser verstanden, dass eine Schwängerung das kräftigste Beförderungsmittel bey ähnlichen Gesuchen sey. Der Leser kann sich einbilden, dass die Einladung und Versuchung nicht gering war. Aber ich scheute die Folgen und der Vorschlag unterblieb.

Nach wiederholten Schreiben, kam man endlich dahin überein, dass die Sache von meinem Bischoff dringend empfohlen werden müsse. Dieser Vorschlag war vernünftig, aber die Schwierigkeit war nicht gering. Der Herr Vicarius generalis, der berühmte Herr Martin Lehehbauer, war durch Anempfehlung der Jesuiten, mein abgesagtester Feind; diese erhielten also auf diese Art Nachricht von meinem Gesuch, und nur durch diese Hände konnte es gehen. Ich konnte aber vorhersehen, welches der Erfolg seyn würde. Meine Schwiegereltern erwählten einen Mittelweg, sie wandten sich geradezu an Se. Hochfürstlichen Gnaden. Hochdieselbe empfahlen diese Sache nachdrücklichst an ihr Consistorium. Dieses beschloss, das Gutachten der Theologischen Facultät zu Ingolstatt zu erhohlen. Diese berichtete zu meinem Vorteil den 3. Febr. 1783. 1. Wolfgang Fröhlich war der Concipient. Mit diesem Gutachten begleitet, gieng die Sache endlich einmahl nach Wien, und von da aus nach Rom. Alle Welt versicherte mich, nun könne es nicht fehlen, in 6 oder 8 Wochen würde ich unfehlbar im Besiz meiner Frau seyn.

Nun sage mir alle Welt, was ist hier gottloser, was, das ein Sittenverderbnis, eine Bösartigkeit verräth. Jacob hat beynahe nicht so lange um seine Rahel gedient. Schon im Jahre 1779 will ich diese Frau heyrathen, drey ganze Jahre schreibe ich in aller Welt und aller Orten um die Erlaubniss herum. Ich habe Hofnung sie zu erhalten; meine Schwägerin wohnt bey mir unter einem Haus, alle Welt versichert mir den Erfolg meines Gesuchs als unausbleiblich und gewiss; ist es nun bey diesen Umständen so entsezlich gefehlt, wenn ein Mann, der sich so wenig zerstreut, der mit solchen Unmuth und Sorgen unaufhörlich zu kämpfen hat, der stündlich diese Bewilligung [218] zu seiner Heyrath erwartet, — sich in einer schwachen Stunde dahin reissen lässt, wenn er glaubt, dass er sich nach so vielen marternden Stunden, von seinem Kummer in dem Schoos einer Freundin erhohlt, deren Besiz ihm alle Welt, als unausbleiblich, als nächst bevorstehend versichert? Wo ist nun die Schandthat? wo die Heucheley? wo das Verderbnis der Sitten? Es war gefehlt, das läugne ich nicht: aber wenige Menschen haben verzeihlicher gefehlt. Wo ist die Fertigkeit? wo die böse Absicht? — Es ist traurig, wenn ein Mensch geschehen lassen muss, dass seine Ehre, auf eine so widerrechtliche Art so tief gekränkt, und das weniger unterrichtete Publicum, so unnötiger Weise in eine solche Gährung versezt werde.

So weit waren wir indessen gekommen. Nun bekam die Sache auf einmal eine minder günstige Wendung. Nach einer ziemlichen Zwischenzeit, als ich nichts weniger als die würkliche Dispensation erwartete, kam über Wien von Rom aus die Nachricht, dass man von Seiten des vicariats unterlassen habe, die nötigen Producte beyzulegen, und dass überhaupt dies Vorschreiben nicht so nachdrükklich abgefasst sey, als es in solchen Fällen nöthig und gewöhnlich sey. Man stelle sich meine Verlegenheit vor. Ich musste mich also neuerdings an Eichstädt wenden. Ich erhielt zwar nun die noch abgängige Producte, aber an eine weitere nachdrücklichere Empfehlung war unsers Ansuchens ungeachtet nicht zu denken. Auf diese Art konnte bis in das Monat Julius keine andere Antwort erfolgen, als dass ich an keine Dispensation zu denken hätte, wenn mein Gesuch nicht von einer anderen Seite nachdrücklicher von einem grossen Herrn unterstüzt würde. Indessen war meine Frau schon gegen das Ende des dritten Monats in ihrer Schwangerschaft vorangerückt, und in allem Fall meine und ihre Prostitution unvermeidlich. Man denke sich in meine Lage.

Gesezgeber und Richter! Ihr alle, die Ihr die Handlungen der Menschen zu beurteilen habt! Hört die Stimme eines Menschen, der sich selbst in dieser Lage befand, der sich bey einem besser ausgebildeten Verstand so wenig helfen, so wenig den reggewordenen marternden Vorstellungen einer düstern, alles Übel verkündigenden Zukunft widerstehen konnte, der vielleicht darum dies alles erfahren musste, um der Retter und Fürbitter so vieler Menschen zu werden, die sich nach mir in einer ähnlichen Gemüthslage befinden werden. Hört mein Wort: denkt euch doch nur die Lage einer solchen Person; denkt, was ihnen [219] unter solchen Umständen, bey solchen Vorstellungen möglich war. Denkt, dass die Aufforderungen entsezlich seyn müssen, welche eine sonst untadelhafte Mutter bewegen können, gegen ihr eigenes Eingeweid zu wüthen, und die engsten Bande der Natur zu zerreissen. Ihr müsst finden, wenn ihr dies überlegen wollt, dass eine solche Handlung nicht willkührlich sey; dass ein Mensch in solchen Fällen entweder gar kein Gefühl von Ehre haben müsse, oder dass er hinlängliche Macht habe, sich über alle widrigen Folgen der Verachtung hinauszusetzen, wenn er den Ausgang ruhig erwarten kann. Ihr müsst finden, dass diese Handlung, die Abtreibung der Frucht, eine unwillkührliche Folge des ersten Vergehen sey, dass, wenn Ihr also diesem leztern steuern wollt, eure Vorsorge dahin gehen müsse, dass Ihr die Quelle dieses Übels, die Unzucht, vermindert. Ihr würdet mit mir vermuthen, dass, wenn es gleich weniger und nicht allzeit, bekannt wird, unter hundert ehrliebenden gefallenen Mädchen kaum eine einzige sey, welche sich nicht, um ihre Ehre zu retten, zu ähnlichen äussersten Mitteln werkthätig entschliesst. — Hört doch die Stimme der Menschheit und Vernunft, und ich will gerne diesen Fehler selbst begangen, diesen Drang und diese Schande selbst erfahren haben. Ich freue mich, sie erfahren zu haben, wenn mein Beyspiel dazu dienen kann, unsere Geseze menschlicher zu verfassen, hart zu diesem Ende empfunden zu haben. Andere empfinden ebenfalls weniger oder mehr.

Ich sehe vor meinen Augen eine Person, die ich so sehr geliebt, welcher ich soviel zu danken hatte, deren Glück ich zu machen dachte, eine Person von exemplarischen Sitten und Tugend, welche nun der grösste Trost meines Lebens, und das kostbarste Geschenk des Himmels ist, welche alle Widerwärtigkeiten meines Lebens mit Muth und Standhaftigkeit mit mir theilt, welche in diesem Stück der Stolz eines jeden Römers gewesen seyn würde: — Diese Person sah ich durch meine Uebereilung, und durch die geflissentliche Verzögerung einer höchst natürlichen Sache, entehrt, der Verachtung der Welt, dem Unwillen und Fluch ihrer Eltern und Verwandten, und der Ahndung der Gesetze ausgestellt, preisgegeben, unglücklich für alle Zeiten. Ich selbst hatte ein unbescholtenes Leben geführt, eben dieser gute Ruf, und die Reinheit meiner Sitten, hatten mich in den Stand gesetzt, so manches Gute zu würken. Ich war öffentlicher Lehrer; mein widriges Beyspiel konnte so viele Jünglinge verderben. Die Mitglieder meines Ordens hatten vorzüglich alle [220] Augen auf mich gerichtet, auf meinem Credit ruhte mein ganzes Gebäude: so wie dieser fiel, war ich nicht mehr im Stand, die Sache der Tugend mit diesem Nachdruck zu vertretten. Ich konnte mir vorstellen, dass jeder unfolgsame Jüngling durch eben dieses Beyspiel seinen mindern Glauben an Tugend rechtfertigen und unterhalten, dass er mich mit allen moralischen Schwätzern in eine Classe werfen würde, dass nun alles verlohren seyn würde, wenn keine Auswege gefunden würden, um diese Mackel meines Lebens zu verbergen. Und was am wenigsten in mir gewürkt, ich hatte Feinde von allen Seiten, die auf meine Schwäche schon seit vielen Jahren gelauert, die in dem Taumel ihrer Freude ein allgemeines Geschrey erwecken, die Sache übertreiben, alles gegen mich empören, und meinen Untergang befördern würden. Dies alles sahe ich in der stärksten Ausbildung, mit den grellsten Farben gezeichnet. Ich war beynahe bis zur Verzweiflung getrieben. In diesem Zustande, den niemand mehr empfinden kann, um meine und meiner Frau Ehre, und ich darf sagen, hauptsächlich um die Ehre der Tugend zu retten, entschloss ich mich zu diesem äussersten Mittel, zu dieser Handlung, die euch so sehr empört, welche ihr mit meinem übrigen Charakter so wenig vereinigen könnt. Nun tadelt immerhin diese Handlung, denn sie verdient es; aber sagt mir, verräth sie Bösartigkeit des Herzens? Bin ich ein Heuchler? verdiene ich diese Münchner Invectiven, welche mich dadurch als den sittenlosesten Menschen beschreiben wollen? Ist es billig, dass man sich nicht begnügt, alle Welt gegen mich zu waffnen, dass man auch noch über dies will, dass mein eigenes Kind mir fluchen und dereinst seinen Vater verabscheuen soll?

Also selbst dies, was das ärgste ist, beweist nichts gegen meinen Charakter, gegen meine Absichten, es beweist eher für mich; wozu war es also nöthig, diese geheime Sünde bekannt zu machen, ihr dadurch eine Art von Sanction zu geben, bey dem grössern Haufen meinen Charakter und mit solchem jeden Lehrer der Tugend verdächtig zu machen? Wozu war es nötig, das Kind gegen seinen Vater zu empören, und durch sein Beyspiel zu verderben? Schwerlich hat noch ein anderer Mensch vor mir solche Misshandlungen erfahren, und sie so wenig verdient. Der Herr wird wissen, warum ich sie erfahre.

Nicht genug: Auch ein Meineidiger soll ich seyn. Ich habe, wie man schreibt, fälschlich geschworen, dass ich nichts von diesen vorgefundenen, so gefährlichen Giften und Arzneyen [221] wisse, und ich selbst habe sie gebraucht? — Ich habe beschworen, dass ich niemand von meiner Bekanntschaft wisse, der sie angerathen und gebraucht habe. — Alles dies schwöre ich noch zur Stunde. Ich wusste nicht, dass Ajax oder Cato solche Recepte besitzen; ich würde mich ausserdem vielleicht in meiner äussersten Verlegenheit an sie gewandt haben. Ich weiss keinen Menschen, der diese Recepte angerathen oder gebraucht hätte. Euriphon hat nicht nur allein nicht mitgewürkt, sondern die Unmöglichkeit ohne Todesgefahr dringend vorgestellt; auf sein Zureden sind alle weiteren Versuche unterblieben, und ich muss noch hinzusetzen, dass meine eigenen, von mir ausgedachten Mittel, Aderlass, Bad, und Bewegung, mehr zur Stärkung als Abtreibung des Kindes beygetragen haben, wie noch zur Stunde die Gesundheit der Mutter und des Kindes augenscheinlich beweisen. Marius, an welchen der Brief gerichtet war, hat abgerathen, und Celsus hat niemahlen etwas davon erfahren. Was er vor 3 Jahren sagte, war blosser Scherz, indem er mich wegen meiner Schwägerin raillirte. Diesen Scherz nahm ich nach 3 Jahren, wo ich dessen leider benöthigt war, für baare Münze auf, weil ich in meiner Verlegenheit nach jedem Schilf gegriffen, um den üblen Folgen vorzubeugen, die ich vorhersah. All dieses beschwöre ich noch: Gott wird es wissen, wenn es Menschen nicht wissen wollen.« — —


Um was es sich handelte, geht klar aus Weishaupts Erklärungen hervor. Er hatte in dem Briefe an Marius seine Verzweiflung über den Zustand seiner Schwägerin ausgesprochen und gesagt, dass zur Beseitigung desselben Euriphon, das ist der Arzt Dr. Kanzler, zu timide sei. Letzterem brachte diese Bemerkung später ein strenges Verhör ein, jedoch keinerlei Beweis einer Schuld. Im Grunde genommen durfte dem Weishaupt auch gar kein tieferer Vorwurf gemacht werden, denn der Papst gab den 29. Nov. 1783 den erbetenen Dispens[8] zur Heirat, die denn auch alsbald erfolgte. Seine Feinde kümmerte das jedoch wenig.

Eine aus jener Zeit stammende Handschrift, die leider nicht im Ordensbesitz, von der jedoch der Verfasser dieses Buches Abschrift nahm, sagt:

[222] November 1783 hat Weishaupt die Dispensation von Rom seine Schwägerin heurathen zu dürfen, erhalten und sind darauf in festo Stephany beide von dem Herrn Oberstatt-Pfarrer in Ingolstadt in einem Wohnzimmer des Schloss zu Sandhorst, wo Baron Bassus als Hostmarckts-Herr residirte, copulirt worden. Gezeugen waren Herr Pfarrer zu Schamhaupten, als Parochy Loci, und Assistens; der Zeitliche Pfarrer und Superior zu Bettbrunn bey St. Salvator, E. F. Ord. Erem. S. Augustini und der Herr-Verwalter Joseph Mayr. —


In dem Archiv zu München befindet sich jedoch unter dem Titel »Dispensations-Act« eine ganze Anzahl von Dokumenten, die die Angelegenheit besonders beleuchten. Es wurde dieses Aktenstück 1787 zusammengestellt, nachdem durch Auffindung jenes kompromittierenden Briefes der Kurfürst Carl Theodor Kenntnis von der Angelegenheit erhalten hatte und nun Weishaupt unbedingt gebrandmarkt werden sollte, als unmoralischer Wüstling und Haupt einer verbrecherischen Sekte.

Diese Dokumente geben nun ein so scharfes Streiflicht auf die damaligen Zustände, dass einige bekannt gegeben zu werden, verdienen.

Der Ober-Stadt-Pfarrer Wibmer zu Ingolstadt, mit Weishaupt befreundet, hatte sich namentlich um Erlangung des Dispenses bemüht; als derselbe einlangte, nahm er selbst die Trauung vor und schickte über den Verlauf derselben nachfolgenden Bericht ein:


Hochwürdiger, Hochfürstlicher, Hoch Bischöfliches General Vicariat!

Den 21. Vorigen Monaths und Jahre wurden auf die den 19 ejusdem mensis zugeschickte Hochfürstlich, Bischöfliche Delegirte Ordinariats Dispensation beyde Oratores Herr Prof. jur. canon. Doctor Weishaupt, und dessen Sponsa Maria Anna Sausenhofern folgender massen Priesterlich eingesegnet.

A. Verfügte ich mich auf ersuchen Herrn Prof. Weishaupt auf das Baron Bassu'sche gut Sanderdorf, als wo selbst die Braut seith mehreren Monathen sich aufhielte.
B. Daselbst Vernamme ich bemeldete Maria Anna Sausenhoferin eydlich über die mir schon vormahlen communicante Fragen, auf welche sie betheuert hat:
[223]
Silhouetten von Adam Weishaupt und seiner zweiten Frau,
auf zwei Obertassen eingebrannt, die im Besitze der Nachkommen in Gotha

[224]

ad 1. dass Sie auss keiner andere Absicht oder Ursache sich mit ihrem Bräutigam fleischlich Verfehlt habe, dass pur allein auss menschlicher Schwachheit und auss gelegenheit der langen Zusammenwohnung, Sie auch
ad 2. Von gar Niemand dazu ermuntert worden, und sie gedenke
ad 3. niemahlen, änderst als mit der Gnade Gottes in der allein selig machenden Christ-katholischen Religion zu leben und zu sterben, so wie
ad 4. Sie gar nicht absehen kann, dass auss dieser durch Päbstliche Dispensation gnädigster bewilligter Ehe einiges Ärgerniss entstehen könnte.
Nach diesser liesse ich
C. Beyde das Juramenta Libertatis de non abstantibus aliis imperdinertis, ablegen, sprache Sie dann nach der terae der Päbstlichen Bulle ab strictus creatibus loss, und legte beyden durch 4 vorher die alltägliche abbetung deren Buss Psalmen nebst der allen Heiligen Lytaney und erwerbung deren Theologischen Tugenden, dann einer Vorzunehmenden Wallfahrt und daselbstiger ablegung einer reumütigen Beicht und Empfangung der hl Communion auf.
und nach dem
D. wurden von mir Beyde auf schon ehvor erhaltener Erlaubnis des Schamhauptischen Herrn Pfarrer der nebst dem Sandersdorferischen Herrn Verwalther und Herrn pater Superior von gross Salvator als gezeigen zugegen waren, ehelich eingesegnet.

Und diesses ist es, was ich nebst remittirung der Päbstlichen Bulle berichten, und mich gehorsam empfehle als

  Seiner Hochwürden, Hochfürstlich
Hoch-Bischöflichen General Vicariats
gehorsamster
Dr. Wibmer, Ober Stadt Pfarrei

War nun der Oberstadt-Pfarrer Weishaupt freundlich gesinnt, so war ihm der Unterstadt-Pfarrer Paulus Bauer umso feindlicher. Letzterer gab sich nachträglich noch im Jahre 1787 durch die merkwürdigsten Auseinandersetzungen die erdenklichste Mühe nachzuweisen, dass der Papst eigentlich mit der Erteilung [225] des Dispenses betrogen sei, weil dieser auf falsche Voraussetzungen beruhe. Es würde zu weit führen, die langatmigen Berichte[9] an den Kurfürsten hier mitzuteilen, charakteristisch ist jedoch unter diesen ein merkwürdiges Attest, das als Beweis des Eifers jenes Herrn Unterstadt-Pfarrers unbedingt allgemeine Kenntnis verdient. Es lautet:


Attestum.

Vom hochchurfürstl. Bischöfl. Vicariatswege allhier wird anmit geziemend attestirt, dass Herr Paul Bauer, Thlgiae D.-Churpfalz Bayrisch, würklicher Geistl. Rath und Stadtpfarrer bey St. Moriz zu Ingolstatt die Professor Weishaupt'sche Dispensation circa impedimentum primi gradas affinitatis sowohl durch öffteren schriftlich als mündliche Vorstellungen, auf alle mögliche weis zu hintertreiben sich alle mögliche Mühe gegeben habe.

Eichstadii ex buria Vicariatus Exp. gratis die 3te Septbris 1787.
Jean Martinus Lehrbaur.
vicar im geistl. Generalis.
(Bischöfl. Siegel.)

Am 30. Januar 1784 ward dem Ehepaar ein Knabe geboren, der Wilhelm Weishaupt genannt wurde, jedoch bereits mit 18 Jahren 1802 in Gotha starb. Sein Grabstein befindet sich neben dem Weishaupts, derselbe zeigt eine wahrscheinlich von seinem Vater verfasste, jetzt jedoch sehr schwer zu entziffernde lateinische Grabschrift, deren Inhalt viel Kopfzerbrechen verursacht hat. Jedenfalls ist der Stein in späteren, nicht allzu fernen Jahren erneuert worden und die verwitterte Inschrift von einem der lateinischen Sprache ganz Unkundigen ausgebessert, dabei jedoch verbösert worden. Es befinden sich jetzt Worte und Zeichen auf dem Grabstein, die kein Verständnis ergeben können, weil sie nicht lateinisch sind. Nach deren Enträtselung lautet die Grabschrift:

Wilhelmus Weishaupt.
Bav. natus Ingolstadii die XXX Jan. MDCCLXXXIIII,
vixit multum aevo brevi,
terrae satur a contemplatione coeli,
ad coelum abiit die VI Jan. MDCCCII.
[226]
Grabstein von Wilhelm Weishaupt
mit entstellter lateinischer Grabschrift.
Illic postquam se lumine vero

implevit stellasque vagas miralus et astra
est a polis, vidit quanta sub nocte iaceret
nostra dies risitque sui ludibria trunci.

Wilhelm Weishaupt, ein Bayer, geboren in Ingolstadt, 30 Januar 1784, hat viel erlebt in einer kurzen Lebenszeit. Der [227] Erde satt ging er von der Betrachtung des Himmels zum Himmel ein am 6. Jan. 1802.

Nachdem er dort sich mit dem wahren Lichte erfüllt hatte und die schweifenden Gestirne und die Sternbilder von Himmelshöhen aus bewundert, sah er, in welcher Nacht lag unser Tag (Leben) und lachte über die Nichtigkeiten seines Leibes.


Ob Weishaupt mit dem Schlusspassus nun auf seine Geburt anspielte, oder andere Begebenheiten damit meint, lässt

Silhouetten der ersten vier Söhne Weishaupts.

sich nicht mehr feststellen. Die Silhouette dieses Sohnes, als Knabe, ist auf einer Obertasse erhalten, die sich im Besitze der Nachkommen Weishaupts in Gotha befindet.

Wir wollen diese Angelegenheit nun mit dem Hinweise beschliessen, dass auch Schiller von derselben Kenntniss hatte und am 10. Sept. 1787 darüber an Körner aus Weimar schrieb:


»Weishaupt ist jetzt sehr das Gespräch der Welt. Seine aufgefundenen Briefe wirst du gelesen haben, sowie auch die Recension des ersten Bandes in der Literaturzeitung, welche von Hufeland, und nach meinem Urtheil vortrefflich ist. Was denkst du denn von seinem unglücklichen Verbrechen? — Alle Maurer, [228] die ich noch gehört habe, brechen den Stab über ihn und wollen ihn ohne Gnade bürgerlich vernichtet haben. Aber der Orden bleibe ehrwürdig, auch nachdem Weishaupt ein schlechter Kerl sei. Es lässt sich vielerlei darüber sagen und ich muss gestehen, dass mir die moralischen Declamationen dieser Herren etwas verdächtig sind. Ein Kind abtreiben, ist unstreitig eine lasterhafte That — für jeden. Aber eins machen, ist für einen Chef de parti unverzeihlicher. Was sie mir von der Abscheulichkeit des Kindermords und von der empörenden Rücksicht: dass ein Vater dieses thue, sagen ist falsch und schief. Dieser Fall ist kein Kindermord. Es wäre schlimm, wenn man keine triftigeren Ursachen hätte, eine solche That zu verabscheuen, als jene schielenden Raisonnements. Ich habe nur einen Massstab für Moralität, und ich glaube, den strengsten: Ist die That, die ich begehe, von guten oder schlimmen Folgen für die Welt, — wenn sie allgemein ist?« —


In Regensburg war Weishaupt durchaus nicht seiner Freiheit sicher, wie bereits erwähnt und bewiesen wurde, ja die Unsicherheit nahm zu, je mehr sich die Verfolgungen in München zuspitzten. Es ist natürlich, dass diesem Zustande ein Ende zu machen, W.'s innigster Wunsch war. Dazu kam noch, dass seine letzte von fünf Mädchen aus erster Ehe ihm allein noch gebliebene Tochter mit 14 Jahren in Regensburg starb, deren Verlust er schmerzlichst empfand. Weishaupt überwand seine früher gegen Wien ausgesprochene Abneigung und reiste im August 1786 nach dort, in der Hoffnung, daselbst eine Anstellung zu erhalten.

In der Bayreuther Zeitung vom 26. August 1786 findet sich folgende diesbezügliche Notiz:

Wien, den 16. August 1786.

Der berühmte Bayrische Professor Weishaupt, welcher aus bekannten Ursachen sein Vaterland verlassen hat, ist hier angekommen, und wird ihm mit vieler Hochachtung begegnet. Man weiss zwar den eigentlichen Endzweck seines Hierseins noch nicht, doch ist zu vermuthen, dass man diesen geschickten canonischen Rechtslehrer hier behalten werde. —


Letzteres geschah jedoch nicht und Weishaupt kehrte glücklich nach Regensburg zurück. Er benutzte seine Zeit, um die immer stärker werdende Flut der Verdächtigungen und

[229] 
Weishaupts Wohnhaus in Regensburg.

[230] Schmähungen möglichst einzudämmen, konnte jedoch einen wirksamen Einfluss darauf nicht ausüben.

Von München aus gab man sich alle erdenkliche Mühe, seiner habhaft zu werden, es wurde sogar nach Stadtamhof, gegenüber von Regensburg, auf der andern Seite der Donau, ein Spion abgesandt, um die Gelegenheit auszukundschaften, ob Weishaupt nicht unbemerkt in seiner Wohnung zu überraschen wäre. Der Oberleutnant Lorenzer ward mit diesem ehrenhaften Auftrag betraut und berichtet[10] denn auch unter dem 19. Aug. 1787, dass der ehmals gewesene Professor Weishaupt in des Seifensieders Stadlers Behausung über zwei Stiegen hoch in der Engelsberger Strasse wohnhaft sich befindet.

Diese Dinge konnten nicht verborgen bleiben und veranlassten den edlen Herzog Ernst von Gotha, den Gefährdeten dadurch unantastbar zu machen, dass er ihn in seiner Gesandtschaft anstellte.

Am 11. August 1787 liess der Herzog nachfolgenden Befehl seinem Gesandten in Regensburg zugehen.[11]


An den geheimen Rath und Comitial Gesandten
Freiherrn von Gemmingen.
Wohlgeborener Herr.

Nachdem wir die Entschliessung gefasst haben, dem Hofrath Weishaupt zu Erweiterung seiner Kenntnisse in den Reichstags Angelegenheiten und um sich dadurch zu unseren Diensten immer mehr geschickt und brauchbar zu machen, den Zutritt bey unserer dasigen Gesandtschafts Canzley sowohl, als dem Archive zu gestatten, auch denselben zu Beyrichtung erforderlicher Aufsätze und Fertigung nöthiger Auszüge aus den von Zeit zu Zeit erscheinenden Staatsschriften gebrauchen zu lassen, jedoch unter der ausdrücklichen Einschränkung, dass demselben nichts was auf das Religionswesen im deutschen Reiche überhaupt, oder auf die Gerechtsame des Evangelischen Religions-Theils insbesondere einige Beziehung haben dürfen, zur Einsicht vorgelegt noch zur Ausarbeitung übertragen werden soll, als bleibt Euch solches zu Eurer Nachricht und Achtung hierdurch ohnverhalten und gesinnen zugleich an Euch, Ihr wollet gedachten Hofrath Weishaupt nicht nur hiervon die nöthige Eröffnung [231] thun, sondern auch sofort wegen dessen Anweisung unter den bemerkten Einschränkungen und Verpflichtungen ad Silentium mittest Handschlags an Eidesstatt das nöthige besorgen und endlich wie solches geschehen mittelst Einschickung der über vorstehenden Actus zu fertigenden Registratur bei Uns Bericht anzeigen.

Friedenstein, d. 11. Aug. 1787.


Gleichzeitig erhielt der Legations-Sekretär von Ernesti zu Regensburg den Befehl, den Brief an den Gesandten zu öffnen und danach zu handeln, da der Gesandte selbst mutmasslich verreist sein könnte. Letzteres war auch der Fall und von Ernesti erledigte die weiteren interessanten Angelegenheiten.

Kurfürst Karl Theodor übersandte zur selben Zeit durch seinen Gesandten, Grafen von Lerchenfeld, dem Herzog Ernst nachfolgendes Schreiben, aus dem zu ersehen ist, wie dringend eilend und notwendig der Schutz des Herzogs wurde.

Copia Schreibens, so von Sr. Churfürstlichen Dchlt. zu Pfalz an den H. Herzogen zu Sachsen Gotha erlassen worden.

München, d. 9. Aug. 1787.
P. P.

Ew. Lbd. mögen wir nicht länger bergen, wie auffallend und empfindlich Uns sey, dass der geweste Ingolstädtische Professor Weishaupt sich schon einige Jahre hier unter Ew. Lbd. Protection in Regensburg aufhält.

Wir wollen von Ihm keine weitläufige Beschreibung machen, sie liegt schon aus seinen eigenen Briefen, wovon sich die Originalien bey unsern Archiv finden und einen Jeden auf Verlangen zur Einsicht vorgelegt werden, der ganzen Welt zu Allgemeiner Ärgerniss in öffentlichem Druck nunmehr vor Augen.

Euer Lbd. ermessen hieraus von selbst ob dieser höchststrafbare Böswicht, welcher Uns gleichsam zum Troz und Hohn, seinen Wohnplatz an einem mitten in unseren Landen liegenden Ort aufzuschlagen die Keckheit hat, protegirt zu werden verdiene?

Da wir nun gänzlich entschlossen sind, die Extradition desselben von der Reichsstadt Regensburg zu begehren, so verhoffen wir, Ew. Lbd. werden auch die ihm erteilte Protection wieder zurückzuziehen belieben, sohin den Magistrat an der Extradition nicht zu hindern zu suchen.

[232] Ew. Lbd. lassen uns hierdurch Recht und Justiz wiederfahren, Bezeigen Uns anmalens eine Gefälligkeit, welche wir in ähnlichen Fällen zu erwiedern nicht ermangeln werden, die wir ohnehin zur Erweisung freund. vetterl. Dienste stets gefliessen verbleiben.


Gleichzeitig war aber auch der Rat zu Regensburg drangsaliert worden, Weishaupt auszuliefern. Nach einem Bericht des Legations-Sekretärs v. Ernesti, datiert d. 20. Aug. 1787 war der Staatskämmerer Bössner in München gewesen und hatte vernommen, dass auf alle Weise dem Hofrat Weishaupt nachgestellt werde und selbiger gern ausgeliefert gesehen würde. Da nun der Regensburgische Konsulent Gumpelskörner dem kurbraunschweigischen Gesandten v. Ompteda gegenüber äusserte, der Kurfürst Carl Theodor würde W.'s Auslieferung von Regensburg verlangen, so war der Rat darüber in arger Verlegenheit. Aber auch Ernesti war es, denn der Befehl des Herzogs, Weishaupt zu verpflichten, war noch gar nicht infolge der damaligen Postverhältnisse in seinen Händen. Er erhielt dieses Schreiben erst am 8. September, wusste jedoch genau, dass der Herzog alles daran setzte, Weishaupt zu schützen.

Um nun letzteres zu können, verband er sich in Abwesenheit des Gothaischen Gesandten mit dem kurbraunschweigischen Gesandten Herrn von Ompteda, der ebenfalls W. freundschaftlich gesinnt war und übergab dem Rat zu Regensburg nachfolgendes Pro Memoria, dem v. Ompteda durch seine Anerkennung ein grösseres Gewicht gab. Hierbei machte v. Ernesti den Trik, dass er das Dokument zurückdatierte auf den 14. Aug. »mit allem Fleiss« wie es in seinem diesbezüglichen Bericht heisst, trotzdem es am 24. Aug. erst dem Rat überreicht wurde.

Das Pro Memoria[12] lautet:

Pro Memoria.

Es hat der bereits seit einigen Jahren hier anwesende Hofrath Weishaupt bey Endesunterzeichneter Comitial-Gesandschafts Canzley, in Abwesenheit diesseitigen Herrn Gesandens, Freyherrn von Gemmingen, Excellenz, zu erkennen gegeben, als ob ihm, um sich seiner Person zu bemächtigen, auf mancherley Weise nachgestrebet werde. Nun glaube er zwar, als Herzoglich [233] Sachsen-Gothaischer Hofrath, bey seinem allhiesigen Aufenthalt in dieser Kaiserlichen freyen Reichsstadt und der allgemeinen Reichsversammlung Mahlstatt Regensburg, sich wohl alle Sicherheit, gegen etwa anmassliche Gewalt zuverlässig versprechen zu können dürfen; Er wolle aber doch zu allem Ueberfluss gebethen haben, Ihm mit einem diesfalsigen Certificat in Ansehung seiner Qualität und Characters bey hiesig Wohllöblichen Magistrat zu statten zu kommen.

Da nun ersagter Herr Hofrath Weishaupt würklich in Sr. Durchlaucht des regierenden Herrn Herzogs zu Sachsen Gotha und Altenburg, meines gnädigsten Herrn und Fürsten Diensten sich befindet, und von Höchstderoselben Dero Comitial-Gesandschaft ganz besonders anempfohlen und untergeben worden; so hat man zu mehrerer Vorsicht nicht umgehen sollen, Einem Hoch- und Wohlweisen Herrn Kammerer und Rath dahiesiger Kaiserlicher freyen Reichsstadt Regensburg hievon geziemende Eröffnung zu thun.

Regensburg, d. 14. August 1787.
Herzoglich Sachsen Gotha- und Altenburgische
Gesandschafts-Canzley
Philipp Friedrich Ernesti
Legations-Secretarius.


Der Rat beruhigte sich jedoch damit nicht und sandte dem Herzog ein Schreiben, (Original in Gotha) das eine gewisse Bauernschlauheit verrät.

Es lautet:

Durchlauchtigster Herzog,
Gnädigster Fürst und Herr:

Euer Herzogl. Durchlaucht sind die Landesherrl. Verordnungen unverborgen, welche Sr. Curfürstl. Durchl. zu Pfalzbaiern in Betref des sogenannten Illuminaten-Ordens erlassen haben.

Der besondere Anteil, welcher in denen dahingehörigen Druckschriften dem Herrn Hofrath Weishaupt zugeschrieben wird, dessen öffentlicher und bekannter Aufenthalt allhier, ohne dass er zu einer Comitial-Verrichtung oder besondern Auftrag beglaubigt ist, die ehrerbietigste Rücksichten, welche wir der erklärten Willensmeinung Sr. Curfürstl. Durchl. schuldig sind, die Deutungen, welche dem Aufenthalte des Herrn Weishaupts gegeben werden können, das unterm 10. dieses publicirte Churfürstl. höchste Edict, erfüllen uns mit Besorgnissen, die Euer [234] Herzogl. Durchlaucht wir untertänigst vorzutragen, uns umsomehr die Freyheit nehmen, als das unter dem 14. dieses zu Gunsten des Herrn Weishaupt von Höchst dero Comitial-Canzley an uns erlassen Pro Memoria diejenigen Gründe nicht enthält, wodurch einer allenfalsigen Curfürstl. Requisition oder sonstigen gerichtlichen Verfahren gegen denselben mit Anstand und ohne unsere eigene Blosstellung begegnet werden könnte.

So sehr wir wünschen, Bewahrungen der tiefsten Verehrung gegen Euer Herzogl. Durchlaucht an den Tag zu legen, so sehr müssen wir zu einer Zeit, da noch kein Anbringen gegen ersagten Herrn Weishaupt gemacht ist, angelegentlich bitten, die Abreise oder ferneren Aufenthalt desselben, durch gnädigste Maasnehmungen, andurch uns gegen leicht eintrettende Befähigungen gnädigst in Sicherheit zu stellen, die wir mit tiefsten Respekt sind

Durchlauchtigster Herzog Gnädigster Fürst und Herr
Euer Herzogl. Durchlaucht
unterthänigste Cammerer u. Rath allda
Regensburg, d. 25. August 1787.


Die Antwort des Herzogs erfolgte sehr bezeichnend durch nachstehendes Schreiben:


An den Stadtrath zu Regensburg.

Aus einem unterm 25ten dieses, an Uns erlassenen Schreiben haben wir vernommen, was Ihr wegen der von des Herrn Churfürsten zu Pfalz-Bayern, Churf. Durchl. in betreff des sogenannten Illuminaten-Ordens erlassenen Verordnungen, für unsern in Regensburg sich aufhaltenden Hofrath Weishaupt zu erwartende unangenehme Folgen, für Besorgnisse geäussert habt.

Wie Uns nun Euer bey dieser Gelegenheit gegen Uns zu Tage gelegte Gesinnung zu besonderem Wohlgefallen gewesen, wir auch solche dankesgeneigt erkennen, so kann es Uns nicht anders als Vergnügen verursachen, dass Eure Besorgnisse bereits hinlänglich bezogen und die Verlegenheit in welche eine Churpfalzische Requisition Euch hätte versetzen können im voraus von Uns abgeholfen worden, indem wir den Hofrath Weishaupt vor kurzem bey unserer Comitial-Gesandschaft zur Gebrauchung in Geschäften wirklich haben anstellen lassen, mithin derselbe nunmehr vermöge der Gesandschaftsrechte und Reichstägigen Freyheit Unserer Jurisdiction einzig und allein unterworfen [235] ist, welches Wir Euch hierdurch zur Nachricht ohnverhalten und verbleiben Euch übrigens mit Gnade gewogen.

Friedenstein, den 31. August 1787.
Ernst.


Da Weishaupt noch nicht tatsächlich geschützt war, denn der Befehl des Herzogs, ihn zu verpflichten, war immer noch nicht eingetroffen, es inzwischen auch offenbar wurde, wie v. Ernesti in einem Schreiben vom 30. Aug. 1787 mitteilte, dass Lorenzer gegen ein Douceur von 100 Dukaten sich der Person W.'s bemächtigen sollte, so fand es Weishaupt am geratensten, wiederum seinen Koffer,[13] mit dem er bereits aus Ingolstadt geflohen, zu packen und Regensburg zu verlassen. Er begab sich nach Gotha, unter den direkten Schutz des Herzogs. Ernesti berichtet über seine Abreise:


Ew. Hochfreyherrl. Excellenz habe noch vor Abgang der Post unterthänig zu vernehmen zu geben, dass nicht nur an den Freyherrn von Gemmingen gnädigsterlassenes Resscript d. 11. Aug. sondern auch Sr. Herzogl. Durchlaucht sub. cod. Dat. an mich ergangener gnädigster Befehl, nicht minder Ew. Hochfreyherrlichen Excellenz beyde hochverehrliche Antwortschreiben vom 28. und 30. m. p. anheute auf einmal richtig bey mir eingegangen. Nun würde ich zu untertänigster Folge sothanen Inhaltes nach aufhabenden theuren Pflichten, alsobald alles pünktlich bewerkstelligen und dem Herrn Hofrath Weishaupt mittelst Handschlags an Eydesstatt ad Silentium verpflichten ohnermangelt, auch hierüber des nächstens an Sr. Herzogliche Durchlaucht devotesten Bericht erstattet haben; allein da Ew. Hochfreyherrl. Excellenz ich mit letztern Posttag gehorsamst hinterbracht habe, dass der Herr Hofrath Weishaupt bereits von hier abgereist und vielleicht beim Empfang dieses nunmehr schon in Gotha eingetroffen seyn dürfte, so sehe mich gegenwärtig ausser Stande, diese gemessene höchste Ordre submissest zu befolgen. Indessen habe hochdero hohen Anweisung gemäss, von allen diesen den Churbraunschweigischen Minister Herr Baron von Ompteda persönlichst Eröffnung gethan, und dagegen von ihm den Auftrag erhalten, Ew. Hochfreyherrlichen Excellenz nebst seiner gehorsamsten Empfehlung für sothane vertrauliche Communication den verbundesten Dank [236] abzustatten. Ich werde auch diesen ganzen Vorgang des Herrn Gesandens, Freiherrn von Gemmingen, Excellenz nach Thalheim nächstens schreiben.

Ansonsten aber muss ich noch erwähnen, dass vorgestrigen Sonnabend die Frau Hofrath Weishaupt mich zu sich rufen lassen und mir von ihrem abgereisten Manne einen von Ferrieden aus an sie erlassenen Brief vorgelesen, worinnen er ihr meldet, dass er diesen Weg von Regensburg bis dahin, binnen 12 Stunden, jedoch nicht ohne alle Gefahr, zurückgelegt habe. Dieses Dorf Ferrieden liegt in dem Anspachischen und ist der erste Ort nach dem Bayrisch und Pfälzischen Territoria ohngefehr 10 Meilen von hier.

Dero ich unter Beylegung eines hochverlangten, anderweiten Exemplars der Weishauptischen kurzen Rechtfertigung in devotionsvoller Verehrung verharre

Ew. Hochfreyherrl. Excellenz
unterthänig gehorsamster Diener
Philipp Friedrich Ernesti.
Regensburg, d. 3. Sept. 1787.

Weishaupt kam in Sicherheit. Er gelangte nach Gotha trotz des auf ihn lauernden Lorenzer, fühlte sich jedoch, in Gotha angekommen, infolge der Abwesenheit des Herzogs dort nicht sicher und verbarg sich drei Tage lang in einem Kamin bei der Frau Mähler auf der grossen Siebleberstrasse. Es scheint in dieser Zeit ein Anschlag gegen Weishaupt gespielt zu haben, um ihn festzunehmen, einige unklare Andeutungen in den Akten deuten das an, jedoch lässt sich nicht mehr genau angeben, wodurch diese drei Tage im Kamin notwendig wurden.

Herzog Ernst hatte inzwischen mit dem Kurfürsten einige Auseinandersetzungen, die zum Bruche aller freundschaftlichen Beziehungen führten. Der Aufforderung, Weishaupt auszuliefern, begegnete Herzog Ernst durch das nachfolgende Schreiben, das den Kurfürsten entschieden sehr empfindlich berühren musste.


Durchlauchtigster

dass Ew Durchlaucht, mittelst des geehrten Schreibens vom 9. dss. uns zu erkennen zu geben belieben wollen:

Wie auffallend und empfindlich es demselben sey, dass der gewesene Ingolstädter Professor Weishaupt sich schon einige Jahre hier unter unserer Protection in Regensburg aufhält. [237] ist uns, wir müssen es aufrichtig bekennen, um so unerwarteter gewesen, da uns von dem gedachten Weishaupt, als wir ihm den Character unseres Hofrathes beylegten, nichts Nachtheiliges in Ansehung seiner sittlichen Grundsätze und Betragens, vielmehr bekannt war, dass Ew. Durchlcht. ihn nicht anders als unter Begnadigung mit einer lebenslänglichen Pension von der Universität Ingolstadt entlassen hatten und er uns übrigens als ein aufgeklärter Kopf und mit vielen gelehrten Kenntnissen versehener Mann von schätzbaren Personen, die in nähere Bekanntschaft mit ihm gestanden, beschrieben und empfohlen worden war.

Wie wir nun nach der Hand uns entschlossen haben, den vorbemerkten Hofrath Weishaupt in Rücksicht auf die bey ihm wahrgenommenen vorzüglichen Talente in Canzley-Geschäften zu gebrauchen und in solcher Absicht, um sich in diesem Fache die gehörige Kenntnis und Uebung zu verschaffen bey unserer Comitial-Cantzley in Regensburg anstellen zu lassen, wir auch vor kurzem unseren Comitial-Gesandten in Gemäsheit dieser Intention angewiesen haben, so werden Ew. Durchl. einsehen, dass dem dortigen Magistrate nicht die mindeste jurisdictions Befugniss über unsern zur Reichstägigen Gesandschafts-Canzley gehörigen Diener und Hofrat Weishaupt zustehe, Belieben sich aber zugleich von uns überzeugt zu halten, dass, wenn derselbe während der Zeit, da er noch Euer Lbd. unterthan und in dero Landen und Diensten war, einige strafwürdige Handlungen begangen zu haben, zu überführen wäre und derselben gefällig seyn sollte uns davon solche Anzeige, welche einer gerichtlichen Untersuchung fundiren könnten, zukommen zu lassen, wir sowohl aus schuldigen Justizeifer als auch in Gefolg der für Ew. Durchlaucht hegende vollkommendste Hochachtung, bereit und willig seyn werden, die strengste unpatheiischste Untersuchung gegen unsern erwähnten Weishaupt verhängen zu lassen und ihn, falls er seiner Unschuld auf keine befriedigende Weise darthun könnte, nach dem Verhältniss der von ihm zu Schulden gebrachten gesetzwidrigen Handlungen mit der verdienten Ahndung anzusehen. Von Eurer Lbd. gerechten Denkungsart schmeicheln wir uns, dass Sie diese in der Billigkeit beruhende Erklärung um so günstiger aufnehmen werden, als wir derselben die aufrichtige Versicherung beyzufügen die Ehre haben

Friedenstein den 29. August 1787.


Der Kurfürst liess seinen Ärger sehr deutlich in der Antwort [238] auf diesen Brief durchblicken, ja er liess sich zu heftigen Ausdrücken hinreissen, die Herzog Ernst sehr scharf zurückwies.

Ausserdem zeigt das nachfolgende Schreiben, wie wenig er gesonnen war, ein wirklich juridisches Verfahren einzuschlagen, sondern nur gewaltsam vorzugehen beabsichtigte:


Copia Schreibens von Sr. Churfürstl. Dchlt. zu Pfalz an den Herrn Herzogen von Sachsen-Gotha dda München d. 6. Sept. 1787.

P. P.

Warum Eure Lbd. unsern freundschaftlichen Ansinnen in betref des Weishaupt, nicht zu willfahren, sondern denselben in gesandschaftlichen Diensten beizubehalten und ihn Dero Protection noch ferner dadurch angedeihen zu lassen für gut befinden, ist Uns aus Dero Schreiben vom 29ten Aug. wider alle Erwartung zu vernehmen gewesen.

Nimmermehr kann sich der Weishaupt rühmen, dass er unserer Dienste in Gnaden entlassen worden seye. Er war schon vorher in grossem Verdacht, dass er der studirenden Jugend durch verbotene Bücher und sonst bös und religionswidrige Principia beygebracht habe, weswegen er auch statt der Pension, welche ihm bey seiner Entlassung lediglich in Rücksicht auf Weib und Kind angetragen, aber trotz- und hochmüthig ausgeschlagen worden ist, vielmehr inquirirt und abgestraft zu werden verdient hätte, sofern Wir Uns nicht eines so gefährlichen Mannes noch lieber auf solche Art zu entledigen, als Unsere Universitaet durch eine scharfe Inquisition und Strafe verschreit zu machen für rathsam erachteten.

Nebst dem war uns damal noch ein verborgenes Geheimniss, was sich erst nachher durch die bei dem Zwack und Baron Bassus erfundenen Schriften wider ihn aufgedeckt hat.

Wir wussten von der Blutschande, welche er mit seines Weibs Schwester verübt, noch so wenig, als dem sub conatu proximo attentirten Kindsmord, und eben so wenig war uns bekannt, dass er der Stifter und sogenannte General der in unsere Landen so weit verbreiteten illuminaten Sect seye, wodurch man unter dem Blendwerk der Wahrheits-Aufklärung und Sittenverbesserung die christliche Religion zu stürzen, dem völligen Unglauben dagegen einzuführen, in das Jus vitae et necis Collectarum aritrivi und andere landesherrliche Vorrechte einzugreifen von den Mitgliedern einen beschworenen und unbegrenzten Gehorsam zu fordern, all jene, welche nicht von [239] dieser Secte sind, als profan und verächtliche Leute zu behandeln zu diffamiren, zu verfolgen und zu unterdrücken, mit einem Wort alles an sich zu ziehen, und einer vollkommenen Oberherrschaft sowohl über Regenten als Unterthanen sich zu bemeistern sucht.

Um diese in das Crimen incestus, attentati, infanticidii und laesae Majestatis einschlagende Facta, ist und bleibt uns der Weishaupt allzeit noch responsabl und wird uns keine auswärtige Protection abhalten, diesen aussgeschämten Bösswicht, welcher sich als einen Blutschänder, Kindsmörder, Volksverführer und Chef eines für die Religion und den Staat höchst gefährlichen Complotts, durch eigene Bekenntnus selbst schon offentlich dargestellt hab, allenthalben, wo er sich immer betreffen lässt, bey den Kopf zu nehmen und Uns selbst die gebührende Satisfaction und Justiz zu verschaffen, ohne dass Wir einer Requisition hiezu bedarfen. Übrigens zu angenehmern Diensterweisungen geflissentlich verbleibend.

München ut supra.


Als Antwort auf den Churfürstl. Brief wurden zwei Schriften abgefasst, die zahmere und längere vom Herzog verworfen, nachfolgende jedoch abgesandt.


An den Churfürsten von der Pfalz.

Ew. Lbd. verargen uns nicht, wenn Wir Uns begnügen, derselben von dero Schreiben vom 6. dss. Mon. blos den Empfang anzuzeigen, auf dessen Inhalt aber, dergleichen Uns in seiner Art noch nicht vorgekommen ist, etwas zu erwiedern Uns um deswillen enthalten, weil Wir die darinn anzutreffenden bedrohlichen Äusserungen nicht anders als auf eine Art begegnen könnten, welche mit der vollkommendsten Hochachtung, die wir E. L. jederzeit zu bezeigen wünschen, nicht vereinbarlich scheinen möchte.

Deroselben zur Erwiderung.


Wollte der Kurfürst jetzt noch etwas erreichen, so wäre das wohl nur durch die schärfsten Massregeln möglich gewesen. Solche waren jedoch unmöglich und so verblieb Weishaupt in äusserlicher Ruhe in Gotha bis zu seinem Tode 1830.

Wir werden auf seine Tätigkeit in Gotha noch zurückkommen.


  1. Wer sich nur einigermassen mit Geschichte der wissenschaftlichen Literatur beschäftigte, weiss, welche Fundgrube gelehrten Materials bei Bayle vorliegt, auch dem Dilettanten ist es nicht unbekannt, dass R. Simon die ersten Anfänge einer biblischen Textkritik in die Theologie einführte.
  2. S. Archiv der Univ. E. I Nr. 7. Mai 1785. D III Nr. 70 f. 44 ff. Univ. Bibliothek Cod. Mscr. 475 fol. 3. 399.
  3. Der schwedische Gesandte schreibt stets Domhoff, das graue Ungeheuer Dumhof, letztere Lesart ist keine boshafte Namensverdrehung, der Mann heisst Dumhof.
  4. Original in München, Geheimes Hausarchiv.
  5. Original im geheimen bayrischen Staats-Archiv.
  6. Siehe: Kurze Rechtfertigung meiner Absichten, von A. Weishaupt, Frankfurt 1787, Seite 13, Anmerkung.
  7. In jener Zeit war die Heirat eines Mannes mit seiner Schwägerin als blutschänderisch verboten, konnte jedoch durch einen Dispens des Papstes gestattet werden.
  8. Der Originaldispens liegt in München im Kgl. Geheimen Staats-Archiv.
  9. Abschriften davon in meinem persönlichen Besitz.
  10. Original im Kgl. bayr. Geheimen Staats-Archiv.
  11. Original im Archiv zu Gotha. U. U. VII a—13.
  12. Abschrift im Archiv zu Gotha.
  13. Dieser alte Zeuge seiner Leiden ist jetzt im Besitz des Autors zu Dresden.

Anmerkungen (Wikisource)


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